Aus der Redigierstube: Aktualisierungsrecherche

Auf Seite 484 des Manuskripts steht wieder so eine Passage, die das Redigieren zum mühseligen, aber auch spannenden Geschäft macht:

„Vor wenigen Jahren hat man allerdings im Gehirn von Mäusen Strukturen entdeckt, die in jeder Hinsicht an Lymphgefäße erinnern … Weitere Versuche deuten darauf hin, dass die T-Zellen durch Gehirn-Autoantigene aktiviert werden. Mäuse, in denen man diese T-Zellen aus dem Gehirn entfernt, haben kognitive Defizite. Eine gewisse Autoimmunaktivität im Gehirn ist also wohl nicht nur unschädlich, sondern für die Funktion des zentralen Nervensystems sogar nötig. Auch in der menschlichen Hirnhaut fanden die Forscher Strukturen, die Lymphgefäße sein könnten. Eine Bestätigung steht aber momentan (Frühjahr 2016) noch aus.

Tja, dann tauche ich wohl mal in die Fachliteratur ein, die seither erschienen ist:

Screenshot_Louveau_seit_2016

6 Gedanken zu „Aus der Redigierstube: Aktualisierungsrecherche

  1. Björn

    Hallo,

    Das könnte auch den Pseudotumor bei Behandlungen mit Vitamin-A ähnlichen Stoffen erklären…
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2973971

    Ich würde aber eher die T-Zellen vernachlässigen und mich eher auf die Kombination aus Glia und Dendritischen Zellen verlassen, da Multiple Sklerose in Schüben verläuft, aber selbst Exzellenzcluster sind da heute noch mit der Wünschelrute unterwegs…

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  2. Andrea Kamphuis Beitragsautor

    Hallo Björn, danke für den Hinweis. Das Problem ist m. E., dass Multiple Sklerose eine Sammelbezeichnung für mindestens drei Erkrankungen ist, die sich in den Symptomen ähneln, aber nicht unbedingt in ihren Ursachen. Bei RRMS gibt es Schübe, bei SPMS und PPMS nicht (mehr).

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    1. Björn

      Hallo,

      was mich an der gängigen Erklärung stört, ist, dass die betroffenen Personen meist Frauen nach der Pubertät, also nach der Involation des Thymus und vor den Wechseljahren (Veränderung des Verhältnisses von Österogen zu Testosteron) sind.
      Männer haben ein höheres Verhältnis von NK-T Zellen (die aus CD4+- CD8+-T-Zellen im Thymus entstehen) zu Granulozyten, wodurch Mann bei Schnupfen aus den Latschen kippt, aber im Falle von „Auto“immunerkrankungen es eine protektive Wirkung haben könnte.
      Dagegen könnte die Kombination aus Makrophagen , Immunglobulinen und Granulozyten der treibende Faktor bei diesen Erkrankungen sein und auch die MHC Moleküle komplett umgehen und dies blieb wahrscheinlich unentdeckt, weil das verwendete Modell ungeeignet war.

      Sehr spannend finde ich die Publikationen von Esil Aleyd:
      http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/imr.12337/abstract

      Um nochmal auf Multiple Sklerose zurückzukommen, sind die Plaques, ähnlich wie anderes Narbengewebe kalzifiziert?

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  3. Andrea Kamphuis Beitragsautor

    Hallo Björn,
    sorry, dass ich jetzt erst antworte: Ich mache seit Monaten den ersten Band des Buchs satzfertig und schaue nur selten ins Blog. – Dass MS durch Kreuzreaktionen ausgelöst werden kann, wie der (allerdings ganz schön alte) Haemophilus-Artikel andeutet, wird in der Tat öfter diskutiert. So sieht auch das nukleäre Antigen 1 des Epstein-Barr-Virus (EBVNA1) offenbar dem Myelin ähnlich und könnte den Anstoß zur Autoimmunreaktion geben. Ein echter kausaler Zusammenhang ist aber sehr schwer nachzuweisen. Ich habe es – ehrlich gesagt – aufgegeben, bei MS den Überblick über die Hypothesen behalten zu wollen; da wird alle paar Wochen eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Im Moment sind die ILC-2-Zellen dran: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/88923/Warum-Maenner-seltener-an-Multipler-Sklerose-erkranken

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    1. Björn

      Hallo,

      das wundert mich überhaupt nicht, dass jede Woche eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird…
      Die meisten berechneten Systeme können mit Nullvektoren nicht umgehen und Ärzte nicht mit Zufällen.

