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Bedeutungsschwangerer Vergleich: Das Liebesleben der Seenadeln

Cartoon: links ein trächtiges Seepferdchen-Männchen, rechts ein verliebtes Weibchen, das an seinem Bauch lauscht

#NaNoWriMo22, Tag 7 (an Tag 6 habe ich Vorarbeiten für diesen Artikel erledigt)

Tiefseeanglerfische und Seenadeln – also die langgestreckten Grasnadeln, die gekrümmten Seepferdchen und ihre Verwandtschaft – haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam, einmal abgesehen davon, dass sie Fische sind: Die Tiefseeangler (Ceratioidei) leben allesamt in der finsteren Tiefsee und gelten aufgrund ihres ungewöhnlichen Körperbaus mit den riesigen Mäulern, den vorgeschobenen Unterkiefern und den spitzen Zähnen als hässlich, ja monströs – was allerdings auch daran liegt, dass die meisten Exemplare, die wir hier oben zu Gesicht bekommen, durch die Dekompression regelrecht zermatscht sind. Die Seenadeln (Syngnathidae) bevorzugen lichtdurchflutete Seegraswiesen im Flachwasser, haben winzige Mundöffnungen und wirken auf uns grazil und einnehmend.

Auch ihr Liebesleben ist auf den ersten Blick grundverschieden: Seenadelmännchen sind nicht winzig klein und wachsen nicht an einem Weibchen fest. Dafür werden sie trächtig! Das Spektrum reicht von einem einfachen Festkleben der Eier, die ihnen die Partnerin übergibt, am Bauch oder unter dem Schwanz, bis zum Austragen in einer komplett geschlossenen Bruttasche, einem veritablen Schwangerschaftsbauch wie in meinem Cartoon. Der männliche Organismus behütet und nährt den Nachwuchs, der zu diesem Zweck in ein schwamm- oder placentaartiges Gebilde eingebettet wird. Und der Vater stattet die Kleinen auch mit einem immunologischen Starter-Kit aus, sodass sie die vielen Bakterien und anderen potenziellen Krankheitserreger sofort bekämpfen können, wenn sie bei der Geburt aus dem schützenden Bauch ins weite Meer entlassen werden.

Und da taucht sie dann auf, die Parallele zu den Tiefseeanglern: Wie kommt es, dass das Immunsystem männlicher Seenadeln die Eier bzw. Embryonen nicht abstößt? Sie sind für den väterlichen Organismus doch hemiallograft, bestehen also zur Hälfte aus fremdem Gewebe, nämlich solchem mütterlichem Ursprungs. Normalerweise müssten sie – wie Transplantate – als „Nicht-Selbst“ bekämpft werden. Bei uns Säugetieren geschieht das nur deshalb nicht, weil zwischen der mütterlichen Gebärmutter und dem embryonalen Gewebe eine lückenlose Schutzschicht eingezogen ist, die keine MHC-Komplexe auf der Oberflächen trägt, sodass die mütterlichen Immunzellen gewissermaßen blind sind für das fremde Gewebe, das sich hinter diesem Wall verbirgt. (Das ist jetzt arg verkürzt dargestellt, soll hier aber reichen.)

Ein Forschungsteam um Olivia Roth am GEOMAR Helmholtz Centre for Ocean Research in Kiel untersucht die Schwangerschaften der Seenadeln seit über zehn Jahren, um unter anderem dieses Rätsel zu lösen. Dank des schon erwähnten breiten Spektrums (vom äußerlichen Festkleben der Eier am Bauch über offene Bruttaschen oder -rinnen bis zu geschlossenen Taschen, deren kleine Öffnung das Männchen erst zur Übernahme der Eier und später zur Geburt des ausgetragenen Nachwuchses kontrolliert öffnen kann) lässt sich hier einiges über die Evolution der Trächtigkeit lernen, das dem bloßen Studium der Säugetiere nicht zu entnehmen wäre. Denn bei den Säugetieren laufen alle Schwangerschaften im Grunde ähnlich ab; sie sind gewissermaßen alle vollkommen; „ein bisschen schwanger“ gibt es hier nicht!

Anders bei den Seenadeln. Hier zeigt sich: Je inniger der Kontakt zwischen väterlichem Organismus und Nachwuchs, desto stärker ist die Art „immundefizient“. Wie bei den Tiefseeanglern fehlen den Seepferdchen der Gattung Hippocampus und den Grasnadeln der Gattung Synghathus diejenigen Teile der erworbenen Abwehr, die eine Abstoßungsreaktion auslösen könnten. Die Gene im Haupthistokompatibilitätskomplex der Klasse II (MHC II) sind bei Syngnathus typhle abhanden gekommen oder defekt. Auch T-Zellen des Typs CD4+ scheinen bei dieser Art zu fehlen; sie hat also keine T-Helferzellen.

Andere Komponenten des Immunsystems sind zwar vorhanden und im Prinzip funktionstüchtig, werden aber bei Männchen während der Schwangerschaft herunterreguliert, um ihre immunologische Toleranz gegenüber den Halb-Fremdlingen in der Bruttasche zu erhöhen. Das gilt zum Beispiel für den Haupthistokompatibilitätskomplex der Klasse I (MHC I).

