Schlagwort-Archive: Schilddrüse

Schützen Alkohol- und Tabakkonsum vor Hashimoto-Thyreoiditis?

Bitte nicht gleich lossaufen, sondern erst den Artikel lesen. 🙂

Grigoris Effraimidis, Jan G. P. Tijssen, Wilmar M. Wiersinga: Alcohol Consumption as a Risk Factor for Autoimmune Thyroid Disease: A Prospective Study. Eur Thyroid J, 7. Juni 2012 (doi defekt, Abstract hier)

Soll man überhaupt über Studien berichten, in denen als gesundheitsschädigend eingestufte Verhaltensweisen wie Trinken und Rauchen plötzlich als mögliche Schutzfaktoren für bestimmte Autoimmunerkrankungen diskutiert werden? Ja, natürlich. Mündige Patienten können nur dann (im Idealfall gemeinsam mit ihren Ärzten) abwägen, was sie an ihrem Leben ändern sollten, um Verschlimmerungen einmal diagnostizierter Autoimmunerkrankungen aufzuhalten, wenn sie rundum informiert sind.

Dies ist die erste prospektive Studie zur Auswirkung von Alkoholkonsum auf den Ausbruch einer Hypothyreose bei anfangs noch gesunden Personen, in deren Familien Schilddrüsenerkrankungen bekannt sind. Prospektive Studien haben gegenüber den weitaus häufigeren retrospektiven Studien den Vorteil, dass falsche Erinnerungen bei nachträglichen Befragungen usw. weitgehend ausgeschlossen werden können.   Weiterlesen

Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen

Ich habe in diesem Blog bereits mehrere Fachartikel über Zusammenhänge zwischen Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse und weitere Autoimmunerkrankungen vorgestellt: den Review von Weetman (2011), die Fragebogen-Querschnittstudie von Boelaert et al. (2010) und die Arbeit von Sirota et al. (2009),  die Assoziationen mit Einzelnukleotid-Polymorphismen untersucht haben. Zur Ergänzung fasse ich hier einen neuen brasilianischen Review zusammen.

Teresa Cristina Martins Vicente Robazzi, Luis Fernando Fernandes Adan: Autoimmune thyroid disease in patients with rheumatic diseases. Rev Bras Reumatol 52(3), 2012, 417-430 (ohne doi)

Abstract: Bei Patienten mit Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis (z. B. Sjögren-Syndrom, rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes (SLE) oder Sklerodermie) werden häufig auch Fehlfunktionen der Schilddrüse und/oder Schilddrüsen-Autoantikörper festgestellt. Die Autoren fassen Erkenntnisse über Assoziationen zwischen endokrinen und rheumatischen Autoimmunerkrankungen in verschiedenen Altersgruppen und klinischen Situationen zusammen. Dazu haben sie große medizinische Literaturdatenbanken durchsucht. Trotz einiger Widersprüche in der Literatur stellen sie fest, dass Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse und rheumatische Erkrankungen positiv assoziiert sind, was auf gemeinsame Ursachen oder Mechanismen hindeuten kann.   Weiterlesen

Morbus-Basedow-Patienten sehr häufig mit Magenbakterium Helicobacter pylori infiziert

Vincenzi Bassi et al.: Autoimmune thyroid diseases and Helicobacter pylori: The correlation is present only in Graves’s [sic!] disease. World J Gastroenterol 18/10, 2012, 1093-1097, doi: 10.3748/wjg.v18.i10.1093 (Open Access)

[Bewertung vorweg: gute Arbeit zu Unterschieden zwischen den beiden wichtigsten Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis), zur Möglichkeit von Kreuzreaktionen/molekularer Mimikry und zu Th1 vs. Th2. Ob H.-pylori-Infektionen Morbus Basedow wirklich fördern oder eher ein Epiphänomen der Autoimmunerkrankung sind, bleibt letztlich offen.]

