Neandertaler-Erbe in unserem Immunsystem

Sapiens-Neandertaler-Paar_650Schnelle Notizen zu 14 kürzlich gelesenen Artikeln – nicht allgemein verständlich aufbereitet, nicht korrekturgelesen und in dieser Form wahrscheinlich nur für mich selbst nützlich. 🙂 Das Ganze wird im letzten Teil des Buches verwurstet, in dem ich die Evolution unseres Immunsytems chronologisch abhandle.

Gibbons A. (2014): Neandertals and moderns made imperfect mates. Science 343, 31.01.2014 (News zu den Arbeiten von Sankararaman et al. 2014, s. u., sowie Vernot & Akey 2014)

Vernot & Akey haben nur moderne Humangenome aus dem 1000 Genomes Project verglichen und daraus Rückschlüsse auf Neandertaler-Einkreuzungen gezogen; Sankararaman et al. haben auch Neandertaler-Genomsequenz einbezogen. Neandertaler haben Spuren in Haut, Nägeln und Haaren (Keratin) hinterlassen; Nachfahren der Hybriden waren weniger fruchtbar als „reine“ moderne Menschen.

In über 60% von 1004 ostasiatischen und europäischen Genomen Neandertaler-Version des Keratinfunktion-Gens. Keratin macht Haut wasserdicht, blockiert Pathogene, macht Haut wärme- und kälteempfindlich -> Anpassung an kältere Habitate?

Neandertaler-Allele, die Risiko für Krankheiten wie Lupus, Morbus Crohn usw. erhöhen, haben Neandertalern vermutlich nicht geschadet, passten aber schlecht zum neuen Kontext im modernen Menschen.

Weitere Neandertaler-Allele -> Hautfarbe.

In allen untersuchten modernen Humangenomen zusammen 20 bzw. 30% des Neandertaler-Genoms wiedergefunden; in einem Individuum stammen 1-3% des Genoms vom Neandertaler. Einkreuzung vor etwa 60.000 Jahren.

Etwa 20 Regionen des Humangenoms enthalten keine Neandertaler-DNA -> negative Selektion wegen Fortpflanzungsnachteilen der Hybriden. Frauen bleiben wegen doppeltem X-Chromosom eher fruchtbar -> Jetzt wird untersucht, ob wir mehr DNA von weiblichen als von männlichen Neandertalern übernommen haben. (Gemeint ist wahrscheinlich das Geschlecht der gemischten Kinder, nicht des reinen Neandertaler-Elternteils – da macht es keinen Unterschied, solange männliche Hybriden mit Neandertaler-X und modernem Y ebenso (un)fruchtbar sind wie männliche Hybriden mit modernem X und Neandertaler-Y.)

Sankararaman S. et al. (2014): The genomic landscape of Neanderthal ancestry in present-day humans. nature, doi:10.1038/nature12961

Vergleich zwischen Neandertaler-Genomen und 1004 modernen Genomen (darunter 176 Yoruba, mutmaßlich Neandertaler-frei) -> Neandertaler-Haplotypen abgeleitet. Regionen mit vielen Neandertaler-Allelen enthalten viele Gene, die Keratinfilamente beeinflussen -> Haut und Haar -> Anpassung moderner Menschen an außerafrikanische Umwelt erleichtert? Große Neandertaler-Allel-freie „Wüsten“ im Humangenom, z. B. auf X-Chromosom, das viele Gene für männliche Fruchtbarkeit enthält; nur teilweise durch geringe Populationsgröße kurz nach Einkreuzung zu erklären  -> negative Selektion, evlt. weil Neandertaler-Allele im Genom-Kontext des modernen Menschen Fruchtbarkeit minderten.

Haplotyp-Längen -> Kreuzung vor etwa 2000 Generationen, also 37.000-86.000 Jahren. Neandertaler-Anteil in individuellen Genomen: heute durchschnittlich 1,15% in Europa, 1,38% in Ostasien; kurz nach Einkreuzung über 3% (abgeleitet aus Anteil in „Nicht-Wüsten-Regionen“). Größerer Anteil in Ostasiaten evtl. wegen über lange Zeit kleinerer Populationen als in Europa -> negative Selektion weniger effektiv. Mutmaßlichem Neandertaler-Anteil an einzelnen Genorten: bis zu 62% in ostasiatischen, bis zu 64% in europäischen Populationen. In einigen dieser Regionen Anzeichen für positive Selektion, an an deren negative Selektion.

Aus Neandertalern stammende Allele beeinflussen Risiko für SLE/Lupus, primär biliäre Zirrhose (beides: Transportin-3), Morbus Crohn (Chromosom 10: Zinkfinger-Protein 365, Chromosom 12: Gen unbekannt?), IL-18-Level (Regulator der angeborenen und erworbenen Immunität) , Typ-2-Diabetes, Rauchen und Größe des Blinden Flecks.

Obwohl bei der Einkreuzung nur etwa fünfmal mehr Zeit seit der Aufspaltung zwischen Neandertalern und Vorfahren der modernen Menschen vergangen war als heute seit der Aufspaltung zwischen Europäern und Westafrikanern, war die Fruchtbarkeit der Hybriden wohl wegen Schneeball-Effekten (Dobzhansky-Müller-Inkompatibilitäten) stark reduziert.