Eine Untersuchung der Entzündungsparameter bei Syngnathus typhle ergab deutliche Parallelen zu Säugetieren wie uns Menschen: Ganz zu Beginn einer Schwangerschaft, bei der Einnistung, tritt bei Grasnadeln wie Säugern eine lokale Entzündung auf, ohne die das zur Einbettung des befruchteten Eies nötige Gewebe gar nicht entstehen kann. Entzündungen fördern ja unter anderem die Bildung von Blutgefäßen. Dann folgt eine längere entzündungsfreie Phase, in der das elterliche Immunsystem maximale Toleranz übt. Schließlich steigen die Entzündungsparameter wieder an, denn die Geburt ist im Grunde nichts anderes als eine verspätete Abstoßung, ja ein Ausstoßen der nunmehr auch außerhalb des elterlichen Körpers lebensfähigen Kinder. Auch viele andere Gene, die bei uns Säugern in der Schwangerschaft je nach Phase stärker oder schwächer abgelesen werden als sonst, durchlaufen bei den Grasnadeln dieselbe Dynamik.

So, und warum interessiert mich das, warum gehört es ins Autoimmunbuch? Die meisten Autoimmunerkrankungen sind bei Frauen häufiger als bei Männern, teilweise extrem viel häufiger. Dafür werden in der Wissenschaft mehrere mögliche Ursachen diskutiert. Es könnte etwa an den weiblichen und männlichen Hormonen liegen, an den unterschiedlichen Genen auf dem X- und dem Y-Chromosom – oder am sogenannten X-Dosis-Effekt, also daran, dass Frauen zwei X-Chromosomen haben, Männer aber nur eines. Hinzu kommen Umweltfaktoren, etwa eine unterschiedliche Ernährung, unterschiedliche Berufe, unterschiedliche Kosmetika usw. Diese möglichen Ursachen schließen einander nicht aus, sondern könnten auch in Kombination miteinander das Erkrankungsrisiko herauf- oder herabsetzen.

Beim Menschen lassen sich diese Faktoren aber oftmals nicht sauber voneinander trennen: Das Geschlecht mit den beiden X-Chromosomen ist zugleich dasjenige, das Eizellen hervorbringt, die relativ groß sind und zum Beispiel Mitochondrien und Moleküle des Immunsystems enthalten. Und wer die Eizellen hervorbringt, trägt auch die Kinder aus – von Leihmutterschaften usw. einmal abgesehen. Aber auch Studien, die relativ einfach und ethisch unbedenklich wären, fehlen ärgerlicherweise. So wird seit Jahrzehnten spekuliert, ob eine Mutterschaft das Risiko für Hashimoto-Thyreoiditis erhöht, weil eine schlummernde Veranlagung während des immunologischen und hormonellen „Ausnahmezustands Schwangerschaft“ zum Ausbruch kommen könnte. Aber gute Statistiken dazu, also etwa Hashimoto-Prävalenzen bei 50-jährigen Frauen mit 0, 1, 2 oder 3 Kindern, habe ich noch nie gesehen!

Die Seenadeln bieten hier eine einmalige Chance: Es gibt ein männliches Geschlecht, das wie üblich zahlreiche winzige Spermien hervorbringt, und ein weibliches, das relativ wenige große, ressourcenreiche Eizellen produziert. Aber danach sind die Rollen vertauscht. Wie unterscheidet sich das Immunsystem der Männchen von dem der Weibchen – generell und insbesondere in den verschiedenen Phasen der männlichen Trächtigkeit? Geschlechtsspezifische Auswertungen habe ich in der Literatur noch nicht entdeckt, aber das kommt sicher noch.

Auch hier im Blog bleiben wir in den nächsten Tagen und Wochen noch beim Thema Fortpflanzung. Denn in der riesigen, bunten Klasse der Knochenfische (und auch bei ihren Cousins, den Knorpelfischen) gibt es offenbar fast nichts, was es nicht gibt. Freuen wir uns also auf die Reisfische, bei denen die Weibchen ihre Jungen im Geschlechtstrakt herumtragen, ohne im engeren Sinne schwanger zu sein. Und auf die Maulbrüter, bei denen teils beide Geschlechter, teils aber nur die Weibchen den Nachwuchs im Maul behüten, was sich wiederum deutlich in ihrem Immunsystem niederschlägt.

 

Literatur:

GEOMAR (2012): Der Beitrag der Väter. Wie männliche Fische das Immunsystem ihrer Nachkommen aktivieren können. Pressemitteilung.

Roth et al. (2020): Evolution of male pregnancy associated with remodeling of canonical vertebrate immunity in seahorses and pipefishes. Forschungsarbeit, Open Access.

Parker et al. (2021): Immunological tolerance in the evolution of male pregnancy. Forschungsarbeit, Open Access.

Das Immunsystem von der Wiege bis zur Bahre

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Reaktionsstärke der Hauptkomponenten des Immunsystems (oben) und Grippetote pro 1000 Personen (unten) im Lebensverlauf, nach Simon 2015

Übersichtsarbeiten, die die Entwicklung des Immunsystems von der Wiege bis zur Bahre vorstellen, sind erstaunlich selten; vermutlich ist das Thema „zu groß“. (Was soll ich da erst sagen: In meinem Manuskript ist das einer von fünf Teilen …) Im Folgenden werte ich eine 2015 erschienene Arbeit von A. Katharina Simon et al. aus: Evolution of the immune system in humans from infancy to old age.

