Archiv für den Monat: März 2012

Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Autoimmunerkrankungen

Zusammenfassung der Abstracts einiger Arbeiten:

Mesut Ogrendik: Rheumatoid arthritis is linked to oral bacteria: etiological association. Mod Rheumatol 19, 2009, 453-456, doi: 10.1007/d10165-009-0194-9 (Open Access)
Klinische Studien haben Hinweise auf signifikante Assoziationen zwischen diesen beiden Erkrankungen erbracht. Im Serum und der Gelenkflüssigkeit von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) wurden hohe Titer von Antikörpern gegen anaerobe Mundbakterien gefunden. In ihrer Gelenkflüssigkeit wurden Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis und Prevotella intermedia nachgewiesen. Antibiotika, die gegen Infektionen mit anaeroben Mundbakterien helfen, wirken auch gegen RA. Der Autor des Reviews kommt zu dem Schluss, dass diese Bakterien direkt mit der Etiologie der RA zusammenhängen. Umso wichtiger sei es, Parodontitis zu behandeln und ihre Chronifizierung zu verhindern.

B. S. Patil, S. Patil, T. R. Gururaj: Probable autoimmune causal relationship between peridontitis and Hashimoto thyroiditis: A systemic review. Niger J Clin Pract 14, 2011, 253-261, doi: 10.4103/1119-3077.86763 (Open Access)
Manifestation und Fortschreiten von Parodontitis hängen von vielen Faktoren ab; es gibt z. B. Zusammenhänge mit systemischen Erkrankungen. Hashimoto-Thyreoiditis wurde als eine mögliche Ursache für Parodontitis diskutiert.  Die Mechanismen ähneln sich (Autoantikörper …). Bei Hashimoto-Patienten führt eine Parodontitis-Behandlung oft nicht zum Erfolg.  Abb.: mögliche Mechanismen: Hashimoto-Thyreoiditis -> Endothel-Fehlfunktion -> nicht genug NO verfügbar -> erhöhter oxidativer Stress -> erhöhte Serum-Prostanoide, Zytokine und Matrix-Metalloproteasen -> Parodontitis. Und/oder Hashomoto-Th. -> Stress -> veränderte Mikrozirkulation im Zahnfleisch -> veränderte Beweglichkeit der Zellen bei Entzündung -> Parodontitis. Weiterlesen

Im Leben ist nichts zu fürchten


 

 

 

 

Im Leben ist nichts zu fürchten,
alles ist zu verstehen.

Marie Curie (1867–1934) zugeschrieben

 

Nichts in der Biologie hat einen Sinn außer im Lichte der Evolution … Ohne dieses Licht wird sie zu einem Haufen unzusammen- hängender Fakten, die zum Teil interessant oder merkwürdig sein mögen, aber kein sinnvolles Gesamtbild ergeben.

Theodosius Dobzhansky (1900–1975)

Entdeckung und Erforschung regulatorischer T-Zellen im Verdauungstrakt

F. Powrie (Wellcome Library, London, CC by-nc 2.0 UK)

Fiona Powrie: Gut reactions: immune pathways in the intestine in health and disease. EMBO Molecular Medicine 4/2, 2012,71–74; doi: 10.1002/emmm.201100197 (Open Access)

Die Autorin war maßgeblich an der Entdeckung und Erforschung regulatorischer T-Zellen in der Schleimhaut des Verdauungstrakts beteiligt und zeichnet in diesem kleinen Artikel ihren Weg und die wichtigsten Erkenntnisse nach.   Weiterlesen

Morbus-Basedow-Patienten sehr häufig mit Magenbakterium Helicobacter pylori infiziert

Vincenzi Bassi et al.: Autoimmune thyroid diseases and Helicobacter pylori: The correlation is present only in Graves’s [sic!] disease. World J Gastroenterol 18/10, 2012, 1093-1097, doi: 10.3748/wjg.v18.i10.1093 (Open Access)

[Bewertung vorweg: gute Arbeit zu Unterschieden zwischen den beiden wichtigsten Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis), zur Möglichkeit von Kreuzreaktionen/molekularer Mimikry und zu Th1 vs. Th2. Ob H.-pylori-Infektionen Morbus Basedow wirklich fördern oder eher ein Epiphänomen der Autoimmunerkrankung sind, bleibt letztlich offen.]

