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CRISPR-Cas: weit mehr als die erworbene Abwehr der Prokaryoten

Vor gut 10 Jahren habe ich hier die Funktionsweise von CRISPR-Cas erklärt, dem erworbenen oder adaptiven Immunsystem der Bakterien und Archäen. Schon damals war bekannt, dass  Prokaryoten-Zellen beim versehentlichen Einbau von Sequenzen aus dem eigenen Erbgut anstelle von Viren-Sequenzen an Autoimmunreaktionen sterben können. Und schon damals wurde die Frage gestellt, ob der Einbau eigener Sequenzen nicht auch andere Folgen, ja regelrechte Funktionen haben kann, etwa die Regulierung der Ablesung eigener Gene.

Heute ist in nature microbiology eine Arbeit erschienen, in der dies am Beispiel des Typ-IV-CRISPR-Cas-Systems des Bakteriums Pseudomonas oleovorans nachgewiesen wird. Der Artikel steckt hinter einer Bezahlschranke, aber das Manuskript ist an anderer Stelle frei zugänglich. Die Funktion der Typ-IV-Systeme waren der Forschung lange ein Rätsel, denn sie können fremde Nukleinsäuren, also virale Eindringlinge gar nicht zerschneiden. Nun zeigt sich, dass die spezifischen Erkennungssequenzen an bakterieneigene Gene binden und so deren Transkription unterdrücken – siehe Pressemitteilung beim idw.

Einen guten Überblick über die Vielfalt möglicher CRISPR-Cas-Funktionen jenseits der erworbenen Viren-Abwehr bietet eine frei zugängliche und mit anschaulichen Schemazeichnungen ausgestattete Übersichtsarbeit von Devi et al. (2022): CRISPR-Cas systems: role in cellular processes beyond adaptive immunity.

Abb. 12: Angeborene und adaptive Abwehr

Die beiden Arme unseres Immunsystems: Oben die angeborene Abwehr, die schnell und unspezifisch auf eine Gefahr (hier das Bakterium in der Mitte) reagiert. Unten die adaptive Abwehr, bei der andere Immunzellen aktiviert werden. Deren Erkennungwerkzeuge (Hände) passen genau zum Antigen (Pickelhaube). Dann werden Antikörper produziert, die passenden Immunzellen vermehren sich, und das System merkt sich das Antigen, sodass es im Wiederholungsfall schneller zuschlagen kann. – APC = antigenpräsentierende
Zelle (antigen-presenting cell).

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

IgA, IgE und IgM

Neben dem zähen Schleim, den in ihn eingebetteten antibakteriellen Peptiden und der mechanischen Barriere des Darmepithels mit seinen Tight Junctions sorgen auch in die Schleimschicht abgeschiedene Immunglobuline (Antikörper) für einen Schutz vor Pathogenen und vor allzu aufdringlichen Kommensalen. Es gibt mehrere Typen von Immunglobulinen, die sich in ihrem Aufbau, ihrer Funktion und ihren Einsatzorten unterscheiden. Im Darm finden wir vor allem IgA (links), und zwar zumeist als Dimer: Zwei Antikörper sind an ihrem konstanten Ende (am „Stamm“ des Y) miteinander verbunden und mit einer Peptipkette umwickelt. IgA bindet vor allem an Bakterien.   Weiterlesen

Warum haben Wirbeltiere eine adaptive Immunabwehr und Wirbellose nicht?

Margaret McFall-Ngai hat 2007 eine provokante Antwort auf diese Frage zur Diskussion gestellt. Von der Beobachtung ausgehend, dass in und auf Menschen über 2000 nützliche Bakterienarten leben, aber nicht einmal 100 bakterielle Krankheitserreger bekannt sind (bzw. 2007 bekannt waren), vermutete sie, dass die erworbene Immunabwehr mit ihrer Gedächtnisfunktion weniger der Bekämpfung der wenigen Pathogene dient als vielmehr der Erkennung all der Bakterien, die mit uns in Symbiose leben und wegen des ständigen engen Kontakts zu unserem Gewebe gelegentlich in Körperregionen eindringen, in denen sie nichts zu suchen haben.

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Evolution des Immunsystems: Neunaugen-Thymus entdeckt

Flussneunauge

Zur adaptiven Immunabwehr der Neunaugen, mit der ich mich bereits in einer zweiteiligen Übersicht über die Evolution des Immunsystems beschäftigt habe, gibt es Neuigkeiten, wie The Scientist berichtet: Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und seine Kollegen haben offenbar den Thymus der Neunaugen entdeckt – jenes Organ, in dem die unseren T-Zellen ähnelnden Lymphozyten der Neunaugen heranreifen.

Zunächst entdeckten sie, dass im Kiemenkorb der Neunaugen ein Gen exprimiert wird, das unserem FOXN1 entspricht, einem Transkriptionsfaktor, der für die Entwicklung des Thymus nötig ist. Anschließend wiesen sie nach, dass an derselben Stelle auch die „T-Zellen“ dieser fischähnlichen kieferlosen Wirbeltiere Veränderungen durchlaufen. Als nächstes wollen sie MHC-Moleküle suchen, von denen man bislang dachte, sie kämen bei Neunaugen nicht vor.

Die Evolution des Immunssystems, Teil 2: adaptive Immunabwehr

Notizen zum 16. Kapitel des Lehrbuchs Janeway’s Immunobiology von Kenneth Murphy, Paul Travers und Mark Walport, 7. Auflage, Garland Science, 2008 – Teil 2: S. 720-730 (Fortsetzung von Teil 1)

Die Evolution der adaptiven Immunabwehr bei den Kiefermäulern wurde offenbar durch ein Transposon möglich, das sich in ein Gen für ein mutmaßlich immunglobulinartiges Protein einfügte. Dadurch gewann das Gen die Fähigkeit zur somatischen Rekombination.

Das Gen muss den Genen der Immunglobulin-Superfamilie sehr ähnlich gewesen sein, und das Protein diente womöglich schon als Antigen-Rezeptor – vielleicht in einer lymphozytenartigen Zelle oder in einer Phagozytose betreibenden Zelle wie einem Makrophagen oder einem polymorphnukleären Leukozyten, die dann die Fähigkeit zur Phagozytose verlor und dank der Ausbildung variabler Antigen-Rezeptoren neue Aufgaben übernahm.   Weiterlesen