1. Schwangerschaft und Geburt

1.1 Angeborene Abwehr

Reife neutrophile Granulozyten (kurz: Neutrophile) treten ab dem Ende des ersten Trimesters auf. Kurz vor der Geburt steigt ihre Zahl stark an, angeregt durch den Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktor. Sie zeigen allerdings nur schwache Reaktionen auf Bakterien und Entzündungssignale, eine geringe Adhäsion an Endothelzellen und eine schwache Chemotaxis – insbesondere bei Frühchen.

Bei Frühchen und normalen Geburten gibt es anfangs nur wenige pulmonale Makrophagen, ihre Zahl steigt aber innerhalb weniger Tage auf Adult-Niveau an.

Neugeborene haben auch nur wenige dendritischen Zellen vom myeloiden Typ (mDCs), und diese weisen weniger HLA-Klasse-II-, CD80- und CD86-Oberflächenmarker auf als bei Erwachsenen. Daher fällt das Priming von Th1- und CD8+-T-Zellen schwächer aus, sodass Neugeborene empfindlicher für Vireninfektionen, Mycobacterium tuberculosis und Salmonellen sind als größere Kinder und Erwachsene.

Bei den plasmacytoiden dendritische Zellen (pDCs) von Neugeborenen ist die Ausschüttung von IFN-α/β nach viraler Stimulation gehemmt, was zu einer schwachen angeborenen Abwehr von respiratorischen Synzytial-Viren, Herpes simplex und Cytomegalovirus führt.

Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) werden normalerweise durch inhibitorische Rezeptoren für HLA-A, -B, -C und -E reguliert. In der frühen Schwangerschaft reagieren sie aber kaum, wenn eine Zelle – etwa im Trophoblast – kein klassischen HLA-Klasse-I-Merkmale aufweist; außerdem lassen sie sich sehr leicht durch TGF-β supprimieren. Neonatale NK-Zellen sind weniger leicht durch IL-2 und IL-15 aktivierbar als adulte und stellen weniger IFN-γ her.

Im Serum von Neugeborenen sind fast alle Komponenten des Komplementsystems zu 10-80 % schwächer vertreten als bei Erwachsenen. Da es in Neugeborenen noch wenig Immunglobulin gibt, wird das Komplementsystem eher auf dem alternativem Weg oder auf dem Lektin-Weg aktiviert, getriggert durch Polysaccharide und Endotoxine.

Alles in allem reagiert die angeborene Abwehr bei der Geburt gedämpft. Sie muss wohl schwach ausfallen, um während der Schwangerschaft maternale Antigene und Umbaumaßnahmen zu tolerieren.

1.2 Erworbene Abwehr

Einfach positive CD4+- und CD8+-T-Zellen treten im menschlichen Thymus bereits ab Woche 15 auf und sind auch in der Peripherie schon lange vor Geburt zahlreich vertreten. Die T-Zellen funktionieren allerdings anders als später: Zur Geburt sind etwa 3% der peripheren T-Zellen Tregs (viel mehr als bei Erwachsenen); das Immunsystem hat insgesamt ein entzündungshemmendes Profil. Wird das fetale oder neonatale Immunsysteme durch fremde Antigene aktiviert, kommt es vor allem zu einer Th2-Antwort, verstärkt durch die neonatalen DCs.

Bei der Geburt sind fast alle T-Zellen naiv (d. h. noch ohne Antigen-Kontakt). In Neugeborenen treten viele T-Zellen mit γδ-T-Zell-Rezeptoren (TCRs) sowie „innate-like“ αβ-TCR-T-Zellen auf, die zwischen angeborener und erworbener Abwehr angesiedelt sind – darunter invariant natural killer T cells (iNKT), die schnell IFN produzieren, mucosal-associated invariant T cells (MAIT) und CXCL8-absondernde naive T-Zellen.

MAIT-Zellen entwickeln sich im Thymus; ihre Reifung können sie schon vor der Mikrobiom-Kolonisation in fetalen Schleimhäuten durchlaufen. CXCL-8-produzierende T-Zellen können in Neugeborenen antimikrobielle Neutrophile und γδ-T-Zellen aktivieren; sie sind vor allem in den Schleimhautbarrieren von Frühchen und normalen Neugeborenen aktiv. γδ-T-Zellen können nach schneller polyklonaler Expansion viel IFN-α herstellen und so die Unreife der klassischen Th1-Reaktion bei Neugeborenen ausgleichen.

B-Zellen: B1-Zellen schütten spontan schwach affines IgM aus, das eine eingeschränkte AG-Spezifität (gegen die gängigsten bakteriellen Polysaccharide) hat, außerdem IL-10 und TGF-β. So wird eine Th2-Antwort gefördert. Bei der Geburt sind etwa 40% der peripheren B-Zellen B1-Zellen; der Anteil der B2-Zellen nimmt später zu. [Achtung: B1/B2 sind beim Menschen noch immer nicht eindeutig belegt!]