Abstract: 112 PatientInnen (48 Frauen und 4 Männer mit M. Basedow, 54 Frauen und 6 Männer mit Hashimoto-Th.) unmittelbar nach der Diagnose; Test auf H. pylori in frischen Stuhlproben und bei Hinweisen auf eine laufende Infektion ELISA-Analyse des Serums auf Gegenwart der besonders aggressiven Cag-A-Stämme des Magenbakteriums. Signifikante Korrelation zwischen Gegenwart von H. pylori bei M. Basedow, nicht aber Hashimoto-Thyreoiditis.   Weiterlesen

Immunität, Schilddrüsenfunktion und Schwangerschaft: molekulare Mechanismen

Zusammenfassung eines Reviews, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet und z. T. nur stichwortartig – keine „schöne Prosa“ 🙂

Anthony P. Weetman: Immunity, thyroid function and pregnancy: molecular mechanisms. Nature Reviews Endocrinology 6, 2010, 311-318, doi: 10.1038/nrendo.2010.46

[Das Fazit vorab: eine sehr gute Übersicht über die Balance zwischen Th1- und Th2-Arm der erworbenen Immunabwehr, die Funktion von Tregs, die Anforderung einer Schwangerschaft an das Immunsystem (Embryo = Semi-Allograft darf nicht abgestoßen werden, zugleich darf die Abwehr wegen Infektionsgefahr in kritischen Entwicklungsphasen nicht unterdrückt werden). Tabellen und Grafiken erleichtern das Verständnis.]

Abstract: Eine Schwangerschaft und die Zeit nach der Entbindung wirken sich stark auf Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse aus. Morbus Basedow: währenddessen Verbesserung, danach Verschlimmerung. Postpartum-Thyreoiditis: Zerstörung von Schilddrüsengewebe in den ertsen Monaten nach Entbindung. Mutter muss Toleranz gegenüber fetalem Semi-Allograft erhalten und zugleich sich und das Kind vor Infektionen schützen. Im Trophoblast Expression immunmodulatorischer Moleküle. Umschalten auf Th2-Zytokin-Muster. Tregs sammeln sich in der Gebärmutterschleimhaut, zirkulieren aber auch im mütterlichen Blutkreislauf und können so zufällig gleichzeitig auftretende Autoimmunreaktionen unterdrücken (linked suppression). Nach der Entbindung nimmt Zahl der Tregs rapide ab -> erneutes Ungleichgewicht -> Verschärfung einiger Autoimmunerkrankungen.   Weiterlesen

Leider nach wie vor unklar: Warum hilft Selen bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse?

schwarzes, graues und rotes Selen (Foto:Tomihahndorf)

Der folgende Artikel aus der Open-Access-Zeitschrift Autoimmune Diseases erhebt den Anspruch, erste Hinweise auf den Mechanismus hinter der therapeutischen Wirkung von Selengaben bei Hashimoto-Thyreoiditis (evtl. auch bei Morbus Basedow) zu geben. Leider löst er diesen Anspruch nicht ganz ein: Die Autoren haben so sehr mit der englischen Sprache gekämpft, dass die Kernaussage sowohl im Text als auch in der zentralen Grafik der Publikation unverständlich bleibt, und die Redakteure der Hindawi Publishing Corporation haben den Verfassen nicht nur nicht beigestanden, sondern mit ihrer schlampigen Arbeit sogar für weitere Verwirrung gesorgt. Sehr schade, auch mit Blick auf das Renommee von Open-Access-Journalen. Ich habe mir aber weitere aktuelle Arbeiten zum Thema Selen und Autoimmunerkrankungen beschafft und werde weiter berichten.

