Ein uneingelöstes Versprechen: Springer-Artikel sind unerschwinglich

Derk Haank, CEO, Springer Science+Business Media, auf der OAOD2010

Anlässlich der Open-Access-Tage, die derzeit in Regensburg stattfinden, und der Veröffentlichung der Ergebnisse der Umfrage des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ möchte ich an ein Versprechen erinnern, das Derk Haank (CEO, Springer Science+Business Media) mir im Dezember 2010 bei der Expertentagung „Open Access/Open Data“ in Köln gegeben hat.

Auf der Tagung bestand die Möglichkeit, den Teilnehmern des von Arnoud de Kemp moderierten Panels schriftlich Fragen zu stellen, die im letzten Teil der Diskussion beantwortet werden sollten. Ich habe Derk Haank auf die hohen Einzelartikelpreise der Springer-Fachzeitschriften aufmerksam gemacht, die für freie Publizisten ohne institutionelle Anbindung unerschwinglich sind — gerade, wenn man beim Recherchieren im Rahmen eines Übersetzungs- oder Lektoratsauftrags oder beim Schreiben eines Sach- oder Fachbuchs sehr viele Artikel einsehen muss, nur um hinterher festzustellen, dass ein Großteil davon die gesuchten Informationen (oft nur ein Fachbegriff oder eine Artbezeichnung, die man verifizieren will) gar nicht enthält.  

A. de Kemp, J. Velterop, U. Korwitz, G.G. Wagner, D. Haank, S. Harnad

Geradezu absurd wird die Situation, wenn der Auftraggeber zum selben Konzern gehört wie die Fachzeitschriften — wie etwa bei meinen Übersetzungen für ‚Spektrum Akademischer Verlag‘ der Fall. Da freie Publizisten schnell auf Ausgaben in Höhe ihres Gesamtumsatzes kämen, wenn sie jedes Mal ungefähr 35 Euro für einen Artikel zahlen würden, beschreiten meine Kollegen und ich bei der Literaturbeschaffung zwangsläufig krumme Wege — oder wir fangen an, nachlässig zu arbeiten („Ach, wird schon stimmen“).

Um diesem Missstand abzuhelfen, fragte ich Derk Haank, ob er sich ein Lizenzmodell vorstellen könne, bei dem ausgewiesene freie Publizisten entweder eine „Flatrate“ oder deutlich reduzierte Einzelartikelpreise zahlen. Haank versprach, das Anliegen, mit dem er kurz zuvor bereits von anderer Seite konfrontiert worden sei, an die Lizenzabteilung des Hauses weiterzugeben, die sich mit einem Vorschlag bei mir melden werde.

Und darauf warte ich bis heute, trotz einer (wie ich finde) freundlichen Erinnerung im Mai 2011. Freie Wissenschaftspublizisten sind offenbar als Zielgruppe so unbedeutend, dass Verhandlungen über eine für sie erschwingliche Zugangsregelung bei Springer keine hohe Priorität genießen. Nun, damit kann ich leben; irgendwie materialisiert sich ja doch jeder Artikel, der einen brennend interessiert, früher oder später im Eingangsordner. Aber ein weniger krummer Weg wäre mir lieber.

Ein Gedanke zu „Ein uneingelöstes Versprechen: Springer-Artikel sind unerschwinglich

  1. Hilf Eberhard

    Eine solche Flatrate zum Online-Einsehen einer größeren Zahl von wissenschaftlichen Artikeln benötigen nicht nur die so unabdingbaren Wissenschaftspublizisten sondern auch andere Gruppen: z.B. die freien Wissenschaftsgutachter (wie mich als pensionierten Hochschullehrer), die zu begutachtende Artikel verifizieren bzw. auf ihren Neuigkeitsgehalt abklopfen sollen, oder die bei Berufungen vergleichende Gutachten schreiben sollen, was bei der dabei gebotenen Sorgfalt die Einsicht doch in wenigstens 3 mal 10 Artikel der zu beurteilenden Autoren erfordert, also soll laut Springer der ehrenamtlich (z.B. für Springer) tätige Gutachter erst mal 1.000,- Euro zahlen.
    Notwendig ist dabei oft nur ein kurzer Blick auf eine bestimmte Gleichung oder Absatz, z.B. der zitierten oder eben relevanter nichtzitierter Artikel. Aber nein, die STM-Verlage, hier Springer, verlangen so um die 35,- Euro, -übrigens auch für meine eigenen Artikel in ihren Zeitschriften.
    Notwendig wäre also für die Unabhängigkeit freier Wissenschaftspublizisten, wie für die gebotene Sorgfalt freier wissenschaftlicher Gutachter, dass die STM-Verlage hier freien wenigstens befristeten online-Zugang zu den entsprechenden Werken gewähren.
    Und schließlich: auch jeder Wissenschaftler, der im Staatsauftrag forscht, kann seine Arbeit nicht ordentlich ausführen, wenn er nicht umfassend, ohne Verzug, und technisch einfach über den Stand der Wissenschaft informiert ist. Das kann keine Bibliothek bezahlen. Es entstehen also auch indirekte Kosten durch die Erhebung von Verlags-Gebühren für das Lesen von wissenschaftlichen Artikeln durch Wissenschaftler: aber wie bewertet, schätzt man ‚verhinderte wissenschaftliche Erkenntnis‘ ein? Jedenfalls ist es ein Vielfaches des Umsatzes der STM-Verlage.

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