Die meisten Antikörperreaktionen sind auf T-Zell-Hilfe angewiesen; diese wird aber durch den Mangel an Korezeptoren auf den neonatalen B-Zellen erschwert. Auch für das Komplement-Fragment C3d gibt es nur wenige Rezeptoren, sodass die Reaktion auf Polysaccharid-Komplement-Komplexe schwach ausfällt. Insgesamt ist die humorale Abwehr schwach, es gibt wenig Ig-Klassenwechsel, aber es entstehen schon Gedächtnis-B-Zellen. Bei bis zu zwei Monate alten Babys gibt es wenig somatische Hypermutation und wenig Affinitätsreifung der Antikörper. Das Knochenmark-Stroma ist noch nicht imstande, Plasmablasten lange zu unterstüzen und zu Plasmazellen reifen zu lassen; daher nimmt die Konzentration von IgG nach einer Immunisierung rasch ab. Entsprechend hoch ist die Neugeborenensterblichkeit in Populationen mit hoher Pathogenbelastung.

2. Kinder und Erwachsene

Ein wichtiger frühkindlicher Schutz gegen Infektionen, die die Mutter schon hatte, ist mütterliches IgG. Diese Antikörper werden durch die Plazenta und nach der Geburt mit der Milch übertragen. Auch 20-30 Jahre nach der Infektion der Mutter werden noch genug Antikörper übertragen, um das Kind zu schützen. Sobald das mütterliche IgG zurückgeht, sind die Kinder besonders empfindlich, da ihre eigene Antikörperproduktion noch nicht ausreicht. Heutzutage stimuliert man das kindliche Immunsystem durch Impfungen.

Während der Kindheit geht der Anteil der Tregs zurück; dafür kommen Gedächtnis-, Th1-, Th17- und Th2-Zellen hinzu, bis diese zusammen etwa so zahlreich sind wie die naiven T-Zellen. Viele der Gedächtnis-T-Zellen wurden durch das Mikrobiom geprimed, können aber später auf Pathogen-Antigene (auch aus Viren, z. B. HIV-1) kreuzreagieren, da die Antigen-Erkennungssequenzen für die T-Zell-Rezeptoren sehr kurz sind.

Ein Schutz durch die erworbene Abwehr hält nach einmaliger Infektion meist lebenslang. Gedächtnis-B-Zellen werden im Knochenmark am Leben gehalten. Teils bleiben auch die Antigene jahrelang in den Lymphknoten erhalten und werden von follikulären DCs präsentiert, die so für eine gelegentliche Teilung und Antikörper-Ausschüttung der passenden B-Zellen sorgen.

3. Weibliches Immunsystem in der Schwangerschaft

Mechanismen auf der mütterlichen Seite der Plazenta verhindern die Abstoßung des Fetus, z. B. über nicht klassische, nicht polymorphe HLA-Antigene, die örtliche Suppression durch infiltrierte NK-Zellen, Monozyten und Tregs sowie die Verhinderung der T-Zell-Aktivierung durch Tryptophan-Entzug.

Das mütterliche Immunsystem verschiebt sich während der Schwangerschaft von Th1 zu Th2 (siehe Abb.). Oft geht das mit einer Remission von Autoimmunerkrankungen einher.

4. Krebs und Autoimmunerkrankungen

Das Immunsystem bekämpft nicht nur Pathogene, sondern auch mutierte Zellen, die sich zu einem Tumor auswachsen könnten. Viele Tumoren schalten Tumor-Antigen-spezifische T-Zellen ab, indem sie an Checkpoint-Rezeptoren wie PD-1 oder CTLA4 binden. Therapien, die das verhindern, können Autoimmunerkrankungen auslösen – ebenso wie ein passiver Transfer von Anti-Krebs-T-Zellen. Überreaktionen wie Autoimmunerkrankungen oder Allergien sind der Preis, den wir für die Krebsbekämpfung durch T-Zellen zahlen.

Der Balanceakt zwischen Immunreaktionen, die Tumoren bekämpfen, und Autoimmunerkrankungen misslingt vor allem im Alter: Ein Drittel aller alten Menschen in den westlichen Ländern bekommt Krebs, 5-10% entwickeln Autoimmunerkrankungen.

Mikroorganismen wie EBV, Hepatitis B und C, HPV und Helicobacter pylori verursachen etwa ein Viertel aller Krebserkrankungen. Die chronischen Infektionen werden von spezifischen T-Zellen in Schach gehalten; im Alter kann diese Abwehr versagen kann.

5. Alter

Im hohen Alter steigt das Risiko akuter viraler und bakterieller Infektionen, außerdem ist die Sterblichkeit unter Infizierten im Alter dreimal so hoch wie bei jüngeren Erwachsenen. Bei einer normalen Grippewelle sind etwa 90% der Toten über 65 Jahre alt (s. Abb.).

Das Gleichgewicht zwischen Mikrobiom und Wirt kann durch ein nachlassendes Immunsystem gestört werden. Eine reduzierte mikrobielle Vielfalt im Darm korreliert mit Clostridium-difficile-assoziierter Diarrhö, die oft bei Alten in Krankenhäusern auftritt. Proinflammatorische Pathobionten nehmen im hohen Alter zu, immunmodulierende Arten ab.

