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Abb. 105: Der hämatopoetische Stammbaum

Der hämatopoetische Stammbaum zeigt, wie die Blutzellen miteinander verwandt sind. Alle gehen aus hämatopoetischen Stammzellen (HSC) hervor. Hier ist der myeloische Ast dargestellt. Die Entstehung der Lymphozyten und ihrer Verwandten aus dem multilineage progenitor (*) folgt in Abb. 120. Die fertigen Blutzellen sind unten in den Zeilen »Blut« und »Gewebe« aufgereiht. Rechts in der Blut-Reihe stehen die roten Blutkörperchen und die winzigen Blutplättchen, die beide nicht zu den Immunzellen zählen. Dendritische Zellen und Mastzellen findet man im Blut kaum, weil sie nach ihrer Entstehung gleich ins Gewebe einwandern. Makrophagen entstehen ohnehin erst im Gewebe, und zwar aus eingewanderten Monozyten.
Die neutrophilen Granulozyten (NG) sind offenbar nicht näher mit den eosinophilen Granulozyten (EoG) und den basophilen Granulozyten (BG) verwandt. Außerdem stehen die basophilen Granulozyten den Mastzellen (MC) näher als den eosinophilen Granulozyten. Die klassische Einteilung anhand des mikroskopischen Erscheinungsbilds (zahlreiche Vesikel oder »Körnchen« = granula in allen Granulozyten) führt also in die Irre.

V. o. n. u. und v. l. n. r.: HSC = hämatopoetische Stammzelle, MPP = multipotent progenitor, LMPP = lymphoid-primed multipotent progenitor, EMP = erythro-myeloid progenitor, MLP = multilineage progenitor, GMP = granulocyte/monocyte progenitor, EoBP = eosinophil/basophil progenitor, MEP = myeloid-erythroid progenitor, DP = dendritic cell progenitor, MoP = monocyte progenitor, NP = neutrophil progenitor, EoP = eosinophil progenitor, BMCP = basophil/mast cell progenitor, EP = erythrocyte progenitor, MP = megakaryocyte progenitor, BP = basophil progenitor, MCP = mast cell progenitor; DC = dendritische Zelle, Mo = Monozyt, NG = neutrophiler Granulozyt, EoG = eosinophiler Granulozyt, BG = basophiler Granulozyt, MC = Mastzelle, MΦ = Makrophage. Progenitor heißt Vorläufer.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Wie aussagekräftig sind Immunzellkonzentrationen im Blut?

Wie findet man heraus, ob bestimmte Immunzelltypen an einer organspezifischen Autoimmunerkrankungen oder chronischen Entzündungen beteiligt sind? Wenn nicht gerade eine Operation oder eine Biopsie ansteht, die einem Gewebeproben liefert, misst man die Konzentrationen der Zelltypen in einer Blutprobe und versucht daraus auf die Verhältnisse im erkrankten Organ oder Gewebe zu schließen.

P1240189_kommunizierende_Röhren_Wurm-Chemotaxis_650

Im einfachsten Fall stehen Gewebe und Blut wie kommunizierende Röhren miteinander in Verbindung: Werden mehr (oder weniger) Zellen eines Typs produziert, kommen sie sowohl im Blut als auch im Gewebe häufiger (oder seltener) vor.

Tatsächlich bewegen sich Immunzellen aber aktiv in das Gewebe hinein oder aus ihm heraus. Je stärker einerseits ihre Chemotaxis und andererseits die Signale, die das Zielgewebe aussendet, desto schneller bewegen sie sich dort hin. Schlimmstenfalls ist ein Organ so isoliert, dass die Veränderung einer Zellkonzentration im Blut überhaupt nichts über die Vorgänge vor Ort aussagt.

Oder die Konzentrationen stehen in einem reziproken Verhältnis: Im Blut lassen sich kaum noch Zellen eines bestimmten Typs nachweisen, weil bereits fast alle in ihr Zielorgan eingewandert sind und auch dort bleiben, oder umgekehrt.

Und was hat das mit dem Wurm mit der Wäscheklammer auf der Nase zu tun? Nichts. Der gehört in einen anderen Teil des Buches.

Fettgewebe-Mikrobiom-Dysbiose als Ursache von Adipositas und kardiovaskulären Ereignissen?

Zusammenfassung nur des Abstracts und des Fazits:

Burcelin R et al. Metagenome and metabolism: the tissue microbiota hypothesis. Diabetes, Obesity and Metabolism 15 (Suppl. 3), 61-70, 2013

Das Mikrobiom des Verdauungstrakts mit seinen über 5 Mio. unterschiedlichen Genen gilt aus Symbiont, der unser Immunsystem, das Gefäßsystem des Verdauungstrakts und wahrscheinlich auch das Nervensystem prägt/mitentwickelt. Versuche an keimfreien und gezielt besiedelten Mäusen haben gezeigt, dass das Mikrobiom an Stoffwechselerkrankungen wie Fettleibigkeit beteiligt ist. Kürzlich entdeckt: Bakterielle DNA im Gewebe (Leber, Fettgewebe, Blut) -> Es gibt wohl auch ein Gewebe-Mikrobiom, das das Immunsystem beeinflusst.

