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Jahreszeitliche Schwankungen der Schilddrüsenhormonwerte

Was für ein Zufall: Vorgestern habe ich beim Hausarzt endlich den TSH-Wert erfragt, der im Januar erhoben worden war. Ich hatte das bisher nicht getan, da ich mich im Winter und auch seither gut eingestellt fühlte. Das ist nur in einem recht schmalen TSH-Werte-Korridor der Fall – viel schmaler jedenfalls als das Spektrum normaler Werte bei Gesunden, das bei „meinem“ Labor von 0,55 bis 4,80 mIU/L reicht.

Als Faustregel habe ich mir gemerkt, dass der Wert bei mir nicht unter 0,8, aber auch nicht über 1,5 mIU/L liegen sollte. Darunter werde ich extrem hibbelig und fahrig, darüber werde ich nicht richtig wach. Daher wunderte es mich, dass die TSH-Konzentration in meinem Serum im Januar bei 1,68 mIU/L lag, obwohl ich nicht total schlapp, verfröstelt und langsam war.

Zack: Gestern gab es bei DocCheck eine mögliche Erklärung. Die mittleren Konzentrationen des Thyroxins (insbesondere FT3) und des Thyreoidea-stimulierenden Hormons schwanken einer neuen japanischen Studie zufolge bei Gesunden im Jahresverlauf erheblich. Während der mediane TSH-Wert der 7000 Probandinnen und Probanden im Mai nur 1,16 betrug, waren es im Januar 1,61 – also fast genauso viel wie bei mir.

Zwar lassen sich die jahreszeitlichen Schwankungen bei Gesunden nicht eins zu eins auf Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis übertragen, die – wie ich – rund ums Jahr dieselbe Thyroxin-Menge einnehmen. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass der Thyroxin-Bedarf des Körpers auch bei mir im Jahresverlauf ein wenig schwankt, was wiederum systematische Änderungen des TSH-Werts nach sich zieht, der ja den aktuellen Thyroxin-Bedarf des Körpers signalisiert. Zum Beispiel wiege ich im Winter meist etwas mehr; es muss also schlicht mehr Gewebe versorgt werden; außerdem greift gerade Fettgewebe in die Hormonkreisläufe ein. Auch muss der Körper im Winter mehr heizen, und die Körpertemepratur wird ebenfalls über Thyroxin reguliert.

Der Mehrbedarf war aber offenbar nicht groß genug, um sich auf mein Wohlbefinden auszuwirken. Daher bleibe ich bis auf weiteres bei dem übers Jahr konstanten Einnahmeschema. Ich verstehe aber jetzt besser, warum manche Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis berichten, dass sie im Urlaub weniger Thyroxin brauchen und daher die Einnahmemenge reduzieren – vorausgesetzt, sie reden vom Sommerurlaub!

Hormonwerte sind nicht alles: Hypothyreose-unabhängige Symptome bei Hashimoto-Thyreoiditis

In der Patientenszene häufen sich seit Jahrzehnten Berichte von Hashimoto-Patienten, denen es trotz Hormonwerten im Normalbereich schlecht geht. Viele kämpfen gegen die TSH-Wert-Fixierung ihrer Ärzte an, die so etwas gerne als „psychisches Problem“ abtun. Neuerdings zeichnet sich in der Fachwelt ein Umdenken ab: Mehrere Forschergruppen bestätigen die Existenz von ernsten Symptomen und krankhaften Gewebsveränderungen bei Hashimoto-Thyreoiditis, die nicht von der Schilddrüsenhormonversorgung abhängen, sondern vermutlich durch die Autoimmunreaktionen selbst bedingt sind. Hier fasse ich einige Arbeiten zusammen – wie immer noch nicht allgemein verständlich aufbereitet, gesundheitsbedingt ziemlich flüchtig und wahrscheinlich mit noch mehr Tippfehlern als sonst: Ich sehe momentan sehr schlecht, möchte aber meinen Rückstand aufholen.