Autoimmunerkrankungen werden im Alter häufiger, evtl. durch Lymphopenie, den Rückgang von Tregs und/oder die nachlassender Aufräumtätigkeit der Makrophagen. Der Thymus-Output sinkt, es gibt weniger neue naive T-Zellen. Auch die Fähigkeit, ein Gedächtnis für neue Antigene anzulegen, lässt nach. Das CD4+/CD8+-Verhältnis wird größer: Die Notwendigkeit, latente Viren wie EBV oder CMV zu kontrollieren, lässt weniger Platz für CD8+-Zellen. Naive B-Zellen werden zunehmend durch Gedächtnis-B-Zellen ersetzt, von denen einige “erschöpft” sind. Der Rückgang der naiven Zellen hat aber meist keine dramatischen Folgen, da alte Menschen schon über große „Gedächtnis-Datenbanken“ zu vielen Pathogenen verfügen.

Auch die angeborene Abwehr lässt im Alter nach. Die Hämatopoese verschiebt sich zugunsten myeloider Zellen – evtl. eine evolutionäre Anpassung, da zur Beseitigung der vielen seneszenten Zellen mehr Phagozytose vonnöten ist. Im hohen Alter sind Neutrophile, Makrophagen und DCs weniger leistungsfähig (weniger HLA-Expression, weniger Phagozytose …), sodass die immunologisch stille Beseitigung apoptotischer und seneszenter Zellen nicht mehr gelingt. Dann kommt es zu einer dauerhaften schwachen Entzündung (mehr proinflammatorische Zytokine: IL-1β, IL-6, IL-18 und TNF-α), die zu Atherosklerose, Demenz oder Krebs beitragen könnte.

Die zellulären und molekularen Grundlage der Immunoseneszenz sind noch nicht aufgeklärt. Ältere Zellen zeichnen sich durch drei Eigenheiten aus: (1) Telomere verkürzt -> Die Zellteilungsfähigkeit lässt nach. (2) Mitochondrien-Dysfunktion -> mehr reaktive Sauerstoffspezies. (3) Sekretion entzündungsfördernder Zytokine, Chemokine und Proteasen. Die Auswirkungen auf das Immunsystem: Mitotische Zellen wie hämatopoetische Stammzellen, T-Zellen usw. schwinden, postmitotische Immunzellen wie Neutrophile werden dysfunktional.

Hochbetagte sowie Menschen mit Autoimmunerkrankungen oder chronischen Vireninfektionen haben vor allem CD27CD28-T-Zellen mit sehr kurzen Telomeren, die sich kaum noch teilen können, aber noch starke Effektorfunktionen ausüben.

Bei oxidativem Stress (etwa durch reaktive Sauerstoffspezies) können DNA-Stränge zerbrechen. Verursacht wird der oxidative Stress evtl. durch ein Nachlassen der Autophagie: Altes zytoplasmatisches Material wird nicht mehr zum sicheren Abbau in Lysosomen ausgelagert.

 

Wurmbefall bei den Tsimane: Alte Freunde sorgen für Kindersegen

Ein neuer Aspekt der Alte-Freunde-Hypothese, der zufolge bestimmte Würmer aufgrund ihrer langen Koevolution mit dem Menschen und der partiellen Übereinstimmung der Interessen von Wirt und Parasit unser Immunsystem zu unserem Vorteil regulieren können: Manche Würmer steigern offenbar die Fruchtbarkeit von Frauen – vermutlich durch Toleranzinduktion, also eine Besänftigung des Immunsystems, die die Einnistung befruchteter Eizellen fördert.

Dies hat ein Forscherteam um Aaron D. Blackwell bei den Tsimane in Bolivien entdeckt, einem Volk von Subsistenz-Ackerbauern und Fischern, in dem Empfängnisverhütung noch keine große Rolle spielt. Etwa 70 Prozent der Frauen haben Parasiten, vor allem Hakenwürmer und Spulwürmer. Frauen ohne solche Parasiten bekommen im Durchschnitt 10 Kinder, Frauen mit Hakenwurmbefall 7 und solche mit Spulwurmbefall 12. Frauen mit Spulwürmern sind bei der ersten Geburt jünger, und der Abstand zwischen ihren Schwangerschaften ist kleiner. Die schwangerschaftsfördernde Wirkung der Spulwürmer nimmt mit den Jahren ab. Bei älteren Frauen hemmen die Spulwürmer weitere Schwangerschaften sogar, aber der positive Effekt in jungen Jahren überwiegt. Hakenwürmer wirken dagegen über die Jahre hinweg konstant schwangerschaftshemmend, obwohl die Frauen nicht unterernährt sind und auch sonst nicht offensichtlich unter ihrem Wurmbefall leiden.

Die Studie (eigentlich hinter einer Paywall, aber über einen „privaten“ Link von der Homepage des Hauptautors netterweise im Volltext zugänglich) ist Teil einer Langzeitbeobachtung der Tsimane (Projektseite), die bereits viele interessante Erkenntnisse – etwa über Koinfektionen mit mehreren Parasiten oder über Zusammenhänge zwischen Parasitenbefall und Depressionen – zutage gefördert hat. Die Autoren bedanken sich am Ende ihrer Studie bei den Tsimane für ihre geduldige Mitwirkung am Projekt. Von dieser Wertschätzung könnten sich die Herren Doctores, die sich beispielsweise bei DocCheck zu der hohen Kinderzahl der Tsimane äußern und dabei einen eklatanten Mangel an Bildung, Benimm, Reflexionsvermögen und Empathie zu erkennen geben, ruhig eine Scheibe abschneiden.