Abstract: 112 PatientInnen (48 Frauen und 4 Männer mit M. Basedow, 54 Frauen und 6 Männer mit Hashimoto-Th.) unmittelbar nach der Diagnose; Test auf H. pylori in frischen Stuhlproben und bei Hinweisen auf eine laufende Infektion ELISA-Analyse des Serums auf Gegenwart der besonders aggressiven Cag-A-Stämme des Magenbakteriums. Signifikante Korrelation zwischen Gegenwart von H. pylori bei M. Basedow, nicht aber Hashimoto-Thyreoiditis.   Weiterlesen

Immunität, Schilddrüsenfunktion und Schwangerschaft: molekulare Mechanismen

Zusammenfassung eines Reviews, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet und z. T. nur stichwortartig – keine „schöne Prosa“ 🙂

Anthony P. Weetman: Immunity, thyroid function and pregnancy: molecular mechanisms. Nature Reviews Endocrinology 6, 2010, 311-318, doi: 10.1038/nrendo.2010.46

[Das Fazit vorab: eine sehr gute Übersicht über die Balance zwischen Th1- und Th2-Arm der erworbenen Immunabwehr, die Funktion von Tregs, die Anforderung einer Schwangerschaft an das Immunsystem (Embryo = Semi-Allograft darf nicht abgestoßen werden, zugleich darf die Abwehr wegen Infektionsgefahr in kritischen Entwicklungsphasen nicht unterdrückt werden). Tabellen und Grafiken erleichtern das Verständnis.]

Abstract: Eine Schwangerschaft und die Zeit nach der Entbindung wirken sich stark auf Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse aus. Morbus Basedow: währenddessen Verbesserung, danach Verschlimmerung. Postpartum-Thyreoiditis: Zerstörung von Schilddrüsengewebe in den ertsen Monaten nach Entbindung. Mutter muss Toleranz gegenüber fetalem Semi-Allograft erhalten und zugleich sich und das Kind vor Infektionen schützen. Im Trophoblast Expression immunmodulatorischer Moleküle. Umschalten auf Th2-Zytokin-Muster. Tregs sammeln sich in der Gebärmutterschleimhaut, zirkulieren aber auch im mütterlichen Blutkreislauf und können so zufällig gleichzeitig auftretende Autoimmunreaktionen unterdrücken (linked suppression). Nach der Entbindung nimmt Zahl der Tregs rapide ab -> erneutes Ungleichgewicht -> Verschärfung einiger Autoimmunerkrankungen.   Weiterlesen

Immunologische Meldungen des VBIO, 12/2011 bis 01/2012

Nachzutragen sind noch die verlinkten Überschriften einiger älterer VBIO-Meldungen aus den vergangenen Monaten:

Wie Cortison bei der Behandlung von Rheumatoider Arthritis wirkt

Neuer Auslöser von chronischen Darmentzündungen entdeckt

Makrophagen sind Teil eines unbekannten Immunsystems

Anti-bakterielle Immunantwort: Bisher unbekanntes Molekül charakterisiert

Antipsychotika können die Aktivität endogener Retroviren beim Menschen verstärken

Grundlage für neue Entzündungshemmer

Infektionsbiologen entdecken therapeutisches Potenzial von Wurmparasiten

Immunologische Meldungen, Februar und März 2012

Aus Zeitgründen diesmal nur Überschriften mit Links und wörtlich vom VBIO bzw. vom Portal Pflanzenforschung.de übernommenen Anreißern – noch ist das Leistungsschutzrecht ja nicht in Kraft. Im Anschluss an die Anreißer ggf. ein kurzer Kommentar von mir.

Februar 2012:

Neuer Mechanismus zur Abwehr von Viren und Krebs
„Forschergruppen der Charité und des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin sowie der Universität Genf haben einen grundlegend neuartigen Mechanismus entdeckt, wie Virusinfektionen unsere Körperabwehr zu Höchstleistungen anspornen. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten zur Impfstoffentwicklung gegen Infektionskrankheiten und Krebs.“ – Interleukin 33 als Alarmin; Konzept der Alarmine evtl. wichtig für Schilderung des Ablaufs einer typischen Infektion/Immunreaktion im 1. Teil des Buches

Neue Möglichkeiten im Kampf gegen Autoimmunerkrankungen: Struktur des Immunoproteasoms aufgeklärt
„Ähnlich einem „Schredder“ zerlegt das Immunoproteasom Eiweiße in kleine Bruchstücke, die dann an der Oberfläche der Zelle präsentiert werden. Werden diese Eiweißteile als „körperfremd“ erkannt, vernichtet das Immunsystem die Zelle. Bei Autoimmunerkrankungen ist dieser Prozess gestört. Helfen könnte dagegen, das Immunoproteasom zu hemmen. Biochemikern der Technischen Universität München (TUM) gelang es nun erstmals, die Kristallstruktur des Immunoproteasoms aufzuklären und Angriffsstellen für neue Medikamente aufzuzeigen.“ – evtl. wichtig für Schilderung des Ablaufs einer typischen Infektion/Immunreaktion im 1. Teil des Buches   Weiterlesen