Johannes Ott et al.: The incidence of lymphocytic thyroid infiltration and Hashimoto’s thyroiditis increased in patients operated for benign goiter over a 31-year period. Virchows Arch 2011, 459, 277-281, doi: 10.1007/s00428-011-1130-x

Die HT-Inzidenz scheint in den letzten Jahrzehnten gestiegen zu sein. Autoren haben Lymphpzyten-Infiltration der Schilddrüse (lymphocytic thyroid infiltration = LTI) in Gewebsproben von 1050 Patienten untersucht, die wegen eines gutartigen Kropfs an der Schilddrüse operiert worden waren. Ausmaß LTI (Grad 0-4) korreliert positiv mit HT. Vergleich der Jahre 1979-1989 und 1994-2009: Nach der Erhöhung der Salziodierung in Österreich höhere HT-Inzidenz als vorher – was natürlich kein Beleg für einen kausalen Zusammenhang ist. [Weiteres Problem: die winzige Zahl histologisch eindeutiger Hashimoto-Fälle – insgesamt 8 von 1050, also 0,8%!] In der Lit. genannte mögliche Ursachen für steigende Inzidenz: intauterine Erreger-Exposition (Enterovirus usw.), industrielle Endokrindisruptoren oder Schwermetalle, radioaktive Strahlung (Tschernobyl), Iodierung. Mögliche pathophysiologische Mechanismen: erhöhte Immugenität von stark iodiertem Thyreoglobulin, toxische Wirkung von Iod auf Schilddrüsenzellen oder direkte Stimulation der Immunzellen durch Iod. [Arbeit für meine Zwecke unergiebig.]

Johannes Ott et al.: Hashimoto’s Thyroiditis Affects Symptom Load and Quality of Life Unrelated to Hypothyroidism: A Prospective Case–Control Study in Women Undergoing Thyroidectomy for Benign Goiter. Thyroid 2011, 21(2), 161-167; doi: 10.1089/thy.2010.0191.

Prospektive Kohortenstudie an 426 euthyreoiden Frauen, die wegen gutartigen Kropfs operiert wurden. Gewebsuntersuchung: 28 der Frauen (6,6%) hatten HT. Aufteilung in zwei Gruppen: Anti-TPO-Antikörper-Werte > bzw. ≤ 121,0 iU/ml. In beiden Gruppen nahmen etwa 30% Schilddrüsenhormone. Mittlere Zahl der von den Patientinnen berichteten Symptome war in der Gruppe mit hohen Anti-TPO-Antikörper-Werten signifikant größer. TSH-Werte: kein signifikanter Unterschied (1,7 bzw. 1,4 µU/ml). Chronische Erschöpfung, trockenes Haar, chronische Reizbarkeit, chronische Nervosität, chronische Schwäche, Schlafstörungen, Vorgeschichte Brustkrebs und frühe Fehlgeburten sowie niedrigere Lebensqualität (allgemeiner Gesundheitszustand, Einschränkungen durch körperliche Beeinträchtigungen, Vitalität, Teilnahme am Sozialleben, geistige Gesundheit; ermittelt mit SF-36-Fragebogen): alle signifikant mit hohen Anti-TPO-Antikörper-Werten assoziiert. Schluss: Diese HT-typischen Symptome können auch auftreten, wenn keine Hypothyreose vorliegt.  Weiterlesen

Morbus-Basedow-Patienten sehr häufig mit Magenbakterium Helicobacter pylori infiziert

Vincenzi Bassi et al.: Autoimmune thyroid diseases and Helicobacter pylori: The correlation is present only in Graves’s [sic!] disease. World J Gastroenterol 18/10, 2012, 1093-1097, doi: 10.3748/wjg.v18.i10.1093 (Open Access)

[Bewertung vorweg: gute Arbeit zu Unterschieden zwischen den beiden wichtigsten Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis), zur Möglichkeit von Kreuzreaktionen/molekularer Mimikry und zu Th1 vs. Th2. Ob H.-pylori-Infektionen Morbus Basedow wirklich fördern oder eher ein Epiphänomen der Autoimmunerkrankung sind, bleibt letztlich offen.]

Abstract: 112 PatientInnen (48 Frauen und 4 Männer mit M. Basedow, 54 Frauen und 6 Männer mit Hashimoto-Th.) unmittelbar nach der Diagnose; Test auf H. pylori in frischen Stuhlproben und bei Hinweisen auf eine laufende Infektion ELISA-Analyse des Serums auf Gegenwart der besonders aggressiven Cag-A-Stämme des Magenbakteriums. Signifikante Korrelation zwischen Gegenwart von H. pylori bei M. Basedow, nicht aber Hashimoto-Thyreoiditis.   Weiterlesen