Prüfer K. et al. (2014): The complete genome sequence of a Neanderthal from the Altai Mountains. Nature 505, doi:10.1038/nature12886

Hochwertige Genomsequenz einer Neandertaler-Frau aus der Denisova-Höhle in Altai-Gebirge, Sibirien – gewonnen aus einem Zehenknochen aus einer etwa 50.000 Jahre alten Schicht. In derselben Höhle, aber in einer etwas jüngeren Schicht wurde auch der Fingerknochen gefunden, aus dem die vorläufige Genomsequenz des Denisova-Menschen ermittelt wurde. Vergleich mehrerer Neandertaler-Genome (auch aus dem Kaukasus und Kroatien, s. Karte Abb. 1), des Denisova-Menschen-Genoms und 25 moderner Humangenome -> Modell der Einkreuzungsereignisse zwischen modernem Menschen, Denisova, Neandertaler und einem unbekannten Hominiden (Abb. 8).  Aufspaltung moderner Mensch und Neandertaler/Denisova-Vorfahren vor 553.000-589.000 bzw. (nach 2. Methode) 550.000-765.000 Jahren, Aufspaltung Neandertaler und Denisova vor 381.000 bzw. (nach 2. Methode) 445.000-473.000 Jahren. Altai-Neandertalerin: extrem homozygotes Genom -> Zum einen waren die Eltern so nah verwandt wie Halbgeschwister (mit gemeinsamer Mutter, nicht Vater – an X-Chromosom-Homozygotie zu erkennen). Zum anderen war die gesamte Subpopulation, aus der die Eltern stammten, klein und relativ nah verwandt. Vorfahren der modernen Menschen, Neandertaler und Denisova-Menschen gingen alle vor etwa 1 Mio. Jahren durch einen Flaschenhals; danach wuchs Population der Vorfahren der modernen Menschen, während die anderen beiden Populationen schrumpften.

Genfluss: 1,5-2,1 % des Genoms nichtafrikanischer moderner Menschen stammen vom Neandertaler. Dieses Neandertaler-Erbgut ähnelt dem Kaukasus-Neandertaler-Genom stärker als den Altai- oder dem Kroatien-Neandertaler-Genomen. Denisova-Erbgut vor allem in Melanesiern (Papua-Neuguinea und Australien, etwa 5%) und Festlandasiaten (z. B. Han-Chinesen) sowie amerikanischen Ureinwohnern (etwa 0,2%). Bestenfalls sehr geringe Denisova-Beimengungen in sardinischen und französisch-baskischen Genomen. Auch Neandertaler-Anteil in Asiaten und Indianern größer als in Europäern. Alternative Hypothese, dass die archaischen Elemente im Genom moderner Menschen aus einer Aufspaltung in der Zeit vor Out of Africa stammen, wird auf der Basis der jetzigen Datenlage abgelehnt.

Aufspaltung Altai-Neandertaler und „Genspender“-Neandertaler vor 77.000-114.000 Jahren, Aufspaltung Denisova-Genom und „Genspender“-Denisova-Mensch vor 276.000-403.000 Jahren. Denisova-Population größer, diverser und/oder stärker unterteilt als Neandertaler-Population, die sowohl im Kerngenom als auch in ihrer mtDNA eine geringe Diversität aufweist. Genfluss vom Neandertaler zum Denisova-Menschen: mindestens 0.5% des Denisova-Genoms; Ähnlichkeit mit dem Altai-Neandertaler größer als mit dem Kroatien- oder Kaukasus-Neandertaler. Ein Genfluss Denisova-Mensch -> Neandertaler, moderner Mensch -> Neandertaler oder moderner Mensch -> Denisova-Mensch ist nicht nachzuweisen (wegen des Alters der archaischen Genome – das heißt nicht, dass es gar keinen Genfluss in Gegenrichtung gab!). Außerdem evtl. Genfluss von unbekannten Hominini (vielleicht H. erectus) , die sich vor schätzungsweise 0,9-1,4 Mio. Jahren oder 1,1-4 Mio. Jahren von Vorfahren der Neandertaler, Denisova- und modernen Menschen abspalteten, zu den Denisova-Menschen. H. erectus begann sich vor etwa 1,8 Mio. Jahren aus Afrika auszubreiten.

Besonders starker Einstrom aus Neandertaler-HLA-Region (Immunsytsem) und -CRISP-Gencluster (Spermienproduktion; beide auf Chromosom 6) ins Denisova-Genom, typischerweise wenige Jahrzehntausende vor dem Tod des Altai-Neandertalers. Analog zu HLA-Allel-Einstrom Neandertaler -> moderner Mensch, siehe Abi-Rached 2011!

Katalog der Unterschiede zwischen den meisten von 1094 Genomen heutiger Menschen und den Genomen der archaischen Menschen sowie der Menschenaffen aufgestellt. Relativ wenige Gene/Proteine, davon einige an Gehirnentwicklung beteiligt.

Jones J. C. & G. J. Freeman (2013): Costimulatory genes: hotspots of conflict between defense and autoimmunity. Immunity 38, doi:10.1016/j.immuni.2013.06.008 (News zu Forni et al., s. u. )

Forni et al. haben Selektion von 15 wichtigen Kostimulations-Gene untersucht, deren Produkte in den Membranen von antigenpräsentierenden Zellen und T-Zellen sitzen, paarweise aneinander binden und so in den Säugetieren seit 175 Mio. Jahren die Aktivität von T-Zellen regulieren. -> Erhöhtes Autoimmunitätsrisiko ist Kehrseite einer verbesserten Pathogenbekämpfung durch das Immunsystem.

Bei einigen wenigen Aminosäuren in 9 der 15 Moleküle deutet dN/dS > 1 auf eine positive Selektion hin (Akkumulation von deutlich mehr nichtsynonymen als synonymen Basenaustauschmutationen in der DNA). In den Proteinen sitzen diese Hotspots teils in der Transmembrandomäne, teils in der IgV- oder der IgC-Domäne, teils im Stiel, teils in extra- oder innerzellulären Todesdomänen (-> Apoptose). Die Selektion kann die Ligandenbindungsstärke und damit die Bedeutung der T-Zell-Regulierungsmoleküle in unterschiedlichen Arten beeinflusst haben.

Die natürliche Auslese hat die genetische Vielfalt der Gene für CD80, PD-L1, TIM-3, CD40LG, FAS und PD-1 beim Menschen in den letzten 250.000 Jahren beeinflusst. Eindeutig allerdings nur in nichtcodierenden Sequenzen des Humangenoms, die aber das Expressionsniveau der T-Zell-Regulierungsmoleküle beeinflussen können. (Überhaupt gibt es nur ganz wenige Aminosäureaustausche im Humangenom, die in den letzten 250.000 Jahren positiv selektiert wurden – vermutlich weniger als 340. Die allermeisten selektierten Mutationen haben sich in nichtcodierenden DNA-Abschnitten abgespielt, die die Expression von Genen beeinflussen.)

