Anlässlich eines aktuellen Spiegel-Artikels zum Thema veröffentliche ich meinen 2001 im Skeptiker erschienenen Artikel, der bei der GWUP leider nicht mehr auffindbar ist, hier erneut. Zusätzliche Belege und Infos über die Unterlassungserklärung, die ich abgeben sollte, finden sich bei der GWUP (2. Link).
Wer den gesetzten Artikel einschließlich der Bilder lesen möchte, findet hier das PDF des damaligen Sonderdrucks.
Sonnenhut in Buchenwald
Alternativmedizinische Forschungsprojekte und Menschenversuche im „Dritten Reich“
Der Schulmedizin-Gegner Himmler förderte im „Dritten Reich“ die Alternativmedizin nach Kräften. In diesem Beitrag werden drei solcher Forschungsprojekte beschrieben: die Behandlung von schweren Infektionen mit homöopathischen Mineralsalzen im Konzentrationslager Dachau, die Behandlung von Phosphor-Brandwunden mit Echinacea-Präparaten der Firma Madaus im Konzentrationslager Buchenwald sowie das Massensterilisationsvorhaben mit Caladium seguinum, ebenfalls in Zusammenhang mit der Firma Madaus. Anschließend wird die mühsame rechtliche Aufarbeitung des Sterilisationsprojektes im Nürnberger Ärzteprozess dargestellt, die unter der Uneinigkeit der Gutachter, der mangelnden Differenzierung zwischen Phytomedizin und Homöopathie sowie den Kommunikationsproblemen zwischen Wissenschaftlern und Juristen litt.
Während die chemisch-pharmazeutische Industrie ihre Rolle im Nationalsozialismus mittlerweile – nach massiven Anstößen von außen – ansatzweise aufgearbeitet hat, ist es um die Geschichte alternativmedizinischer Firmen und Organisationen zwischen 1933 und 1945 immer noch recht still. [1] So liest sich dieser Abschnitt der Firmengeschichte der phytopharmazeutischen Madaus AG auf deren Homepage wie folgt: „1934: Dr. med. G. Madaus erschließt neue technische Wege zur Aufbereitung frischer Arzneipflanzen. 1935: Gründung des Biologischen Institutes zur Erforschung von Arzneipflanzenwirkstoffen. 1938: Das pflanzliche Immunstimulans ECHINACIN wird eingeführt, das auf Echinacea purpurea aufbaut. Das dreibändige ‘Lehrbuch der biologischen Heilmittel’ von Dr. Gerhard Madaus erscheint. Großer Neubau für Produktion und Verwaltung in Radebeul. 1939: Zur Segmenttherapie bei Arthrosen … wird PLENOSOL eingeführt. 1942: Zur Behandlung der Schilddrüsen-Überfunktion wird LYCOCYN eingeführt. 1944/45: Weitgehende Vernichtung der Zweigniederlassungen … durch Kriegseinwirkungen“ [2]
Dass das Unternehmen in dieser Zeit in zwei nationalsozialistische Forschungsprojekte verstrickt war, erfährt man weder hier noch in den historischen Rückblicken in Jubiläumsfestschriften noch in einer Dissertation über den Firmengründer Dr. Gerhard Madaus, die von einem Firmenmitarbeiter verfasst wurde. [3] Der Begriff „Verstrickung“ soll hier wohlgemerkt keine Schuldhaftigkeit unterstellen; jedoch hat die Firma m.E. die Schuldigkeit, diese Vorgänge aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Heilkunde unter Himmler
