Archiv für den Monat: Dezember 2012

Schreibklausur

Liebe Blogleserinnen und -leser,

dass es hier im Moment nur selten neue Beiträge gibt, liegt nicht an Untätigkeit. Vielmehr stecke ich mitten in meiner Jahreswechsel-Schreibklausur, um das Autoimmunbuch voranzubringen, das eigentlich schon 2012 fertig hätte werden sollen.

Viele Grüße, danke für eure Geduld und eure Kommentare, und möge 2013 ein gutes und ruhiges Jahr werden – vor allem, was die Gesundheit angeht.

Was passiert bei Immunneuropathien?

Ich habe meine Fazialislähmung zum Anlass genommen, für das Buch zu skizzieren, wie eine Immunneuropathie abläuft. Zu den Immunneuropathien zählen Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, das Guillain-Barré-Syndrom, chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) oder vaskulitische Neuropathie. Bei einigen ist das periphere, bei anderen das zentrale Nervensystem betroffen. Oft beschränkt sich die Störung (wie bei der Fazialislähmung) auf einen einzelnen Nerv.

Am Anfang steht vermutlich immer die Reaktivierung eines latenten Virus (z. B. Herpes) oder eine oftmals unbemerkte, da symptomfreie (sogenannte stumme oder maskierte) Infektion, hier durch ein maskiertes Bakterium dargestellt. Eine in der Blutbahn oder im Gewebe patrouillierende Immunzelle – hier eine dendritische Zelle (DC) – entdeckt den Eindringling:

Die dendritische Zelle nimmt Teile des Erregers auf und verarbeitet sie zu einem präsentablen Antigen weiter. Sie verwandelt sich in eine antigenpräsentierende Zelle (APC), die einer T-Helferzelle das Antigen auf ihrem MHC-Klasse-II-Rezeptor (hier: Tablett) präsentiert. Damit es nicht zu Fehlalarmen kommt, gibt es einen Sicherheitsmechanismus: T-Helferzellen reagieren nur dann auf ein Antigen, wenn ihnen gleichzeitig auf einem anderen Rezeptor ein sogenanntes kostimulierendes Signal präsentiert wird, das anzeigt, dass wirklich eine Infektion oder eine andere Gefahr vorliegt, die bekämpft werden muss (hier: Kerze). Auf der Oberfläche der T-Zelle gibt es für beide Signale spezifische Rezeptoren (hier: Augen/Blickkontakt):

Die T-Helferzellen reichen die Information über das Vorliegen eines Gefahr (Kerze) und über die genaue Art der Gefahrenquelle, also das Antigen (Augenbinde des Bakteriums), über Rezeptoren und Signalstoffe (Sprechblase) an B-Zellen weiter und regen diese so zur Produktion spezifischer Antikörper an:

Die B-Zellen schütten massenhaft Antikörper aus (Eimer), die spezifisch an „ihr“ Antigen binden und die Gefahrenquellen so zum Teil direkt schachmatt setzen, zum Teil zur anschließenden Zerstörung und Entsorgung markieren:

Diese normale Immunreaktion spielt sich in der Blutbahn, im Lymphgewebe und lokal im infizierten Gewebe ab. Aber manchmal läuft etwas schief: Aktivierte T-Zellen können die Blut-Nerven-Schranke durchdringen und von der Blutbahn (im nächsten Bild links) in einen Nerv (rechts) überwechseln. Das sollte eigentlich nicht passieren, da Nerven zu den sogenannten immunprivilegierten Orten im Körper gehören: Da Entzündungsreaktionen hier viel Schaden anrichten können, sind diese Orte für die meisten Immunzellen tabu. Weiterlesen

Gesichtslähmung geht zurück

Facialislähmung, Tag 24: betroffene Gesichtshälfte schwächer an Grimasse beteiligt

Kleines Gesundheitsupdate: Die Fazialislähmung lässt nach, die Mimik normalisiert sich allmählich. Ein flüchtiger Betrachter mag schon nichts mehr davon mitbekommen. Aber beim Grimassenschneiden sieht man noch, dass die linke Gesichtshälfte (hier wegen Spiegel ebenfalls links) stärker beteiligt ist als die rechte. Auch die Akustik stimmt noch nicht; Geräusche bestimmter Frequenzen dröhnen und scheppern ungeheuer in meinem rechten Ohr. Und ob nun wegen der (längst beendeten) immunsupprimierenden Prednison-Therapie oder aus anderen Gründen: Die Erkältung, die ich mir außerdem eingefangen habe, ist hartnäckiger und ermüdender als sonst. Dennoch hoffe ich, morgen am Autoimmunbuch weiterschreiben zu können. Lust dazu habe ich jedenfalls.

Grapefruitsaft kann L-Thyroxin-Aufnahme leicht hemmen

Der Schwerpunkt meines Blogs liegt auf den biologischen Mechanismen im Immunsystem und nicht auf Empfehlungen – aber da ich heute darüber gestolpert bin, hier ein kurzer Hinweis für Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis und andere, die regelmäßig oral verabreichte Medikamente nehmen müssen:

Grapefruitsaft hemmt sowohl die Aufnahme einiger Medikamente in die Blutbahn als auch den enzymatischen Abbau anderer Medikamente. Im ersten Fall kann es zu Unterdosierung kommen, im zweiten zu – zum Teil gefährlichen – Überdosierungen. „Zum Glück“ fällt L-Thyroxin in die erste Kategorie, und der Effekt ist relativ schwach. Wer morgens regelmäßig ein Glas Grapefruitsaft trinkt, muss u. U. eine um etwa 10% höhere Thyroxin-Dosis zu sich nehmen, um gut eingestellt zu sein. Wer den Saft ab und zu weglässt, manchmal mehr davon trinkt oder plötzlich ganz damit aufhört, sollte bedenken, dass dies Schwankungen im Schilddrüsenhormonlevel zur Folge haben kann.

Mit Calcium oder Eisen verträgt sich L-Thyroxin übrigens schlecht, weil sie die Aufnahme in die Blutbahn massiv beeinträchtigen – bitte möglichst nicht kombinieren oder, wenn die Einnahme wirklich nötig ist, mit dem Arzt oder der Ärztin besprechen und ggf. die L-Thyroxin-Dosis anpassen! Eine Calciumeinnahme senkt die L-Thyroxin-Aufnahme um bis zu 40% und kann folglich den TSH-Wert fast verdoppelt. Wer bei unveränderter L-Thyroxin-Dosis anfängt, Eisen- und/oder Calciumpräparate zu nehmen, kann in eine Hypothyreose rutschen. Das plötzliche Absetzen von Eisen oder Calcium bei unveränderter L-Thyroxin-Dosis kann umgekehrt eine Hyperthyreose hervorrufen.

Literaturhinweise

zu Grapefruit und verringerter Aufnahme in die Blutbahn:

Lilja et al.: Effects of grapefruit juice on the absorption of levothyroxine (2005)

D. G. Bailey: Fruit juice inhibition of uptake transport: a new type of food-drug interaction (2010)

zu Grapefruit und reduziertem Wirkstoffabbau -> Gefahr von Überdosierung:

aktueller Artikel in der Ärztezeitung
(Der darin verlinkte neue Artikel von Bailey ist leider nicht frei zugänglich; es gibt nicht einmal ein freies Abstract.)