Geografische Verteilung der selektierten Varianten mit Selektionsdruck durch Pathogenvielfalt (Viren, Bakterien, Protozoen, Würmer) verglichen -> Mutmaßlich expressionsregulierende Varianten von PD-L1, FASLG und CD40LG sind geografisch begrenzt, korrelieren mit Pathogenvielfalt.

Bei PD-1 Anzeichen für Genfluss von asiatischen H. sapiens zum Neandertaler (sic, nicht andersrum!). Die Allele wurden beim Neandertaler wohl wegen des gleichartigen Pathogendrucks positiv selektiert.

Bei 7 von 13 krankheitsassoziierten SNPs in den Genen der T-Zell-Regulierungsmoleküle korreliert die Häufigkeit der Risikoallele regional mit der Vielfalt mindestens einer der vier Pathogengruppen. Sechs dieser 7 SNPs sind mit Autoimmunerkrankungen assoziiert. Die Riskikoallele vermitteln wohl Schutz gegen die Pathogene und wurden daher positiv selektiert.

Forni D. et al. (2013): A 175 million year history of T cell regulatory molecules reveals widespread selection, with adaptive evolution of disease alleles. Immunity 38, doi:10.1016/j.immuni.2013.04.008

Abstract: T-Zell-Aktivierung wichtig für Abwehr und für Selbsttoleranz. 9 Gene, die an T-Zell-Aktivierung oder Regulierung der T-Zell-Antwort beteiligt sind, sind in Säugetieren adaptiv entstanden. Mensch: lokale positive Selektion bei FASLG, CD40LG, HAVCR2, weltweite positive Selektion bei FAS und ICOSLG. Gentransfer H. sapiens -> Neandertaler. Ein Polymorphismus, der Morbus-Crohn-Risiko beeinflusst, ist durch Selektionsdruck durch Bakterien entstanden und beeinflusst die Expression von ICOSLG in Reaktion auf ein bakterielles Superantigen. -> Hinter dem Erhalt von Risikoallelen für Autoimmuerkrankungen steckt Anpassung an Infektionen.

Einleitung: Kostimulationsmoleküle der B7-Familie entscheidend für T-Zell-Aktivierung und damit für Abwehr sowie Homöostase. Am besten charakterisiert: B7-1 = CD80 und B7-2 = CD86 auf APCs, die entweder an CD28 (-> Aktivierung) oder an CTLA4 (-> Dämpfung der Immunreaktion) auf T-Zellen binden. CD274 = PD-1 bindet entweder an PDCD1 (-> Toleranzinduktion oder Zerstörung autoreaktiver T-Zellen) oder PDCD1LG2 = PD-L2 auf Nicht-T-Zellen (-> T-Zell-Reaktion unterdrückt). Bindung von FAS an FASL sowie von LGALS9 an TIM-3 = HAVCR2 -> Apoptose. TIM-Familie ist an Inhibition von Th1-Immunareaktionen beteiligt; stattdessen werden bei LGALS9:TIM-3-Bindung naive T-Zellen zu Tregs. ICOS:ICOSL -> Regulierung der Zellproliferation. CD40:CD40L -> Lymphozyten-Aktivierung und Regulierung der B-Zell-Funktion. Wegen der entscheidenden Funktion dieser T-Zell-Regulierungsmoleküle bei T-Zell-Reaktionen werden sie ständig von Pathogenen ausgetrickst -> Dauerkonflikt -> genetische Varianten können positiv selektiert werden, aber auch zu Immundefizienz, Autoimmunerkrankungen und chronischen Entzündungen führen.

Ergebnisse, Abschnitt „natural selection shaped allele frequencies at disease variants“: Per GWAS 20 Varianten in den vorher identifizierten Genen der T-Zell-Regulierungsmoleküle ausfindig gemacht; bei 7 davon korreliert die regionale Häufigkeit der Varianten (bei Europäern, Yoruba, Asiaten) mit der Diversität mindestens eines Pathogen-Typs (Viren, Bakterien, Protozoen, Würmer); davon 6 mit Autoimmunerkrankungen assoziiert: rs231735 T (zwischen den Genen CD28 und CTLA4) mit rheumatoider Arthritis, rs1024161 T (ebenfalls zwischen den Genen CD28 und CTLA4) mit Morbus Basedow und Alopecia areata, rs762421 G (neben ICOSLG) mit Morbus Crohn, rs9282641 G (Intron oder UTR in CD86) mit Multipler Sklerose, rs859637 A (neben FASLG) mit Zöliakie und rs9286879 G (neben FASLG) ebenfalls mit Morbus Crohn. (Der Buchstabe ist die Base im Risikoallel.)

Bei einigen Risikovarianten Anzeichen für balancing selection (größere Nukleotiddiversität als unter Neutralitätsannahme bei der jeweilgen Divergenz zu erwarten). Versuch: ICOSLG-mRNA in peripheren mononukleären Blutzellen von 18 Gesunden mit 3 rs762421-Genotypen nach Staphylokokken-Enterotoxin-Behandlung (bakterielles Superantigen) bei homozygotem Vorliegen des Risikoallels 2,5-fach stärker induziert als bei Homozygotie für ein Nichtrisikoallel. Belegt, dass die Risikoallele besser gegen Infektionen schützen.

Risikoallele für IgA-Defizienz (die 7. Variante) ist dagegen dort häufiger, wo der Pathogendruck gering ist. Betroffene empfänglicher für Bakterieninfektionen.