Im Jahre 1925 machte Dr. med. Gerhard Madaus, der 1919 gemeinsam mit seinen Brüdern Friedemund und Hans die Firma „Dr. Madaus & Co., Pharmazeutisches Laboratorium“ gegründet hatte, bei einem Vortag in Köln seinem Ärger über die Schulmedizin Luft: „So betrachten wir die Heilkunde, die Heilkunst im weiteren Sinne, also einschließlich der Volksgesundheitslehre, nicht nur als eine ärztliche Aufgabe, sondern als eine Volksaufgabe, ja als eine Schicksalsfrage … Unser Gegensatz zur heutigen Staats- und Zunftsmedizin geht allerdings aus dieser Aufassung klar hervor. … Wir fühlen uns geradezu im Brennpunkt des großen Kampfes zwischen den Geistern der Finsternis und dem Prinzip der Wahrheit und des Lichtes, der Sklaverei mit der Freiheit. Die Zuversicht, dass nach Finsternis Licht, nach der Nacht der Morgen anbrechen muß, gibt uns Hoffnungen, dass unsere Arbeit nicht vergeblich sein wird.“ [4]
Wenige Jahre später brach sie an, die Morgendämmerung der Paramedizin – wenn auch sicher nicht im Sinne Madaus’: Reichsführer-SS Heinrich Himmler (Abb. 1), ein erklärter Gegner der chemisch-pharmazeutischen Industrie, nutze seine Machtstellung zur vermeintlichen Revitalisierung der Medizin durch die Einbindung revolutionärer Neuerungen und die Reaktivierung verschütteten Volksheilwissens. Sein Leibarzt, Prof. Karl Gebhardt (Oberster Kliniker beim Reichsarzt-SS), beschrieb Himmlers krudes Wissenschaftsbild später wie folgt: „Es gab nun eine gewisse Gruppe im Dritten Reich, Menschen wie Himmler, Heß, die ausgesprochen der Auffassung waren, dass auf diesem müden bürgerlichen Boden nichts Neues, Aktives mehr entstehen könnte, und man müsste daneben, so ganz auf die jungen, verschütteten Talente fußend, die neuen Wege suchen. … Himmler – wenn ich mit einem Wort sagen darf, was ich oft andeutete – war ein Anhänger einer wild gewordenen, falsch verstandenen Antike. Während die ganze moderne Entwicklung lauter Spezialistentum ist, einzelne Fächer, einzelne Fakultäten, hatte er die Vorstellung der Universitas – und das war dieser Freundeskreis und Wehrmedizinisches Institut und ‘Ahnenerbe’, ich weiß gar nicht, wie das alles hieß. … und in diesen Ausschüssen waren … Physiker, Ärzte und Naturheilkundige und alles mögliche, und aus diesen schöpfte er relativ viel Gutes und auch sehr viel Schlechtes.“ [5]
Zu den wissenschaftlichen Außenseitern, die nun zum Zuge kamen, gehörten zum Beispiel der Krebs-Wunderheiler Arthur Imhausen und der dänische Arzt Carl Peter Jensen alias Dr. med. Carl Vaernet, der behauptete, eine „künstliche Drüse“ für männliche und weibliche Sexualhormone geschaffen zu haben. [6] In Dachau entstand Europas größtes Heilpflanzeninstitut, das interdisziplinär angelegte „Institut für Ernährung und Heilpflanzenkunde“, in dem die „alten verschütteten Volksheilmittel“ zu neuen Ehren kommen sollten. [7] Sobald mit den Insassen der Konzentrationslager reichlich Menschenmaterial zur Verfügung stand, wurden homöopathische Zubereitungen sowie Pflanzenpräprate aus der Volksheilkunde auch an Menschen erprobt – mit teilweise tödlichen Folgen.
