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Schädliche Antioxidantien: Vitamin E und Vitamin C verkürzen das Leben wilder Erdmäuse

Ein weiterer wissenschaftlicher Artikel, der mit vermeintlichen Gewissheiten aufräumt – und gut zu dem aktuellen Artikel in The Atlantic passt:

Selman et al.: Deleterious consequences of antioxidant supplementation on lifespan in a wild-derived mammal (2013)

In den letzten Jahrzehnten hat die Freie-Radikale-Theorie des Alterns weite Verbeitung gefunden. Ihr zufolge schädigen freie Radikale, vor allem reaktive Sauerstoffspecies, die Proteine, Fette und DNA der Zellen, und diese Schäden nehmen mit dem Alter zu. Antioxidantien wie Vitamin C oder Vitamin E sollen als Nahrungsergänzungsmittel diesen Prozess bremsen. Die Autoren haben in früheren Experimenten Labormäuse ein Leben lang mit Vitamin E versorgt und auf diese Weise deren Lebensspanne gegenüber der Kontrollgruppe verlängert. Bezüglich des Effekts beim Menschen liegen widersprüchliche Studienergebnisse vor.

Nun haben die Autoren anstelle von Labormäusen Erdmäuse aus einer Wildpopulation verwendet, diesen mit ihrer Nahrung Vitamin C bzw. Vitamin E verabreicht und sie bei 7 °C bzw. bei 22 °C gehalten, um zu prüfen, ob die erhöhte Stoffwechselrate in kühler Umgebung den Effekt der Antioxidantien auf die Lebensdauer beeinflusst. Sie erwarteten längere mittlere Lebensspannen bei einer Supplementierung – und mussten überrascht das Gegenteil feststellen: Sowohl bei kühler als auch bei warmer Umgebung lebten die supplementierten Erdmäuse erheblich kürzer als die Erdmäuse aus den Kontrollgruppen (Mediane bei 7 °C: Vit. C 353 Tage, Vit. E 424 Tage, Kontolle 477 Tage; bei 22 °C: Vit. C 303 Tage, Vit. E 305 Tage, Kontrolle 368 Tage).

Bei Kühle wogen mit Vitamin E supplementierte Erdmäuse bei identischer täglicher Nahrungsaufnahme im Alter von 11 Monaten deutlich mehr als die Kontrolltiere. Insgesamt fraßen die Mäuse bei Kühle wegen des erhöhten Stoffwechselumsatzes erwartungsgemäß mehr als bei Wärme. Sowohl bei Vitamin-C- als auch bei Vitamin-E-Supplementierung waren bei beiden Umgebungstemperaturen nicht etwa weniger, sondern etwas mehr oxidative DNA-Schäden in den Lymphozyten und in den Hepatozyten zu verzeichnen als in der Kontrollgruppe (statistisch nicht signifikant).

Die Gründe für den unterschiedlichen Ausgang des Experiments an Labormäusen und an Erdmäusen sind derzeit unbekannt. Neben dem lebensverkürzenden Effekt der Antioxidantien verblüfft im neuen Experiment auch die längere mittlere Lebensspanne bei Kälte – gilt eine hohe Stoffwechselrate doch eigentlich als lebensverkürzend.