Diskussion: 9 von 15 untersuchten Genen haben positive diversifizierende Selektion durchlaufen – einige davon erst beim Menschen, wobei sich Autoimmun-Risikoallele verbreitet haben. Pathogene entwickeln z. T. Strategien, die die Transkription dieser Gene verändern, oder Moleküle, die direkt an die Genprodukte binden und ihre Funktion beeinträchtigen; außerdem nutzen Viren T-Zell-Regulatormoleküle (v. a. IgV-Domänen) als Einfallstore.

Bestimmte neue Aminosäuren in TIM-3, C D80 und CD274 können selektiert worden sein, um Ausnutzung durch Viren zu vermeiden. Bei CD86 ist belegt, dass Viren zu einer Diversifikation beigetragen haben: MIR2-Ubiquitinase des Kaposi-Sarkom-Herpesvirus = Humanen Herpesvirus 8 bindet an CD86; bei anderen Viren ähnliche Proteine bekannt.

Alle adaptativen Veränderungen in T-Zell-Regulatormolekülen beim Menschen liegen in nichtcodierenden Sequenzen. TIM-3 dürfte von etlichen Pathogenen attackiert werden, um Abwehr zu schwächen: Bsp. HIV-1 und Hepatitis C -> T cell exhaustion. Auch CD274 wird durch Helicobacter pylori, Mykobakterien und HIV-1 hochreguliert, was die Abwehr schwächt oder gar ausschaltet. Selektiverte CD274- und FASLG-Varianten geografisch unterschiedlich, korrelieren mit Pathogen-Vielfalt.

PDCD1: Beobachtungen passen nicht zu Genfluss von Neandertaler zum modernen Menschen, besser zur umgekehrten Richtung. Balancing selection -> in Asien zwei sehr alte Haplotypen erhalten (TMRCA >> 37.000-86.000 Jahre, angenommenes Zeitfenster der Hybridisierung), von denen einer durch Hybridisierung in den Neandertaler gelangte.

Temme S. et al. (2014): A novel family of human leukocyte antigen class II receptors may have its origin in archaic human species. JBC 289, doi:10.1074/jbc.M113.515767

Gute Arbeit über die Frage, warum bestimmte Misch-Isotypen-HLA-Klasse-II-Heterodimere stabil sind und andere nicht. Chaperone-Rolle der invarianten Kette (Ii = CD74). Familie von DPβ-Ketten identifiziert, die mit DRα funktionierende antigenpräsentierende Komplexe bilden. Die beiden entscheidenden DPβ-Sequenzen (Lys-69 und GGPM 84-87) steuern die stabilisierende Reifung (N-Glykosylierung) der Heterodimere im Golgi-Apparat. Sie kommen im Allel DPB1*0401 vor, das in Subsahara-Afrika selten (11%) und in Europa häufig (68%) ist.

Dieses Allel kommt auch im Neandertaler-Genom vor und könnte nach Out-of-Africa vom Neandertaler übernommen worden sein (Einkreuzung) und sich dann wegen eines Selektionsvorteils (Neandertaler-Anpassung an eurasische Pathogene) ausgebreitet haben. Im modernen Menschen kann sich daraus eine ganze DPβ-Familie entwickelt haben. Nachweis aber schwer zu führen, da Lys-69 und GGPM 84-87 getrennt auch in anderen HLA-Allelen vorkommen und während/nach Out-of-Africa einfach durch Rekombination zusammengekommen sein könnten. Auch hier Verweis auf Abi-Rached 2011.

Mendez F. L. et al. (2012) Neandertal origin of genetic variation at the cluster of OAS immunity genes. Mol. Biol. Evol. 30/4, doi:10.1093/molbev/mst004

Ein etwa 185 Kilobasen langer, fast komplett auf Eurasien beschränkter Haplotyp des OAS-Gen-Clusters auf unserem Chromosom 12 stammt vermutlich vom Neandertaler; eingekreuzt vor etwa 124.000 Jahren. Häufigkeit des Haplotyps spricht nicht gegen Selektionsneutralität. Nach STAT2 ist das der zweite Genort in unserem Genom, der mutmaßlich sowohl vom Neandertaler als auch vom Denisova-Menschen stammende Haplotypen aufweist, die separat eingekreuzt wurden. Alternative Hypothese, dass solche Sequenzähnlichkeiten auf einen uralten Polymorphismus in Afrika zurückgehen, lehnen die Autoren aufgrund statistischer Analysen ab.

OAS-Region in unserem Genom: begrenzt von 2 Rekombination-Hotspots; umfasst Gene OAS1, OAS2, OAS3; 8 Haplotypen, einer davon (R) stimmt fast vollständig mit der Sequenz beim Neandertaler überein. (Die Oligoadenylat-Synthetasen 1-3 zählen dienen der Virenbekämpfung durch das angeborene Immunsystem; die Enzyme werden durch Interferone induziert und aktivieren ihrerseits das Enzym RNAse L, das die Viren-Replikation inhibiert.) Der vom Neandertaler eingekreuzte und der vom Denisova-Menschen eingekreuzte Block überlappen sich stark. Schätzung des Einkreuzungszeitpunkts anhand der Abweichungen zwischen Neandertaler-Sequenz und davon abgeleitetem Haplotyp R und Vergleich mit Schimpansen-Genom (Aufspaltung vor 6 Mio. Jahren) -> etwa 124.000 Jahre, also deutlich jünger als Aufspaltung Neandertaler/Vorfahren des modernen Menschen (etwa 300.000 Jahre). In Europa scheint der letzte gemeinsame Vorfahr des polymorphen Haplotyps R vor etwa 43.000 Jahren existiert zu haben.

Haplotyp R enthält 6 polymorphe Stellen, die die OAS-Proteinsequenzen beeinflussen. Eine davon ist in Nordosteuropa mit unterschiedlicher Symptomatik bei viraler, durch Zecken übertragener Enzephalitis assoziiert. R-Haplotyp: OAS2 um 8 Aminosäuren länger als bei allen anderen, abgeleiteten Haplotypen. Funktionale Konsequenz der anderen 5 vom Neandertaler kommenden Polymorphismen unklar.