Tödliche Mineralsalz-Versuche in Dachau
Im Krankenrevier des Konzentrationslagers Dachau wurde Mitte 1942 eine zunächst 20 Betten fassende „Biochemische Versuchsstation“ eröffnet, die von Dr. Heinrich Schütz geleitet wurde. Unter „Biochemie“ verstand man etwas völlig anderes als wir heute: Es handelte sich um ein paramedizinisches System, dem zufolge Krankheiten auf einer Störung der Gewebesalze in den Körperzellen beruhen und durch Zufuhr der fehlenden Salze in homöopathischer Dosierung geheilt werden können. Dies sollte auch für Viren- und Bakterieninfektionen gelten. Zwar galt die Biochemie den Nationalsozialisten anfangs als verdächtig, da dem „Biochemischen Bund Deutschlands“ viele Juden angehörten (1933 waren die drei Madaus-Brüder wegen ihrer Geschäftsbeziehungen zu diesem Verband – „Judenversippung“ – sogar kurzfristig in Haft geraten [8]); im Mai 1942 jedoch beschlossen Himmler, Gebhardt, der Reichsarzt-SS Dr. Ernst Grawitz und Arthur Nebe, der Leiter des Reichskriminalpolizeiamtes, die Erprobung „biochemischer“ Mineralsalze als Alternative zu den schulmedizinisch angezeigten Sulfonamiden bei schweren eitrigen Infektionen, Blutvergiftung sowie weiteren Erkrankungen, bei denen diese Mittel der biochemischen Literatur zufolge anschlagen sollten – darunter Malaria und chronischer Ischias. [9]
Am 29. 8. 1942 berichtete Dr. Grawitz an seinen Vorgesetzten Himmler: „Im SS-Lazarett Dachau wurden in der Berichtzeit folgende 40 Fälle mit biochemischen Mitteln behandelt. … Zur Anwendung kamen nach den Heilmittelanzeigen der Biochemie je nach Lage des Falles folgende Mittel: Kalium phosphoricum D6, Ferrum phosphoricum D6 u. D12, Silicium D6, … [sechs weitere Salze in D6]. Die Sepsisfälle wurden zum größten Teil künstlich gesetzt. Als bisheriges Ergebnis ist zunächst festzustellen, dass der ungünstige Verlauf bei kaum einer der schweren Erkrankungen durch die biochemischen Mittel aufgehalten werden konnte. Sämtliche Sepsisfälle kamen ad exitum. Die Malariafälle blieben völlig unbeeinflusst. … Bemerkenswert ist auch, dass von allen Schwerkranken nach kurzer Zeit die Einnahme der biochemischen Tabletten energisch abgelehnt wurde, weil es für sie eine Quälerei bedeutete, alle 5 Minuten, auch nachts, das Mittel einzunehmen. Abschließend ist zu sagen, dass bei einer Gesamtzahl von 40 Fällen einem positiven Fall und 4 mit Vorbehalt als positiv zu wertenden Fällen 35 Versager gegenüberstehen, von denen 10 tödlich ausgegangen sind.“ [10]
Der Misserfolg führte keineswegs zum Abbruch der Versuchsreihe. Vielmehr schrieb Himmler am 11. 9. 1942 an Grawitz, der Hinweis, die Kranken lehnten die Einnahme der Tabletten ab, zeige ihm, dass Grawitz sich vor einer unangenehmen Aufgabe zu drücken versuche. „Ich bin der Überzeugung, dass Sie, der Sie selbst den Titel Professor bekommen haben und ihn, wenn ich nicht irre, sehr gerne gebrauchen, bei diesen Versuchen die Möglichkeit hätten, Ihren wissenschaftlichen Beitrag zu leisten und das Fundament für diesen Professorentitel nachträglich zu legen.“ Himmler weiter: „Eine Anzahl Leute vertrauen auf uns in dem Glauben, bei der SS eine Organisation zu finden, die sich noch nicht den chemischen Trusts gebeugt hat, sondern noch wissenschaftlich forscht. … Der Brief soll Sie nicht veranlassen, dass Sie stundenlang sich die Frage vorlegen, ob ich Sie als Reichsarzt-SS absetzen oder ersetzen will. Er hat die einzige Absicht, Sie zu veranlassen, nunmehr nach Jahren Ihren Hauptfehler, Ihre Eitelkeit, abzulegen und wirklich ernsthaft und mit Zivilcourage an alle ihre Aufgaben, auch an die unangenehmsten, heranzugehen …“ [11]
Man beschloss, den erfahrenden Biochemiker Dr. Rudolf Kießwetter aus Magdeburg hinzuzuziehen, und im November 1942 liefen in Dachau zwei weitere Testreihen mit je 20 Personen an. Ein Detail erhellt, was sich hinter der nüchternen Formulierung „künstlich gesetzte Sepsis“ verbirgt: Den zuvor gesunden Versuchspersonen wurde ein „Medikament“ namens „Purolin“ injiziert – in Wahrheit vor Erregern wimmelnder Eiter aus den Entzündungsherden anderer Patienten. [12] Homöopathische Mineralsalzpräparate vermochten den tödlichen Verlauf der Blutvergiftungen nicht aufzuhalten, und die Zermürbung durch den nächtlichen Schlafentzug dürfte den qualvollen Tod noch beschleunigt haben.
