Kurzbesprechung: gutes Buch.
Etwas länger: Im Dezember 2014 habe ich hier einige immunologische Lehrbücher vorgestellt. Mit dem „Janeway’s“ bin ich nie recht warm geworden, und die mir vorliegende 7. Auflage ist hoffnungslos veraltet. Um mich terminologisch und konzeptionell auf den neusten Stand zu bringen, habe ich mir die Ende 2014 (laut Verlagswebsite) bzw. Anfang 2015 (laut Impressum) erschienene 4. Auflage von Peter Parhams „The Immune System“ zugelegt – mit nicht allzu hohen Erwartungen, da dieses Werk auf dem ebenfalls bei Garland Science verlegten „Janeway’s“ basiert. Es richtet sich an Studentinnen und Studenten, die die Immunologie nicht zu ihrem Schwerpunkt machen wollen, und kommt daher mit gut 500 Seiten plus Anhang schlanker daher.
In Rezensionen der Vorauflage wurde der Aufbau kritisiert, den ich auch beim „Janeway’s“ verwirrend fand. Aber die mir vorliegende 4. Auflage ist einleuchtend gegliedert. Zahlreiche klare Abbildungen und Tabellen erleichtern das Verständnis und die Einordnung des Stoffs. Der Härtetest: Lässt sich der Parham als Hauptinformationsquelle für die Anlage und Überarbeitung immunologischer Wikipedia-Artikel verwenden? Ja, das funktioniert – und das lässt sich von meinen anderen Lehrbüchern nicht behaupten.
Wie viel sich in der Immunologie in den letzten Jahren getan und wie sehr sich das Verständnis der Autoimmunerkrankungen weiterentwickelt hat, zeigt der Umstand, dass im Parham auch der Diabetes mellitus vom Typ 2 als Autoimmunerkrankung bezeichnet wird. (Typ-2-Diabetes gehört zu den Typ-II-Autoimmunreaktionen, bei denen Autoantikörper Antigene auf Zelloberflächen angreifen, hier: den Insulinrezeptor. Typ-1-Diabetes zählt dagegen zu den Typ-IV-Autoimmunerkrankungen, bei denen autoreaktive T-Zellen körpereigene Strukturen angreifen, hier: die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse.)
Was das Werk leider kaum leisten kann: mir beim Weiterschreiben des Autoimmunbuchs terminologisch auf die Sprünge helfen. Wie ich die ILCs, die innate lymphoid cells, auf Deutsch nennen soll, weiß ich zum Beispiel immer noch nicht. Es gibt schlicht noch keine etablierte Eindeutschung – und nach wie vor kein gutes und aktuelles deutsches Lehrbuch der Immunologie.
Das bedaure ich einerseits sehr. Andererseits nimmt es Druck von meinen Schultern: Offenbar ist es nicht leicht, ein solches Buch zu schreiben, da das Feld permanent im Umbruch ist – und zwar stärker als andere Zweige der Biologie und der Medizin. Kein Wunder, dass ich mich mit dem Autoimmunbuch schwer tue. Nichtsdestoweniger setze ich mich jetzt, nach einer viel zu langen Phase beruflicher Hochlast, wieder an das Manuskript. Ich würde gerne bis zum Urlaub, also bis Mitte August, Teil 4 von 5 des Manuskripts zumindest in der Rohform abschließen: ein verdammt ambitioniertes Ziel, das ich wahrscheinlich verfehlen werde. „Schöner scheitern“, 4. Auflage.