Haplotyp R ist in Subsahara-Afrika kaum vertreten. Die auffällige geografische Verteilung der Haplotypen in 3 Regionen (Afrika, Eurasien, Melanesien) kann auf balancierten Polymorphismus (balancing selection) am Genort OAS1 hinweisen (ähnlich Sichelzellenanämie/Malaria); sie kann aber auch selektionsneutral sein. Verweis auf Abi-Rached 2011: Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob Immunsystem-Genorte besonders empfänglich für Effekte von archaischen Einkreuzungen sind.

Mendez F. L. et al. (2012): A haplotype at STAT2 introgressed from Neanderthals and serves as a candidate of positive selection in Papua New Guinea. The American Journal of Human genetics 91, doi:10.1016/j.ajhg.2012.06.015

Abstract: Bis jetzt (also 2012) kein eindeutiger Beleg für adaptative Introgression Neandertaler -> moderner Mensch. Angeborenes Immungen STAT2: Haplotyp N, der in Subsahara-Afrika praktisch gar nicht, in Eurasien bei etwa 5% der Menschen und in Melanesien bei 54% vertreten ist, hat eine Sequenz, die der Entsprechung im Neandertaler-Genom sehr ähnelt und auf eine gemeinsame Ur-Sequenz vor etwa 80.000 Jahren zurückgeht. Neutralitätstest: Dass eine Variante von N in Melanesien allein durch genetische Drift entstanden ist, ist sehr unwahrscheinlich. Das genaue Ziel der positiven Selektion ist noch unbekannt; gute Kandidaten sind die nichtsynonymen Mutationen in ERBB3, ESYT1 oder STAT2.

Kladogramm mit 13 STAT2-Haplotyopen, ermittelt aus Sequenzen von 90 Personen: Abb. 2. Vier Kladen: S (San), D (Denisova), N (Neandertaler), M (moderner Mensch). S kommt (ausschließlich) bei 35% der San vor, D (ausschließlich) bei 9% der Papua, N bei 59% der Papua und bei 9% der Basken. Subklade Ma ist auf Schwarzafrika beschränkt und kommt dort bei 65% bis 75% der Populationen vor. Subklade Mb ist weltweit am häufigsten (48%) und ist bei den Han (97%) und den Basken (91%) besonders stark vertreten.

Diskussion: Zusammenfassung der Argumente für Hybridisierung und Richtung des Genflusses am STAT2-Genort (Übereinstimmung N und Neandertaler-Sequenz, Fehlen von N in Subsahara-Afrika, große Länge von N in Europa und erst recht in Asien und Melanesien, die nicht zur Aufspaltung Neandertaler – moderner Mensch vor 600 Mio. Jahren passt, sondern auf Ursequenz vor etwa 160 Mio. Jahren schließen lässt; Richtung: Länge LD im modernern Menschen). ERBB3 ist ein Zelloberflächenrezeptor, der an Zellwachstum, Zellüberleben, Differenzierung und Unterdrückung von Apoptose beteiligt ist. ESYT1: ubiquitäres Transmembranprotein, das sehr stark bei der Differenzierung von Fibroblasten zu Adipozyten exprimiert wird. STAT2: Schlüsselrolle in einem der JAK-STAT-Signalwege (Interferon-Signalsystem).

Hoher Anteil des Haplotyps N  in Melanesien spricht für positive Selektion, z. B. durch Pathogendruck. Genaues Ziel unklar. Dass N in Melanesien zwar häufig, aber bei weitem nicht fixiert (d. h. bei 100% der Population anzutreffen) ist, kann drei Gründe haben: unzureichende Zeit seit spätem Beginn der positiven Selektion (nach langer neutraler Phase seit der hybridisierung), schwacher Selektionskoeffizient oder balancing selection. Auch Kombinationen möglich.

Abi-Rached L. et al. (2011): The shaping of modern human immune systems by multiregional admixture with archaic humans. Science 334, doi:10.1126/science.1209202

Gab es positive Selektion der vom Neandertaler und vom Denisova-Menschen in den modernen Menschen eingekreuzten DNA? Autoren meinen: ja. Analyse hochgradig polymorpher, starker balancierender Selektion ausgesetzter Komponenten der HLA-Klasse I (Immunsystem) -> Moderner Mensch übernahm Allel HLA-B*73 in Westasien vom Denisova-Menschen. Weitere archaische HLA-Haplotypen identifiziert, die in moderne eurasische und ozeanische Population eingekreuzt wurden. Einige kodieren für einzigartige oder starke Liganden der Rezeptoren der natürlichen Killerzellen und machen mittlerweile über die Hälfte der HLA-Allele moderner Eurasier aus; später gelangten sie auch nach Amerika.

HLA-A, -B und -C (auf Chromosom 6p21.3) gehören zu MHC-Klasse I, sind Liganden für T-Zell- und NK-Zell-Rezeptoren. Erhalt großer Vielfalt dieser Proteine ist wichtig fürs langfristige Überleben menschlicher Populationen. Daher starke multiallelische balancing selection, die zusammen mit Rekombination für hinreichend große Vielfalt sorgt, wobei die Mengenverhältisse der Allele und Haplotypen von den örtlichen Umweltbedingungen (v. a. Pathogendruck) geprägt sind – ähnlich wie bei der balancing selection beim Birkenspanner oder bei der Sichelzellenanämie.