Abb. 4: Pyrosequenzierung von 16S-rDNA aus der stromal vascular fraction von Fettgewebe -> Vergleich der Zusammensetzung des Fettgewebe-Mikrobioms bei BMI < 23 (gesund), 23 < BMI < 30 (übergewichtig) und BMI > 30 (fettleibig): Anteil Proteobacteria steigt, Anteil Firmicutes sinkt mit BMI. Innerhalb der Firmicutes keine systematischen Verschiebungen. Bei den Proteobacteria steigt Anteil der Gattung Ralstonia mit dem BMI deutlich an -> vermutlich kausaler Zusammenhang.

Hypothese: Eine Gewebe-Mikrobiom-Dysbiose, bei der sich bestimmte gramnegative Bakterien stark vermehren, könnte kardiovaskuläre Ereignisse verursachen. Diese Bakterien und ihre Zielstrukturen in unseren Zellen zu identifizieren könnte helfen, ursächliche Therapien anstelle von Symptombekämpfung (Hyperglykämie usw.) zu entwickeln.

Leukozyten-Volkszählung

Und noch eine Grundlagenskizze fürs Buch:

P1150844_Blutzusammensetzung_schwarz2_500Unter den etwa 7400 Leukozyten (weißen Blutkörperchen) in einem MilliMikroliter Blut eines gesunden Menschen sind ungefähr 2500 Lymphozyten.

Von diesen wiederum sind etwa 46% T-Helferzellen, 19% zytotoxische T-Zellen, 7% natürliche Killerzellen, 5% γδ-T-Zellen und 23% B-Zellen.

Einige Leukozytentypen wie die dendritischen Zellen kommen im Blut kaum vor, da sie nach ihrer Entstehung gleich ins Gewebe einwandern und dort bleiben.

Die roten Blutkörperchen oder Erythrozyten und die Blutplättchen oder Thrombozyten sind viel zahlreicher als die Leukozyten.

(All diese Werte haben auch bei Gesunden eine große Spannbreite; Abweichungen von den hier genannten Zahlen sind noch kein Grund zur Sorge.)

Reformierter Immunzellstammbaum, Teil 1

Eigentlich wollte ich nahtlos an die Lektüre und die Schreiberei vor dem Urlaub anschließen und „eben schnell“ den sogenannten hämatopoetischen Stammbaum skizzieren, also die Entwicklungwege der verschiedenen Blutzellen, die alle aus demselben Typ von Stammzellen hervorgehen (HSZ = hämatopoietische Stammzelle) . Doch alle Abbildungsvorlagen in meinen Lehrbüchern und in der Wikipedia erweisen sich als veraltet oder grob unvollständig.

P1150525_hämatopoietischer_Stammbaum_myeloischer_Zweig_650

Nach umfangreichen Recherchen hier schon mal Teil 1 – noch ohne die Lymphozyten und ihre Verwandten, die aus dem mit einem Sternchen gekennzeichneten multilineage progenitor (MLP) hervorgehen.

Relativ neu ist die Erkenntnis, dass die neutrophilen Granulozyten (NG) nicht näher mit den eosinophilen Granulozyten (EoG) und den basophilen Granulozyten (BG) verwandt sind, also nicht auf dem rechten, erythro-myeloiden Ast, sondern auf dem linken, dem lympho-myeloiden Ast des Baums angesiedelt sind.

Interessant auch, dass die basophilen Granulozyten den Mastzellen (MZ) näherstehen als den eosinophilen Granulozyten. Die alte Klassifikation anhand des mikroskopischen Erscheinungsbilds (alle drei Granulozyten enthalten zahlreiche kleine Vesikel oder „Körnchen“, die granula) führt also etwas in die Irre.

Fortsetzung folgt – und dann wird es richtig kompliziert, denn einige der neu entdeckten lymphoiden Zelltypen haben noch nicht einmal eingedeutschte Namen, von klaren Familienverhältnissen ganz zu schweigen!

(v. l. n. r., außer den 4 oben genannten Zelltypen: DZ = dendritische Zellen, Mo = Monozyten, MΦ = Makrophagen, E = Erythrozyten, M = Megakaryozyten; P steht jeweils für Progenitor = Vorläuferzelle)

Januswürmer

Hakenwürmer und andere Darmparasiten können einerseits unsere Gesundheit beeinträchtigen, da sie sich in der Darmschleimhaut festbeißen und von unserem Blut leben. Andererseits deutet einiges darauf hin, dass sie unser Immunsystem am Überschießen hindern, indem sie die Produktion regulatorischer T-Zellen (Tregs) anregen, die die Aktivität der T-Helfer- und -Effektorzellen hemmen.

Ausgewachsene Würmer sind einfach zu groß, als dass Antikörper oder Phagozyten etwas gegen sie ausrichten können. Daher regelt unser Körper bei einem chronischen Wurmbefall die Immunantwort, die mehr Schaden als Nutzen anrichten würde, nach einer Weile herunter. Der Mangel an Tregs im Körper von Menschen, die in einer parasitenarmen Umgebung aufwachsen, könnte eine Mitursache etlicher Autoimmunerkrankungen und autoentzündlicher Erkrankungen sein.