Hier noch zwei Dokumentationen, die Einblicke in das Leben der Tsimane geben – beide mit spanischen Untertiteln, aber man bekommt auch ohne Spanischkenntnisse eine Menge mit:

Porträt einer noch recht ursprünglich lebenden Familie; das süße Tier ist übrigens ein Paka

Das Leben von Tsimane, die bereits mehr Kontakt zur Moderne haben

 

Das ambivalente Verhältnis des Embryos zum Immunsystem

Dass der Dotter in einem Vogelei der Ernährung des werdenden Kükens dient, ist allgemein bekannt. Dass auch junge menschliche Embryonen von einem Dottersack zehren, bevor die Plazenta ihre Versorgung übernimmt, ist vielen Menschen dagegen nicht bewusst. Hier ein junger Embryo eines Säugetiers – ob Mensch, Katz oder Maus, ist in diesem Stadium noch kaum zu erkennen. Links der Dottersack:

P1260500_Dottersack_Embryo_500

Aus diesem Dottersack wandern Zellen in den jungen Embryo ein, die später zu Gewebsmakrophagen werden – siehe vorletzter Beitrag. Der schwarze Fleck ist die embryonale Leber, die bereits Immunzellen produziert, bevor das Knochenmark diese Aufgabe übernimmt. Über die Nabelschnur – hier nur angedeutet – gelangen Nährstoffe aus der Plazenta in den Embryo hinein und Abfallstoffe aus ihm heraus.

Der Embryo muss das mütterliche Immunsystem einerseits fürchten, denn er enthält zur Hälfte väterliches Erbgut und stellt daher einen Fremdkörper dar, der Gefahr läuft, vom Organismus abgestoßen zu werden. Doch mit verschiedenen löslichen Substanzen und Oberflächenmarkern auf seiner Kontaktfläche zum mütterlichen Plazentagewebe (Trophoblast) spannt der Embryo einen Schutzschirm auf:

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Andererseits ist der Embryo gerade zu Beginn der Schwangerschaft auf die zahlreichen Immunzellen angewiesen, die sich in der Gebärmutterschleimhaut aufhalten. Es sind nämlich massive Baumaßnahmen nötig:

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Der Embryo spannt die örtlichen Immunzellen – vor allem natürliche Killerzellen – ein, um das Adersystem der Gebärmutter so um- und auszubauen, dass das mütterliche Blut genug Nährstoffe für den Nachwuchs heranschaffen kann. Als Bauanweisungen dienen ihm zum Teil dieselben Signalstoffe wie bei der Beschwichtigung der Immunzellen, insbesondere das Protein HLA-G.

Junge rote Blutkörperchen regulieren Immunreaktionen

Im letzten Beitrag habe ich eine Studie vorgestellt, der zufolge unreife rote Blutkörperchen unser Immunsystem in den Wochen nach der Geburt so stark zäumen, dass die Erstbesiedlung des Darms mit gutartigen Bakterien nicht zu einer gefährlichen großflächigen Entzündung führt. Hier nun die passenden Skizzen – zunächst ein erwachsener, kernloser Erythrozyt, der bekanntlich die Aufgabe hat, Sauerstoff aus den Lungen in unser Gewebe zu transportieren, und ein junger, unreifer Erythrozyt, der wegen seines Zellkerns noch nicht die typische Scheibenform der roten Blutkörperchen angenommen hat. Seine Aufgabe ist es, Immunreaktionen aufzuhalten:

P1260500_Reifer_unreifer_Erythrozyt_650Dass die kernhaltigen rote Blutkörperchen von Nicht-Säugetieren wie Fischen und Vögeln auch Aufgaben im Immunsystem übernehmen, ist schon lange bekannt. Insofern sollte es uns nicht überraschen, dass dies auch bei Menschen der Fall ist – wenn auch nur in einem schmalen Zeitfenster: Vorläufer späterer roter Blutkörperchen, die den Marker CD71 auf der Oberfläche tragen, hemmen durch Enzyme und womöglich weitere lösliche Substanzen die Aktivität der T-Zellen, B-Zellen, dendritischen Zellen und Makrophagen von Neugeborenen. Eventuell fördern sie zudem durch Freisetzung von Zytokinen die Bildung von regulatorischen T-Zellen (Tregs) und T-Helferzellen des Typs 2 (Th2).

Shokrollah Elahi vermutet, dass die massiven Entzündungen, unter denen viele Frühgeborene leiden, auf einen Mangel an CD71+-Zellen zurückzuführen sind. Diese Schutzpolizisten entstehen nämlich vor allem in den letzten Schwangerschaftswochen vor dem normalen Geburtstermin. Bei einer Frühgeburt ist ihre Zahl noch viel zu gering, um das Immunsystem während der Erstbesiedlung des Darms mit unseren Darmbakterien vom Amoklauf abzuhalten.

Wie aber werden unreife Erythrozyten „erwachsen“? Sie versammeln sich im roten Knochenmark um Makrophagen, scheiden ihre Zellkerne ab und nehmen ihre Arbeit als Sauerstofftransporteure auf. Die Kerne, die dabei nur stören würden, werden von den Makrophagen vertilgt:

P1260501_Unreife_Erythrozyten_und_Makrophage_650

Wie so oft übernehmen die Makrophagen also die Müllentsorgung – besonders wichtig, wenn es um die Beseitigung von Kernen geht, da diese jede Menge Nukleinsäuren (DNA) enthalten, die andernfalls starke Immunreaktionen auslösen würden. Extrazelluläre Nukleinsäuren deuten nämlich normalerweise auf Infektionen oder ein massives Zellsterben hin.