Unter den über 2000 HLA-B-Allelel des Menschen nimmt HLA-B*73:01 eine Sonderstellung ein: Es ist eng mit einigen MHC-B-Allelen von Schimpansen und Gorillas verwandt. Sein Vorläufer hat sich vor etwa 16 Mio. Jahren – lange vor der Aufspaltung Mensch-Gorilla – von den MHC-BI getrennt, und es ist beim Menschen (außer den Pygmäen) der einzige Vertreter der Gruppe MHC-BII. Trotz dieser archaischen Züge ist seine Sequenz homogen – ein Anzeichen für eine relativ junge Einkreuzung. Es ist in Westasien (Iran/Turkmenistan) häufig, im Rest der Welt selten. Steht in Kopplungsungleichgewicht mit HLA-C*15:05, das ebenfalls Schwerpunkt in Westasien hat, und fehlt bei den Khoisan/Pygmäen-Populatuionen, die sich vermutlich vor Out-of-Africa von den übrigen afrikanischen Populationen abgespalten haben und ganz eigene, sehr alte mt-, Y-Chromosom- und MHC-B1-Vairanten haben. Daten sprechen dafür, dass B*73 in Westasien aus archaischen Menschen in modernen Menschen eingekreuzt wurde und sich dann ausgebreitet hat – auch nach Afrika zurück.

HLA-Klasse I von einem Denisova-Menschen und drei Neandertalern charakterisiert. Da Denisova-Mensch und moderner Mensch sich vor über 250.000 Jahren (etwa 10.000 Generationen) getrennt haben, sind große Ähnlichkeiten bei HLA-Haplotyp-Kombinationen zwischen ihnen wahrscheinlich keine archaischen Überbleibsel (die wären im schnell evolvierenden MHC längst zerfallen), sondern Zeugnisse jüngerer Einkreuzungen. Denisova-Einkreuzungen haben vor allem HLA-System der Asiaten und amerikanischen Ureinwohner geprägt.

Die drei Vindija-Neandertaler (Kroatien) haben recht ähnliche Genome. Gilt auch für HLA-Klasse I: alle dieselben Allele, gehörten wohl zur selben kleinen und isolierten Gruppe. Neandertaler-HLA-Allelkombinationen/Haplotypen sind in modernen Eurasiern am häufigsten und fehlen in Afrika -> Einkreuzung in Eurasien. Haplotypen mit B*07, B*51, C*07:02 und C*16:02 stammen wohl komplett vom Neandertaler. Verteilung in Eurasien breiter als bei Denisova-DNA; Peaks in unterschiedlichen Gegenden Eurasiens.

HLA-Klasse I zeigt in Europa und Asien größere Rekombinationsraten als in Afrika, was für größere Anteile archaischer Allele spricht, denn diese zerstören Kopplungsgruppen (reduziertes LD). Eingekreuzt wurden offenbar A*11, A*26, zwei A*02-Gruppen, A*24:02 und A*31:01. Aus den kombinierten Häufigkeiten dieser 6 Allel abgeleitet: >50% der europäischen, >70% der asiatischen und > 95% der Papua-Neuguinea-HLA-A stammen aus archaischen Einkreuzungen. Genomweit wird die Einkreuzung auf 1-6% geschätzt -> positive Selektion im Spiel. Vermutlich gilt das auch für andere polymorphe Immunsystem-Gene wie KIR in NK-Zellen.

Moderne Menschen stießen bei Out-of-Africa auf archaische Menschen, deren Immunsysteme nach über 200.000 Jahren Ansässigkeit besser an örtliche Pathogene angepasst waren. Für kleine Wandergruppen war Einkreuzung wichtig, um HLA-Vielfalt nach Populationsgrößen-Flaschenhals zu regenerieren und neue Varianten zu erwerben, die an die örtlichen Pathogene angepasst waren. Bsp.: Archaischer Allotyp HLA-A*11 ist in modernen asiatischen Populationen häufig, bietet T-Zell-vermittelten Schutz vor einigen Epstein-Barr-Virus-Stämmen und ist zusammen mit EBV-Peptid einer von nur zwei HLA-Liganden für den NK-Zell-Rezeptor KIR3SL2 sowie stärkster Ligand für einen weiteren KIR. -> Adaptive Einkreuzung von HLA-Allelen, deren Perodukte KIR-Liganden sind vermutlich durch ihre Rolle bei der Steuerung von NK-Zellen angetrieben, die für Immunabwehr und Reproduktion wichtig sind. Andere Allele, deren Produkte keine KIR-Liganden sind, wohl durch ihre Rolle bei der T-Zell-Steuerung angetrieben. (Abbn: 1 B, C, F)

Fernandez Vina M. A. et al. (2012): Tracking human migrations by the analysis of the distribution of HLA alleles, lineages and haplotypes in closed and open populations. Phil. Trans. R. Soc. B 367, doi:10.1098/rstb.2011.0320

Grundlegende Erläuterungen zum Aufbau HLA, Allelen, Haplotypen, Kopplungsgruppen usw.; unergiebig bis auf Aussage, dass HLA-System seit Jahrmillionen unter starker Selektions teht und dass in kleinen Gründerpopulationen (nach Flaschenhals) jedes neu hinzukommende (eingekreuzte oder mutierte) Allel vorteilhaft sein dürfte, weil es die Vielfalt in der Population erhöht und damit auch den Individuen durch Heterozygotie bessere Chancen gegen vielfältige/neue Pathogene bietet. Das führt manchmal zu genetischen Abständen zwischen 2 verwandten Populationen, die größer sind, als ihr geografischer Abstand vermuten lässt.

Ding Q. et al. (2013): Neanderthal introgression at chromosome 3p21.31 was under positive natural selection in East Asians. Mo. Biol. Evol. 31/3, doi:10.1093/molbev/mst260

Dazu auch: Caspermeyer J., Sunlight adaptation region of Neanderthal genome found in up to 65% of modern East Asian population

Häufung von Neandertaler-DNA in 200 kb großer Region auf Chromosom 3, die 18 Gene enthält, von denen einige wie Hyal2 mit der Apassung an UV-Licht zu tun haben. Geografische Verteilung der Neandertaler-Allele deutet darauf hin, dass UV-Licht-Genvarianten, die während Out-of-Africa verloren gegangen waren, über die Neandertaler wieder ins Genom des modernen Menschen gelangten. Ob Ostasiaten insgesamt mehr Neandertaler-DNA enthalten, halten Autoren für strittig, aber bei Hyal2 stimmt es. Vor 45.000-5000 Jahren nahm die effektive Populationsgröße dieser Neandertaler-Genregion stetig zu, vor 5000-3000 Jahren stieg Wachstumsrate an -> wohl insgesamt „Bevölkerungsexplosion“.

