Zwei Artikel über „soziale Immunität“

Teil einer Ameisenkolonie

Vorweg: In den letzten Wochen habe ich sehr viel Fachliteratur durchgearbeitet, aber mir fehlt die Zeit, diese Artikel hier ausführlich vorzustellen. Daher gehe ich dazu über, nur die Abstracts zusammenzufassen und mehrere solcher Zusammenfassungen zu jeweils einem Blogartikel zu kombinieren. So hoffe ich den Rückstand aufzuholen und das Gelesene für mich selbst und ggf. weitere Interessenten leichter zugänglich zu machen.

 

S. C. Cotter und R. M. Kilner: Personal immunity versus social immunity. Behavioral Ecology (2010) 21(4): 663-668. doi: 10.1093/beheco/arq070

[Leider kein Abstract, daher flüchtige Zusammenfassung des ganzen Artikels]

Neben inneren/internen Immunantworten auf Pathogene gibt es äußerliche/externe Immunreaktionen wie die Absonderung antimikrobieller Sekrete, mit denen z. B. Vögel ihr Gefieder imprägnieren.

Nicht nur das Individuum kann von Immunantworten profitieren, sondern auch andere, z. B. Nachkommen oder reproduktionsfähige Verwandte. Eine solche „soziale Immunität“ kommt in Tierfamilien und -herden, bei subsozialen und sozialen Insekten, sozialen Mikroben und einigen Primaten vor, die in Gruppen leben.

Die Autoren fassen den Begriff „soziale Immunität“ weiter als Cremer et al., die ihn 2007 geprägt haben (s. u.). Sogar Mikroben wie Staphylococcus aureus können Substanzen absondern, die nicht nur die sie produzierenden Zellen, sondern auch benachbarte, nicht produzierende Zellen vor Antibiotika schützen.

Ein Individuum, das mehr Energie in die soziale Immunität investiert, hat weniger Energie für die persönliche Immunität übrig. Wie es seine Ressourcen zwischen diesen beiden Arten der Immunität aufteilt, dürfte von Faktoren wie Fortpflanzungsstrategie, Geschlecht, Alter, Lebenserwartung, Pathogendruck usw. abhängen.

Die Autoren schlagen z. B. Untersuchungen an Arten vor, bei denen eines der Geschlechter üblicherweise seine Familie oder Gruppe verlässt und sich der Gruppe des Partners anschließt: Für dieses Geschlecht könnte es ökonomischer sein, mehr in die individuelle Immunität zu investieren, da Investitionen in die soziale Immunität primär nicht mit ihm verwandten Organismen zugute käme.

Die Autoren stellen zudem die evolutionsbiologische Frage, ob die hohen Kosten für die soziale Immunität von Kolonien eusozialer Insekten die Ursache für die Sterilität der Arbeiterinnen sein könnte.

Sylvia Cremer und Michael Sixt: Analogies in the evolution of individual and social immunity. Phil. Trans. R. Soc. B 12 January 2009 vol. 364 no. 1513 129-142. doi: 10.1098/rstb.2008.0166

Cremer und Sixt vergleichen die Parasitenabwehr bei vielzelligen Organismen und bei eusozialen Insektenkolonien (die Zellen eines Vielzellers entsprechen dabei den „Individuen“ einer Kolonie) und finden viele Parallelen. Die Abwehr läuft in beiden Fällen dreistufig ab: 1. „Grenzkontrollen“, die ein Eindringen der Parasiten verhindern sollen (z. B. Haut, antimikrobielle Sekrete), 2. Abwehrmechanismen im Inneren des Körpers bzw. der Kolonie, die eine Ausbreitung zwischen den Zellen/Arbeiterinnen verhindern sollen, und 3. Verteidigung der Keimbahn, also Schutz der reproduktiven Gewebe bzw. der Königin.

In beiden Fällen gibt es raffinierte Mechanismen zur Unterscheidung zwischen Selbst und Nichtselbst, die den Erhalt des Organismus bzw. des Superorganismus gewährleisten. Auch die Regulierung der Immunantwort und die Frage, wie die Evolution die einzelnen Komponenten der Immunantworten prägt, werden behandelt. Auf diese Weise versuchen die Autoren die physiologische und die ökologische Immunologie zu verknüpfen.

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