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Zahnstein-Archiv: Mundflora änderte sich mit industrieller Revolution stärker als mit neolithischer Revolution

Zusammenfassung noch nicht allgemein verständlich aufbereitet:

Adler CA et al. (2913): Sequencing ancient calcified dental plaque shows changes in oral microbiota with dietary shifts of the Neolithic and Industrial revolutions. Nature Genetics 45/4, 450-455, doi:10.1038/ng.2536

Abstract: Zwei der größten Ernährungsumstellungen in der Menschheitsgeschichte: Anpassung an kohlenhydratreiche Kost mit der neolithischen Revolution (Ackerbau) vor etwa 10.000 Jahren und Verbreitung industriell verarbeiteten Mehls und Zuckers um 1850 n. Chr. Die Autoren haben Zahnstein (mineralisierte Plaque) von 34 alten europäischen Skeletten und von 10 Australiern der Gegenwart per 16S-rRNA-Sequenzierung untersucht. Zusammensetzung der Mundflora von Steinzeit bis einschließlich Mittelalter überraschend konstant; erst danach wurden die heute allgegenwärtigen Kariesbakterien dominant. Mundflora-Ökosystem heute deutlich weniger divers als früher, was zu den für postindustrielle Gesellschaften typischen chronischen Erkrankungen (im Mund und im restlichen Körper) beitragen könnte.

Zahnstein entsteht, wenn Plaque, ein sehr dichter bakterieller Biofilm, mit Kalziumphosphat mineralisiert wird. Die Bakterien werden sowohl ober- als auch unterhalb des Zahnfleischsaums schichtweise in kristalliner, knochenähnlicher Matrix eingeschlossen und halten sich in Skeletten sehr gut.   Weiterlesen

Die Evolution der Sialinsäure-Gene beim Menschen

Hintergrund/Ergänzungen zum vorigen Artikel über eine Säugetier-Sialinsäure als Xenoautoantigen:

Ajit Varki, Pascal Gagneux: Human-specific evolution of sialic acid targets: Explaining the malignant malaria mystery? PNAS 106(35), 2009, 14739-14740

Plasmodium falciparum verursacht schwere Malaria beim Menschen; nächster Verwandter,  P. reichenowi, infiziert Schimpansen und Gorillas, richtet bei ihnen aber weniger Schaden an. Übertragung P. falciparum durch Anopheles-Mücken. Nach Mückenstich infizieren die injizierten Sporozoiten Leberzellen -> Merozoiten, die in die zirkulierenden roten Blutkörperchen (RBCs) eindringen und deren zyklische asexuelle Vermehrung Schübe hohen Fiebers auslösen. P. falciparum exprimiert mehrere Bindungsproteine, die spezifische Ziele auf den RBCs erkennen – vor allem die Sialinsäuren an den Enden der Glykanketten an den Glycophorinen (den häufigsten Oberflächenglykoproteinen) der RBCs.

Das „Sialom“ oder Sialinsäure-Repertoire des Wirts muss sich ständig weiterentwickeln, da die Pathogene schnell evolvieren. Z. B. kam es vor etwa 2-3 Mio. Jahren zu einer Alu-vermittelten Deletion im CMAH-Gen unserer Vorfahren -> keine Biosynthese von Neu5Gc mehr, dafür Akkumulation des Ausgangsstoffes Neu5Ac. Bei den übrigen Menschenaffen kommen beide Sialinsäuren vor. Das wichtigste RBC-Bindungsprotein der Merozoiten von P. falciparum bindet bevorzugt Neu5Ac, das von P. reichenowi bevorzugt Neu5Gc. Der Verlust von Neu5Gc könnte unsere Vorfahren kurzfristig von schwerer Malaria befreit haben. Demnach wäre P. falciparum später entstanden, als das Erkennungsprotein EBA-175 so mutierte, dass es Neu5Ac auf den Erythrozyten erkannte. Vermutlich gab es ein Zwischenstadium, indem EBA-175 beide Formen binden konnte.  Weiterlesen