Hyaluronoglucosaminidasen sind an Reaktion von Zellen auf UV-B-Licht beteiligt. Aus Neandertalern stammende Haplotypen: praktisch nie in Afrika, wenig in Europa, relativ häufig in Mittelamerika, bei 49,4% einer japanischen Population und 66,5% einer südlichen Han-Chinesen-Population nachgewiesen (Karte Abb. 3). Ziel der Selektion scheint rs12488402-T zu sein, einer von 4 nichtsynonymen Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs) in starkem Kopplungsungleichgewicht (LD) mit rs12488302.

Eingewanderte Haplotypen trennten sich vor etwa 429.750 Jahren vom Vorfahren des modernen Menschen und vor etwa 34.840 Jahren vom Vorfahren des Altai-Neandertalers (der vor etwa 50.000 Jahren lebte). Die Neandertaler-Haplotypen verschmolzen vor etwa 45.000 Jahren (Einkreuzung); danach stieg ihre Verbreitung an; vor 5000-3500 Jahren vor der Gegenwart stieg die Wachstumsrate ihrer effektiven Populationsgröße, was auf explosionsartiges Bevölkerungswachstum hinweist. Diese Beobachtung ist entweder durch Bevölkerungswachstum im Neolithikum oder durch positive Selektion (oder Kombination aus beidem) zu erklären.

Die Region 3p21.3 enthält einen Cluster gut untersuchter Tumorsuppressorgene, darunter HYAL2 und weitere Gene der HYAL-Region. HYAL2 baut Hyaluronsäure ab. Hyaluronsäurestoffwechsel ist mit Tumorentstehung verknüpft; Nacktmulle sind krebsresistent und haben viel Hyaluronan mit hohem Molekulargewicht im Gewebe.

Breitengrad-Gradient: Je südlicher eine asiatische Population, desto größer der Anteil der eingekreuzten Haplotypen. Sonnenlicht-Einstrahlung könnter Selektionsfaktor sein; für Beleg aber mehr Daten nötig. Nach UV-B-Einstrahlung erhöhter Hyalorunsäure-Stoffwechsel. Expressionsniveau HYL2 durch UV-B beeinflusst; Richtung noch unklar (widersprüchliche In-vitro-Versuchsergebnisse). Austausch des alten Allels G durch eingekreuztes Allel T -> Isoleucin statt  Leucin als 418. Aminosäure in HYAL2.  Erhöhte Prävalenz von Keloiden Afrika und Asien (vor allem Japan): verringerte Hyaluronsäure-Level nachgewiesen; höheres Risiko vielleicht durch Polymorphismus an rs35455589 bedingt.

Ahmed M. & P. Liang (2013): Study of modern human ecolution via comparative analysis with the Neanderthal genome. GenomicsInform 11/4, doi:10.5808/GI.2013.11.4.230

Aufspaltung Schimpanse-Mensch 6 Mio. Jahre, aufrechter Gang seit etwa 4 Mio. Jahren, Entstehung der Neandertaler aus H. erectus vor etwa 400.000 Jahren, Entstehung moderner Menschen aus H. erectus vor etwa 200.000 Jahren in Ostafrika; moderner Mensch begann vor etwa 100.000 Jahren aus Ostafrika auszuwandern. Neandertaler und moderner Mensch könnten sich vor etwa 80.000 Jahren begegnet sein und in bestimmten Gegenden bis zu 10.000 Jahren zugleich gelebt haben. (Achtung, völlig andere Zahlen als z. B. bei Neves & Serva! Auf S. 233 heißt es: Indizien für Auftauchen moderner Menschen im Nahen Osten bereits vor >100.000 Jahren; Neandertaler blieben vielleicht bis vor 50.000 Jahren.) Neandertaler überlebten bis vor etwa 28.000 Jahren, lebten gegen Ende noch in Europa, Westasien und Nahem Osten. Neandertaler bis vor etwa 50.000 Jahren mutmaßlich ähnlich intelligent wie moderner Mensch, dann beim modernen Menschen Explosion der Kreativität.

Neandertaler-mtDNA hat keine Ähnlichkeit mit der moderner Menschen. Bei Neandertalern MC1R-Gen -> vermutlich rotes Haar und helle Haut.

Die meisten Abweichungen des Humangenoms ggü. Schimpansengenom entstanden vor der Aufspaltung Neandertaler-moderner Mensch. Nur 78 nichtsynonyme Basenaustäusche im Humangenim fixiert, die sich beim Neandertaler nicht finden. Nur 5 Gene mit mehr als einer Änderung in codierender Region gefunden. Drei davon in Haut exprimiert, z. B. Melastatin-Gen -> Selektion Hautphysiologie im modernen Menschen? Regulatorische/nichtcodierende Sequenzen: mehr Neuerungen, vermutlich stark an Gehirnentwicklung beteiligt.

Overmann K. A. & F. L. Coolidge (2013): Human species and mating systems: Neandertal-Homo sapiens reproductive isolation and the archaeological and fossil records. JAS 91, doi:10.4436/JASS.91021

Vergleich von Schimpansen-Bonobo-Hybridisierungen (in Gefangenschaft) und den mutmaßlichen Hybridisierungen von Neandertalern und modernen Menschen. Reproduktive Isolation (RI) bei Primaten kann die Einkreuzungen asymmetrisch machen. Muss keine Unfruchtbarkeit sein; auch Verhalten kann große Rolle spielen (Gewalt zwischen den Gruppen, Xenophobie, Akzeptanz von andersartigen Partnern/Kindern, Infantizid, …)

Genomsequenzierungsdaten werden überwiegend als Beleg für einseitigen Genfluss vom Neandertaler zum modernen Menschen interpretiert. (Siehe aber z. B. Forni et al. 2013, A 175 Million Year History of T Cell Regulatory Molecules Reveals Widespread Selection, with Adaptive Evolution of Disease Alleles!) Currat et al 2008: Introgressive Gene fließen bei Tieren und Pflanzen normalerweise von der örtlichen in die invasive Species. Auch kleiner Beitrag der alteingersessenen Neandertaler zum modernen Humangenim kann sich ausgebreitet haben, da Population moderner Menschen wuchs und die der neandertaler schrumpfte.