Lit.: S. Elahi (2014): New insight into an old concept: role of immature erythroid cells in immune pathogenesis of neonatal infection

 

Auswertung Wissenschafts-Newsletter, Teil 1

Nach langer Pause wegen Überstunden und Krankheit stürze ich mich wieder in die Arbeit am Buch. Ich bin immer noch mit der Beschreibung der wichtigsten Mechanismen beschäftigt, über die Infektionen mutmaßlich Autoimmunerkrankungen auslösen: molekulare Mimikry, Bystander Activation, Epitope Spreading und polyklonale Aktivierung, z. B. durch Superantigene.

Nebenbei wühle ich mich durch die Wissenschafts-Newsletter der letzten Monate. Evtl. fürs Buch relevante Meldungen verlinke ich hier. Den Anfang macht The Scientist, vor allem mit Meldungen zum Mikrobiom.

Microbes Fight Chronic Infection: Eine am 23.10.2014 in Nature veröffentlichte Studie zeigt, dass Clostridium scindens und in geringerem Umfang 10 weitere Bakterien-Taxa aus dem Darm-Mikrobiom Antibiotika-behandelte (und daher dysbiotische) Mäuse vor Infektionen mit Clostridium difficile schützen können. Evtl. lässt sich daraus eine Therapie für dysbiotische Menschen entwickeln, die weniger riskant ist als die Stuhltransplantationen, die derzeit in, äh, aller Munde sind.

Gut Microbes Trigger Malaria-Fighting Antibodies: Eine am 04.12.2014 in Cell veröffentlichte Studie zeigt, dass E. coli im Darm von Mäusen die Bildung von Antikörpern gegen den Kohlenwasserstoff Galα1-3Galb1-4GlcNAc-R (kurz: α-gal) auslöst, der sowohl an der Oberfläche der Bakterien als auch auf Malaria-Erregern (bei Mäusen Plasmodium berghei, bei Menschen Plasmodium falciparum) zu finden ist. Diese Antikörper sind auch im Blut gesunder Menschen in großen Mengen anzutreffen. Dank einer Dreifach-Mutation in den gemeinsamen Vorfahren der Menschen und der Menschenaffen stellen unsere Zellen kein α-gal mehr her, sodass die Antikörper nicht den eigenen Körper angreifen. Mit P. berghei infizierte Mäuse mit den durch das Bakterium induzierten Antikörpern im Blut erkrankten nur halb so häufig an Malaria wie Mäuse ohne die Antikörper.    Weiterlesen

Besonderheiten des Mikrobioms von Kindern, Schwangeren und Morbus-Crohn-Patienten

Lozupone CA et al. Meta-analyses of studies of the human microbiota. Genome Res. 2013 23: 1704-1714 (Open Access)

Da viele Mikrobiom-Studien auf Sequenzierungen derselben Targets im Gen für die bakterielle 16S rRNA (ribosomale RNA) beruhen, sind sie im Prinzip für Metaanalysen geeignet, aber unterschiedliche experimentelle Techniken/Protokolle können subtile biologische Unterschiede überdecken. Proben aus nicht-westlichen ländlichen Kulturen sowie von Kindern lassen sich gut von Proben Erwachsener aus westlichen Kulturen unterscheiden. Das Mikrobiom von Morbus-Crohn-Patienten und von Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel ähnelt eher dem typischen Kinder-Mikrobiom als dem erwachsener Kontrollen.

Für Körperteile typische Taxa: Ruminococcaceae, Bacteroidaceae und Lachnospiraceae im adulten Darm, Lactobacillaceae in der Vagina, Propionibacteraceae/Staphylococcaceae auf  der Haut, Streptococcaceae/Prevotellaceae im Mund.

Alter: Bei Kleinkindern viele Enterococcaceae, Enterobacteraceae, Streptococcaceae, Lactobacillaceae, Clostridiaceae und Bifidobacteraceae, dann innerhalb von 1-3 Jahren Übergang zu Dominanz von Lachnospiraceae, Ruminococcaceae, Bacteroidaceae, Prevotellaceae u. a.  Die Darmflora von Kleinstkindern ähnelt noch stärker der typischen Vaginal- und Hautflora als der Erwachsenen-Darmflora.

Lebensweise/Ernährung: viele Prevotellaceae in Erwachsenen aus ländlichen/nichtwestlichen Kulturen (Burkina Faso, Malawi, Venezuela), viele Bacteroidaceae in Erwachsenen aus westlichen Kulturen (USA, Italien).

Anreicherung kindertypischer Bakterien-Taxa bei Morbus Crohn und gegen Ende der Schwangerschaft: Bei Crohn-Patienten mehr Enterobacteraceae und Lactobacillaceae im Darm, dafür deutlich weniger Lachnospiraceae und unklassifizierte Bacteroidales (erwachsenentypisch) als bei gesunden Kontrollpersonen (Willing et al. 2010). Im letzten Schwangerschaftsdrittel mehr Enterobacteraceae, Streptococcaceae und Enterococcaceae, dafür sind einige erwachsenentypische Lachnospiraceae- und Ruminococcaceae-Familien unterrepräsentiert. Morbus Crohn = starke Entzündung im Darm; interessanterweise sind auch in Stuhlproben von Schwangeren im letzten Trimester Entzündungsmarker wie IFNG, IL2, IL6 und TNF signifikant erhöht.

