Crowdfunding-Kampagnen funktionieren dann gut, wenn sie den „Wow-Faktor“ haben: Man stößt auf ein Projekt (bzw. wird darauf gestoßen), überfliegt die Beschreibung oder schaut sich das kurze Video an und denkt: Ja klar! Toll. Eigentlich logisch. Dass es das noch nicht gibt – seltsam. Und schade! Also zückt man die Kreditkarte, um seinen Beitrag zur Realisierung zu leisten.
Vor zwei Wochen hat mich ein Kickstarter-Projekt auf Anhieb so stark angesprochen, dass ich eine riesige Kröste geschluckt und mir wieder einen Amazon-Account zugelegt habe, um es unterstützen zu können. (Anlass der Accountlöschung war das Verhalten von Amazon damals in der Wikileaks-Affäre.)
Tomorrow Can Wait soll ein Buch werden, in dem ein deutsch-amerikanisches Paar beschreibt, wie es mit seinem autistischen Kind durch Europa gereist ist. Was mich spontan so stark angesprochen hat, sind der nüchterne Tonfall und die realistische Einschätzung der Lage, die weder schöngeredet noch übertrieben dramatisiert wird:
The perception of life with autism is still widely dominated by two narratives. On the one hand, there are the unrealistic “tales of overcoming.” As soothing as they might be for society, they tend to throw the affected families into a nerve-wracking, never-ending search for cure. On the other hand, there are the “tales of desperation”, which try to counter the unrealistic perspective, but themselves also get caught in a hopeless position. With our text, we would like to search for a middle ground: a realistic look at a multi-faceted life in which we fully accept autism as a life-long condition, and in which we experience both struggle and difficulties, as well as pleasure and happiness.
In 30 Tagen 6000 US-Dollar einzusammeln, ist ambitioniert, aber nicht unrealistisch. Im Moment scheinen Scott und Monika etwas Sorge zu haben, ob es klappt. In ihrem Blog machen sie sich Gedanken darüber, warum die Kampagne bislang überwiegend von Deutschen unterstützt wird und in den USA kaum Resonanz gefunden hat, obwohl es dort etliche Autismus-Blog und -Initiativen gibt. Beim Autoimmunbuch habe ich vor einem Jahr die Erfahrung gemacht, dass sich Betroffenen-Foren und -Organisationen – wenn überhaupt – nur sehr zögerlich für Crowdfunding-Kampagnen öffnen. Das ist verständlich, wenn man an all die Wunderheiler und Pillenverkäufer denkt, die sich da draußen herumtreiben.
Dennoch bin ich zuversichtlich. 109 Unterstützer haben die beiden schon; so groß war meine Autoimmunbuch-Crowd nach 90 Tagen! Und ich finde nach wie vor, dass etliche Menschen – nicht nur Eltern autistischer Kinder – aus einem solchen Buch viel über unsere Gesellschaft lernen könnten.
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