(Partielle) Unfruchtbarkeit oder geringere Überlebensrate männlicher Hybriden kann erklären, warum sich im Y-Chromosom kein Genfluss niedergeschlagen hat. Evtl. waren nur weibliche Kinder von Neandertaler-Vätern und „modernen Müttern“ fruchtbar. Aufspaltung Neandertaler/moderner Mensch höchstens 500.000 Jahre her, vielleicht erst 440.000-270.000 Jahre. Mittlere Zeit bis zu Sterilität von hybriden ist bei Säugetieren aber 2,0-4,0 Mio. Jahre. Damals dürften sich die beiden Menschenarten weniger unterscheiden haben als heute manche Menschenpopulationen, die problemlos Kinder miteinander bekommen. Daher vielleicht eher kulturelle oder soziale Gründe für die weitgehende reproduktive Isolation: Die unterschiedlichen Menschen erkannten ineinander nur selten potenzielle Partner.

Schimpansen-Bonobo-Modell: Die beiden Arten sind die nächsten Verwandten der Neandertaler und der modernen Menschen. Stehen sich so nahe, dass man sie zu einer Art zusammenfassen könnte – ebenso wie die beiden Menschenarten. (Overmann und Coolidge gehen tatsächlich davon aus, dass H. neanderthalensis eine eigene Art war; das ist strittig.) Hybridisierung in beiden Fällen möglich, da sich Vebbreitungsgebiete überschneiden; allerdings Kongo-Fluss als Barriere -> Hybriden v. a. in Gefangenschaft. Unterschiede in Morphologie und Verhalten ähnlich groß wie bei den Menschen; Bonobos und H. sapiens pädomorph/juvenil; Schimpansen und H. neanderthalensis schneller geschlechtsreif und robuster. Schimpansen-Bonobo-Hybriden haben intermediäres Aussehen und Verhalten, normale Lebenserwartung. Asymmetrischer Genfluss durch postzygotische RI bei Makaken-Hybriden.

2013 wurden beim modernen Menschen ggü. Neandertaler 9 nichtsynonyme Substitutionen in Genen gefunden, die Lernen und Gedächtnis betreffen.

Tabelle 1: Gewalt zwischen den Gruppen und Xenophobie der Neandertaler (die wohl in kleinen, isolierten Gruppen lebten) müssten Wahrscheinlichkeit von Einkreuzungen in beide Richtungen verringeret haben. Unterscheide bei der Nahrungssuche (H. sapiens: Frauen einzeln oder in Frauengruppen auf Nahrungssuche, Männer auf der Jagd; Neandertaler: gemischtgeschlechtliche Jagdgruppen) könnten Wahscheinlichkeit von Paarungen zwischen Neandertaler-Männern und Sapiens-Frauen erhöht haben. Wegen unterschiedlich schneller Reifung und unterschiedlicher Körperkraft könnten Paarungen zwischen Neandertaler-Männern und Sapiens-Frauen wahrscheinlicher gewesen sein als umgekehrt – z. B. weil Sapiens-Männer auf Neandertaler-Frauen zu unreif wirkten, um als Parter infrage zu kommen.

Tabelle 2: Fitness der Hybriden: Hybriden, die bei H. sapiens lebten, könnten bei intermediärer Morphologie bessere Überlebens- und Fortpflanzungschancen gehabt haben. Hybriden, die in Neandertaler-Gruppen lebten, könnten schlechtere Überlebenschancen gehabt haben – z. B. weil sie zu langsam erwachsen wurden, weniger Muskelmasse hatten usw.

Neves A. & M. Serva (2012): Extremely rare interbreeding events can explain Neandertal DNA in living humans. PLOS One 7/17, doi: 10.1371/journal.pone.0047076

Das einfache Modell ist durch neue Neandertaler-Sequenzdaten überholt, denn es postuliert z. B. ungefähr gleich viel Neandertaler-DNA in allen Eurasiern – anders als das komplexere Modell von Currat & Excoffier (2011), das besser zu den Daten (mehr Neandertaler-Erbgut in Asiaten) passt. Erklärt aber ganz gut, warum das Fehlen von Neandertaler-Sequenzen in unserer mtDNA (und unserer Y-Chromosom-DNA?) nicht gegen eine Neandertaler-Einkreuzung spricht, wie sie in unserer Kern-DNA festzustellen ist. Ort der Hybridisierung: Naher Osten, z. B. Skhul- und Kafzeh-Höhlen in Israel, wo Neandertaler und afrikanische Vorfahren moderner Menschen mindestens 130.000 Jahre koexistierten und die Höhlen abwechselnd nutzten. Bar-Yosef vergleicht das mit einem langen Fußballspiel. Modell geht weder von starker sexueller Isolierung noch von einem Selektionsvorteil für eine der beiden Populationen aus. Gesamtpopulationsgröße bei Überleben der Neandertaler für mindestens 130.000 Jahre: etwa 10.000.

 

Weitere unsortierte Links zum Thema:

Haut und Haare vom Neandertaler: Forscher identifizieren, welche Gene wir von unseren eiszeitlichen Vettern geerbt haben

Inner Neanderthal: Two studies demonstrate the extent of Neanderthal DNA that persists in modern human genomes

Resurrecting Surviving Neandertal Lineages from Modern Human Genomes

Ancient DNA reveals secrets of human history

Type 1 diabetes and the OAS gene cluster: association with splicing polymorphism or haplotype?

Sequence variants in SLC16A11 are a common risk factor for type 2 diabetes in Mexico

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.