Diese Studie liefert ein Beispiel für die enge Verzahnung von Sinnes- bzw. Nerven- und Immunsystem, die auch bei der Untersuchung psychischer Störungen immer stärker in den Fokus rückt. (Bei vielen dieser Störungen hat man mittlerweile Autoimmunreaktionen nachgewiesen.)
Die Autoren haben „Balzgesänge“ von Männchen zweier Drosophila-Arten (D. melanogaster und D. simulans) aufgenommen und untersucht, wie diese Aufnahmen die Genexpression in Weibchen der Art D. melanogaster beeinflussen. Die „Balzgesänge“ — rhythmische Tonfolgen, die die Männchen mit ihren Flügeln erzeugen— sind neben olfaktorischen, haptischen und optischen Reizen ein wesentliches Element der Paarungsanbahnung bei Taufliegen.
Die Expression einer Reihe von Genen wurde teils hoch-, teils herunterreguliert, wenn die Antennen der Weibchen über längere Zeit durch die „Gesänge“ in Schwingung versetzt wurden. Dabei wirkten die arteigenen Gesänge stärker als die artfremden. Etliche der Genprodukte, deren Produktion moderat, aber signifgikant erhöht wurde, haben Funktionen in der Geruchswahrnehmung, in der neuronalen Signalverarbeitung und im Immunsystem. Die Expression zweier dieser Immunsystem-Gene aus der Turandot-Genfamilie, TotM und TotC, blieb nach einem 5-minütigen Gesang unverändert, wurde aber durch einen 15-minütigen Gesang gesteigert. Diese verstärkte Produktion von Substanzen, die zur humoralen Immunreaktion und Stressabwehr gehören, lässt sich als Vorbereitung auf das steigende Infektionsrisiko bei einer Paarung interpretieren.
Die Arbeit zeigt, dass auch nichtchemische Umweltreize wie der Balzgesang potenzieller Paarungspartner innerhalb weniger Minuten die Regulierung des Immunsystems verändern können — vermutlich vermittelt über das Nervensystem. Der Organismus kann sich so auf kommende Belastungen vorbereiten.