Mikrobiom und Autoimmunerkrankungen, I

Zusammenfassung des AIE-Aspekts der Arbeit:

Yun Kyung Lee und Sarkis K. Mazmanian: Has the microbiota played a critical role in the evolution of the adaptive immune system? Science 330(6012), 2010, doi: 10.1126/science.1195568

Außer den natürlichen Tregs (CD4+Foxp3+-T-Zellen aus dem Thymus) entstehen imVerdauungstrakt auch induzierbare Tregs aus naiven T-Zellen; einige davon produzieren entzündungshemmendes IL-10. Darmbakterien können an der Differenzierung einiger dieser Tregs beteiligt sein. Kommensalen wie Bifidobacterium infantis und Faecalibacerium prausnitzii können auch Foxp3+-Tregs und die IL-10-Produktion im Darm anregen – vermutlich, um in der Schleimhaut Toleranz zu induzieren.  

Die rasche Zunahme von AIE wie MS, Typ-1-Diabetes und rheumatoider Arthritis in den letzten Jahren deutet auf eine Deregulierung des Immunsystems durch Umweltveränderungen hin. Unsere Kost und damit unsere Mikrobiom-Zusammensetzung sind gute Kandidaten. Dysbiose = unnatürliche veränderte Mikrobiomzusammensetzung. Beim Menschen steht der Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Dysbiose und AIE aus; bei Mäusen gibt es klare Belege: Polysaccharid A (PSA) aus Bacteroides fragilis kann bei ihnen nicht nur experimentelle Colitis verhindern, sondern auch EAE (Tiermodell für MS) verhindern und heilen (sic! „and cure“). Orale PSA-Gaben hemmen die Th17-Entwicklung und erhöhen die Treg-Zahlen im ZNS. Entzündungsreaktionen bei RA und EAE werden durch die für die Abwehr extrazellulärer Darmschleimhaut-Pathogene wichtigen Th17-Zellen verstärkt und durch Tregs verhindert, was darauf hindeutet, dass die Wirkung der Darmbakterien auf die adaptive Immunabwehr weit über den Verdauungstrakt hinaus reicht. [Siehe auch Ganal et al. 2012!]

Abb. 2: Wippenmodell, dem zufolge Autoimmunität aus genetischen Prädispositionen und Mikrobiom-Veränderungen resultiert. Genetische Landschaft (AIE-spezifische Mutationen) erhöht die Gefahr von Selbstreaktivität, aber solange Tregs und Th17-Zellen im Gleichgewicht sind, passiert noch nichts. Bestimmte Darmbakterien fördern die Erkrankung durch Aktivierung der adaptiven Immunabwehr. Andere Bakterien könnten im Lauf der Evolution „gelernt“ haben, die Ausbildung von Tregs und damit die Toleranz der Schleimhaut gegenüber Antigenen zu fördern, um ihren Lebensraum zu sichern oder auszuweiten. Wenn entzündungsfördernde Bakterien wie segmentierte filamentöse Bakterien (SFB) die Oberhand gewinnen, entstehen mehr Th17-Zellen -> AIE; wenn es zu wenig entzündungshemmende Bakterien wie B. fragilis gibt, entstehen zu wenig Tregs -> ebenfalls AIE.

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