Neben der zentralen biologischen Uhr im Hypothalamus schwingen auch im restlichen Körper viele Vorgänge im 24-Stunden-Takt. Dank dieser lokalen Uhren, die regelmäßig durch Impulse aus dem Hypothalamus synchronisiert werden, können sich Zellen und Organe auf regelmäßig wiederkehrende Situationen einstellen. Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) dienen z. B. der Bekämpfung von Pathogenen, die zumeist tagsüber während unserer aktiven Phase in den Körper eindringen.
In Abb. 223 zeigen die Halbkreise die Tageszeit an: morgens, mittags, abends, nachts. Die obere Hälfte der vier Rechtecke stellt jeweils den Zellkern dar, die untere Hälfte das Zytoplasma, also den Zellbereich außerhalb des Kerns. Die Darstellung ist extrem vereinfacht; tatsächlich gibt es z. B. noch mehr Uhrgene, die der Stabilisierung des Rhythmus dienen.
Morgens werden die Uhrgene per, cry und ror abgelesen: Das Protein BMAL/CLOCK (die Uhr) hat an sie angedockt und fördert ihre Transkription. Außerdem fördert es die Ablesung zahlreicher weiterer Gene, der sogenannten clock-controlled genes oder CCGs. In NK-Zellen sind das zum Beispiel Gene, deren Produkte für die Pathogenbekämpfung nötig sind. Die neuen mRNA-Stränge wandern aus dem Zellkern ins Zytoplasma und werden dort von Ribosomen in Empfang genommen. Diese Proteinfabriken setzen anhand der Bauanleitung in der mRNA Aminosäuren zu neuen Proteinen zusammen.
Mittags haben die NK-Zellen große Mengen der Proteine hergestellt. Einen Teil scheiden die Zellen aus, um Viren, Bakterien und Krebszellen auszuschalten – zum Beispiel Giftstoffe aus ihren Granula (den Membranbläschen) oder Botenstoffe. Die Proteine PER und CRY lagern sich dagegen zusammen, werden aktiviert und wandern – wie auch das Protein ROR – in den Zellkern ein. Diese Proteine sind Transkriptionsfaktoren; sie beeinflussen also die Ablesung von Genen, genau wie BMAL/CLOCK.
Abends werden die morgens fleißig transkribierten Gene nicht mehr abgelesen, da PER/CRY (Ampel) die Aktivierung durch BMAL/CLOCK (Uhr) unterbindet. Der Transkriptionsfaktor ROR hat dagegen an eine Sequenz vor dem Gen bmal gebunden und dessen Ablesung eingeschaltet. Er zieht gewissermaßen die Zelluhr auf (Schlüssel). Die bmal-mRNA wandert ins Zytoplasma zu den Ribosomen.
Nachts haben die NK-Zellen so viel BMAL hergestellt, dass es sich mit seinem langlebigen Partner CLOCK zusammenlagern kann. Das Protein tritt in den Zellkern über und ersetzt dort alte, nicht mehr funktionstüchtige BMAL/CLOCK-Einheiten. PER/CRY hat ausgedient und wird von Enzymkomplexen, sogenannten Proteasomen, abgebaut (Hammer).
Damit schließt sich der Kreis. So werden gefährliche Wirkstoffe, deren Herstellung zudem viel Energie verbraucht, jeden Tag »just in time« produziert: dann, wenn Pathogene in unseren Körper eindringen.
Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de