Ein Kinderbuch über das Immunsystem (auch für Erwachsene)

Buchcover (Zeichnung: Tomoko Ishikawa)

Da tun Leute mit großem Aufwand Gutes – und reden dann nicht laut genug darüber! Wie sonst sollte man sich erklären, dass dieses bereits seit Juni 2011 auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Immunologie verfügbare Büchlein meiner Aufmerksamkeit bisher entgangen war? Gestern habe ich mich auf der Website umgesehen, auf der ich durch einen Veranstaltungshinweis gelandet war, und habe mir das PDF heruntergeladen.

Das Buch richtet sich an Kinder und Jugendliche, ist aber auch für Erwachsene eine gute Einführung in das menschliche Immunystem. Erstellt wurde es von der Japanischen Gesellschaft für Immunologie, und die deutsche Übersetzung entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen einem Erlanger Gymnasium und Immunologen an der Uni Erlangen: Schülerinnen und Schüler nahmen an immunologischen Lehrveranstaltungen der Uni teil und fertigten danach auf der Basis der englischen Ausgabe die Rohübersetzung des Buches an. Die Übersetzung wurde anschließend von Lehrern und Wissenschaftlern durchgesehen und überarbeitet.

Die anschaulichen Illustrationen – an die Manga-Ästhetik und zugleich an die Bildsprache der wissenschaftlichen Immunologie angelehnt – hat Tomoko Ishikawa gezeichnet. In Teil I werden Aufbau und Arbeitsweise des Immunsystems dargestellt, in Teil II geht es um Krankheiten: Infektionen, Autoimmunerkrankungen, Allergien und Krebs. Abgeschlossen wird das Büchlein durch eine Kombination aus Glossar und Index – eine Idee, die ich bereits vor Monaten auch für das Autoimmunbuch hatte. Das Büchlein wird meine Grafiker und mich sicherlich inspirieren, auch wenn mir ein ganz anderer Illustrationsstil vorschwebt.

Schade nur, dass man das passwortgeschützte PDF nicht ausdrucken kann. (Ja, ich weiß: Solche Schutzmaßnahmen lassen sich umgehen. Aber ich finde sie einfach hinderlich.)

Leider nach wie vor unklar: Warum hilft Selen bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse?

schwarzes, graues und rotes Selen (Foto:Tomihahndorf)

Der folgende Artikel aus der Open-Access-Zeitschrift Autoimmune Diseases erhebt den Anspruch, erste Hinweise auf den Mechanismus hinter der therapeutischen Wirkung von Selengaben bei Hashimoto-Thyreoiditis (evtl. auch bei Morbus Basedow) zu geben. Leider löst er diesen Anspruch nicht ganz ein: Die Autoren haben so sehr mit der englischen Sprache gekämpft, dass die Kernaussage sowohl im Text als auch in der zentralen Grafik der Publikation unverständlich bleibt, und die Redakteure der Hindawi Publishing Corporation haben den Verfassen nicht nur nicht beigestanden, sondern mit ihrer schlampigen Arbeit sogar für weitere Verwirrung gesorgt. Sehr schade, auch mit Blick auf das Renommee von Open-Access-Journalen. Ich habe mir aber weitere aktuelle Arbeiten zum Thema Selen und Autoimmunerkrankungen beschafft und werde weiter berichten.

Csaba Balázs und Viktória Kaczur: Effect of Selenium on HLA-DR expression of Thyrocytes. Autoimmune Diseases, 2012, doi: 10.1155/2012/374635

Abstract: Mit dem Experiment sollte geklärt werden, ob Selen (Se) in In-vitro-Kulturen menschlicher Thyreozyten (Schilddrüsenzellen) die Expression von HLA-DR-Molekülen und die Produktion freier Sauerstoffradikale beeinflusst. Die Zellen wurden in der Gegenwart von Gamma-Interferon kultiviert, was zur Expression von HLA-DR-Molekülen führte. Selen inhibierte diese Expression in dosisabhängiger Weise. Dieser Effekt korrelierte negativ mit der antioxidativen Kapazität.   Weiterlesen