      Ich kann mir vorstellen, dass Epstein-Barr in verschiedenen Fällen eine Rolle spielt, weil es B-Zellen immortalisiert und eine Präsenz von Kapsidbestandteilen infizierte Zellen induziert. Bei Bacteriophagen gibt es auch Phageghosts. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC356525/
      Es ist ein großes Manko bei in vitro Experimenten ist, dass diverse Gruppen in der Vergangenheit nicht ihre Zellkulturen auf Kontaminationen (Viren und Mycoplasma, etc.) geprüft haben. In einem Labor, in dem ich war, gabs mal ne Überraschung mit einer kontaminierten DNA Polymerase, die inklusive bakterieller DNA ausgeliefert wurde.

      Eine im Hinblick auf Hyposensibilisierung im wesentlichten vernachlässigte Komponente bei der Immunabwehr ist die Frage: „Wem wird was, wo und vor allem wann präsentiert?“ In die gleiche Schiene geht auch die aktuelle State-of-the-Art Therapie mit TNF-Blockern.
      Das IL-33 im Mausmodel funktioniert, verwundert mich jetzt weniger. Das Problem am Mausmodell ist die Evolution und die Gefahr durch die Immunüberreaktion auf eine, in Ritualkämpfen, zugefügte Bisswunde zu sterben. Weil bei Mäusen ein aggressiver Kontakt mit Prädatoren fast immer mit dem Tod der Maus endet, dürfte die evol. Anpassung dafür wohl hinfällig sein. Wobei mich interessieren würde, ob das bei den Mäusen hier genauso ist: (Nichts für Leute mit Angst vor Mäusen und Ekel) https://news.nationalgeographic.com/news/2012/05/120521-killer-mice-birds-gough-island-endangered-animals-science/
      Eine Fokussierung auf antivirale Abwehr bei männlichen Tieren macht daher Sinn, weil sich Bakterien naturgemäß nicht über die Keimbahn männlicher Tiere vermehren können, wohl aber durch die Flora der Muttertiere…

      Das ist ähnlich wie die im Raum stehende Frage, warum bei Hashimoto Selen hilft. Selen senkt den Homocysteinspiegel. Jetzt könnte man argumentieren, dass ein hoher Homocysteinspiegel sich negativ auf Proteinfaltung und die Struktur des Zytoskelettes auswirken könnte und ein paar Zellen zur Depolarisation bringen könnte…
      Aber Hashimoto ist ein ganz anderer Schuh als MS.

      Wo wir gerade bei Sau durchs Dorftreiben waren:
      Ich muss jedenfalls immer bei sowas grinsen:
      https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5542738/
      Woran man schlechte Microbiom Paper erkennt: Kleine Samplezahl, Unterschiede in der Probennahme und eine generelle Reduktion von gram-positiven Bakterien durch Stress-/Adrenalinbedingte Lysozymausschüttung als Ergebnis…
      Ein chronisch hoher Adrenalinpegel ist bei chronischer Herzinsuffizienz fast immer vorhanden und wird meist mit Betablockern behandelt, weil Adrenalin auf längere Sicht bei Herzinsuffizienz, im Gegensatz zu anderen Erkrankungen, das Herz schwächt und schädigt…

      Soweit zumindest meine Sicht mit mol. Mikrobiologie, Ökologie und evol. Zoologie Background und einem Hang zur Kopf -> Tisch Mentalität beim Lesen der Schlussfolgerungen/Diskussionen verschiedener Paper.

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