Csaba Balázs und Viktória Kaczur: Effect of Selenium on HLA-DR expression of Thyrocytes. Autoimmune Diseases, 2012, doi: 10.1155/2012/374635

Abstract: Mit dem Experiment sollte geklärt werden, ob Selen (Se) in In-vitro-Kulturen menschlicher Thyreozyten (Schilddrüsenzellen) die Expression von HLA-DR-Molekülen und die Produktion freier Sauerstoffradikale beeinflusst. Die Zellen wurden in der Gegenwart von Gamma-Interferon kultiviert, was zur Expression von HLA-DR-Molekülen führte. Selen inhibierte diese Expression in dosisabhängiger Weise. Dieser Effekt korrelierte negativ mit der antioxidativen Kapazität.   Weiterlesen

Prospektive Studie: Stress doch nicht an der Entstehung von Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse beteiligt

Diese Studie ist leider hinter einer Bezahlschranke versteckt – wie so viele Forschungsarbeiten, die aus öffentlichen Mitteln (also letztlich aus unseren Steuern und Abgaben) finanziert werden. Daher stelle ich nur die Zusammenfassung vor.

Grigoris Effraimidis et al. (2012): Involvement of stress in the pathogenesis of autoimmune thyroid disease: A prospective study. Psychoneuroendocrinology, available online 5 January 2012, http://dx.doi.org/10.1016/j.psyneuen.2011.12.009

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Zusammenhänge zwischen Schilddrüsen- und weiteren Autoimmunerkrankungen

Lymphozyt; Quelle: National Cancer Institute

A. P. Weetman, Diseases associated with thyroid autoimmunity: explanations for the expanding spectrum.
Clinical Endocrinology, 74, 2011, S. 411-418,
DOI: 10.1111/j.1365-2265.2010.03855.x

Notizen noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Zusammenfassung

Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (autoimmune thyroid diseases, AITD) sind häufig mit weiteren Autoimmunerkrankungen sowie Krankheiten mit bislang unbekannten Ursachen assoziiert. In diesem Review werden neue Erkenntnisse über diese Assoziationen vorgestellt, hinter denen sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse stecken können.

Autoimmunerkrankungen, die mit AITD einhergehen

Hashimoto-Thyreoiditis (Hypothyreose, Schilddrüsenunterfunktion) und Morbus Basedow (Hyperthyreose, Schilddrüsenüberfunktion) treten oft familiär gehäuft auf, und etliche symptomfreie Angehörige haben die entsprechenden Autoantikörper im Blut. Zudem bilden die AITD in den betroffenen Individuen oder Familien Cluster mit weiteren Autoimmunerkrankungen. Die Aufklärung gemeinsamer Mechanismen bei der Pathogenese (Krankheitsentstehung) ist wichtig für unser grundlegendes Verständnis der Autoimmunerkrankungen und für die Verbesserung der Diagnose (Screening). Da AITD viel häufiger sind als die meisten mit ihnen assoziierten Krankheiten, ist es einfacher und aufschlussreicher, Betroffene mit den selteneren Erkrankungen auf AITD zu testen, als umgekehrt.   Weiterlesen

The Epigenetics of Autoimmune Diseases, Kap. 8: Stress und Schilddrüsen-Autoimmunität

Notizen zum 8. Kapitel des Buches von Moncef Zouali (Hg.), Autor: Agathocles Tsatsoulis; noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Einführung

Schilddrüsen-Autoimmunkrankheiten wie Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow stellen sich ein, wenn das Immunsystem seine Toleranz gegen Selbst-Antigene in der Schilddrüse einbüßt. Ob es zu Morbus Basedow und damit zu einer Überfunktion (Hyperthyreose) kommt oder zu Hashimoto-Thyreoiditis und damit langfristig zu einer Unterfunktion (Hypothyreose), wird wohl nicht nur durch genetische Faktoren beeinflusst, sondern auch durch epigenetische Effekte, die wiederum von Umweltfaktoren wie Stress verändert werden können.

Stress wirkt über neuroendokrine Signale (Hormone) auf das Immunsystem. Während einer Stressreaktion werden die Hypothalamus-Hypophysen-Achse und das sympathische Nervensystem aktiviert, was zu Erhöhungen der Glucocorticoid- und Katecholamin-Konzentrationen führt. Beide Systeme sollen den Stressoren entgegenwirken und die Homöostase erhalten.

Lange glaubte man, Stresshormone – vor allem Glucocorticoide – würden allgemein immunsuppressiv wirken, doch Stress wirkt unterschiedlich aufs Immunsystem.   Weiterlesen