Biologische Eigenschaften der bei Kindern, Schwangeren und Crohn-Patienten angereicherten Bakterien: Lachnospiraceae insgesamt unterrepräsentiert, aber bestimmte Clostridiales wie Clostridium bolteae gegenüber gesunden, nicht schwangeren Erwachsenen angereichert. Diese „infant/disturbance-adapted taxa“ zeichnen sich durch Gene aus, die vermutlich Resistenz gegen osmotischen und oxidativen Stress sowie bestimmte Stoffwechsel-Fähigkeiten vermitteln.

 

Hunde- und Katzenhaltung schützt Kleinkinder vor Atemwegserkrankungen

Kapverdisches Kind mit Hund, Fotograf: F. Mira, Quelle: http://www.flickr.com/photos/fhmira/3714025646/ (CC BY-SA-2.0)

Nur eine Kurzzusammenfassung, da der Artikel nichts über Autoimmunerkrankungen aussagt:

Eija Bergroth et al.: Respiratory Tract Illness During the First Year of Life: Effect of Dog and Cat Contacts. Pediatrics 2012;130;211, DOI:10.1542/peds.2011-2825 (Open Access)

Diese finnische Studie zeigt, dass Hundehaltung (und in etwas geringerem Ausmaß auch Katzenhaltung) in einem ländlichen Lebensraum für ein gesünderes erstes Lebensjahr von Kleinkindern sorgt: weniger Otitis (Ohrentzündungen) und Rhinitis („Schnupfen“ usw.), weniger Antibiotikabehandlungen nötig. Husten trat dagegen ungefähr gleich häufig auf wie in haustierfreien Haushalten.

Der günstige Effekt ist am stärksten, wenn das Tier viel Zeit draußen verbringt – vermutlich, weil es dann besonders viel „Dreck“ und damit eine größere Bakterienvielfalt ins Haus schleppt. Andere Studien haben die Haltung von Haustieren (mit Fell und Auslauf – Aquarienfische oder Schildkröten reichen nicht!) bereits mit einem geringeren Allergierisiko in Zusammenhang gebracht. Jetzt zeigt sich, dass das während des letzten Schwangerschaftsdrittels und nach der Geburt geprägte kindliche Immunsystem durch die Tiere nicht einfach gedämpft, sondern insgesamt besser geschult und eingeregelt wird.

Immunität, Schilddrüsenfunktion und Schwangerschaft: molekulare Mechanismen

Zusammenfassung eines Reviews, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet und z. T. nur stichwortartig – keine „schöne Prosa“ 🙂

Anthony P. Weetman: Immunity, thyroid function and pregnancy: molecular mechanisms. Nature Reviews Endocrinology 6, 2010, 311-318, doi: 10.1038/nrendo.2010.46

[Das Fazit vorab: eine sehr gute Übersicht über die Balance zwischen Th1- und Th2-Arm der erworbenen Immunabwehr, die Funktion von Tregs, die Anforderung einer Schwangerschaft an das Immunsystem (Embryo = Semi-Allograft darf nicht abgestoßen werden, zugleich darf die Abwehr wegen Infektionsgefahr in kritischen Entwicklungsphasen nicht unterdrückt werden). Tabellen und Grafiken erleichtern das Verständnis.]

Abstract: Eine Schwangerschaft und die Zeit nach der Entbindung wirken sich stark auf Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse aus. Morbus Basedow: währenddessen Verbesserung, danach Verschlimmerung. Postpartum-Thyreoiditis: Zerstörung von Schilddrüsengewebe in den ertsen Monaten nach Entbindung. Mutter muss Toleranz gegenüber fetalem Semi-Allograft erhalten und zugleich sich und das Kind vor Infektionen schützen. Im Trophoblast Expression immunmodulatorischer Moleküle. Umschalten auf Th2-Zytokin-Muster. Tregs sammeln sich in der Gebärmutterschleimhaut, zirkulieren aber auch im mütterlichen Blutkreislauf und können so zufällig gleichzeitig auftretende Autoimmunreaktionen unterdrücken (linked suppression). Nach der Entbindung nimmt Zahl der Tregs rapide ab -> erneutes Ungleichgewicht -> Verschärfung einiger Autoimmunerkrankungen.   Weiterlesen

Geschlechtsunterschiede bei Autoimmunerkrankungen

Strukturformel von Testosteron

Rhonda Voskuhl: Sex differences in autoimmune diseases (Review). Biol Sex Differ. 2011; 2: 1, doi:  10.1186/2042-6410-2-1

Notizen, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Viele Autoimmunerkrankungen sind bei Frauen häufiger als bei Männern, darunter Systemischer Lupus erythematodes (SLE), Multiple Sklerose (MS), primär biliäre Zirrhose (PBC), rheumatoide Arthritis (RA) und Hashimoto-Thyreoiditis. Eine Frau zu sein ist ein stärkerer Risikofaktor für diese Erkrankungen als jede einzelne bislang bekannte genetische oder ökologische Einflussgröße.   Weiterlesen