Neben diesem groß angelegten homöopathischen Wahnsinn nehmen sich die beiden Projekte, an denen die Firma Madaus mitwirkte, geradezu harmlos aus. Dabei war ihre wissenschaftliche Grundlage solider als bei der biochemischen Mineralsalz-Therapie: In beiden Fällen sollten – in allopathischer Dosierung – Pflanzen zu Anwendung kommen, die in der Volksheilkunde als Heil- bzw. Unheilmittel angesehen wurden. Um die Position der Firma Madaus auf dem damaligen Heilmittelmarkt zu erfassen, soll der Blick zunächst auf ihren Gründer gerichtet werden.
Die „biologische Heilkunde“ des Gerhard Madaus
Die Hinwendung Gerhard Madaus’ zur Naturheilkunde und seine Distanz zur Schulmedizin speisten sich aus zwei persönlichen Erfahrungen: Emanuel Leopold Felke, evangelischer Pfarrer und Anfang des 20. Jahrhunderts einer der bekanntesten deutschen Naturheilkundigen, behandelte erfolgreich die Kinderlähmung seines Bruders Hans, bei der schulmedizinische Therapien zuvor scheinbar nicht angeschlagen hatten. „Lehmpastor“ Felke (1856-1926) – so genannt wegen seiner Vorliebe für Lehmpackungen und -umschläge – war an der Entwicklung der Komplextherapie und der Irisdiagnose beteiligt. Magdalene Madaus (1857-1925), die Mutter von Gerhard, Hans und Friedemund, wurde seine Schülerin und etablierte eines der ersten homöopathischen Komplexheilmittelsyteme in Deutschland. Auch die Irisdiagnose wurde von ihr und ihrer Tochter Eva Flink weiter gepflegt – eine Tradition, die bis heute im so genannten „Uslarer Kreis“ fortlebt. [13]
Im ersten Weltkrieg als Truppenarzt verpflichtet, erlebte Gerhard Madaus das Scheitern der schulmedizinischen Seuchenprophylaxe durch Typhus- und Cholera- Impfungen. Die Impfschäden, die er dabei zu Gesicht bekam, machten ihn zum vehementen Impfgegner. Von da an lehnte er jede staatliche Bevormundung auf den Gebieten Arzneimittelbehandlung und Hygiene entschieden ab. So unterstellte er, als 1927 ein Gesetzentwurf zur Zwangsbehandlung von Geschlechtskranken diskutiert wurde, dem Gesetzgeber einen verwerflichen Pakt mit der chemischen Großindustrie (insbesondere mit den Hoechster Farbwerken, die zur I. G. Farbenindustrie AG gehörten), bei dem die Risiken der Behandlung mit Salvarsan unter den Tisch gekehrt würden. [14]
Nach seinem Medizinstudium gründete Gerhard Madaus 1919 mit seinen beiden Brüdern die Firma, die 1929 bis 1944 in Radebeul bei Dresden ansässig war. Seine so genannte „biologische Medizin“ grenzte Madaus 1938 im „Lehrbuch der biologischen Heilmittel“ wie folgt gegen die Homöopathie ab: „Während die Homöopathie sich bemüht, durch unterschwellige Reize spezifisch wirkender Heilmittel die Krankheitszeichen nicht zu dämpfen, sondern zu unterstützen …, erstrebt die biologische Medizin oftmals auch bewusst Anwendung eines oberschwelligen Reizes, um damit die Abwehrstoffbildung und die Resistenzsteigerung zu erzielen.“ [15] Dieser Reizberiff geht auf Madaus’ akademischen Lehrer Hugo Schulz (1853-1932) zurück, einen Greifswalder Pharmakologie-Professor, der die „biologische Reizregel“ formuliert hatte: „Kleine Reize fachen die Lebenstätigkeit an, mittelstarke fördern sie, starke hemmen sie und stärkste heben sie auf.“ [16]
Im Unterschied zur Schulmedizin soll die biologische Heilkunde die Selbstheilungskräfte des Körpers fördern, indem sie die anhand der Symptome erkennbaren Störungen des physiologischen Gleichgewichtes nicht dämpft, sondern noch verstärkt. Die Heilmittel sollen der Natur entnommen und bei der Verarbeitung möglichst wenig verändert werden. Um den Wirkstoffverlust zu minimieren, entwickelte Madaus neuartige, „Teep“ (nach „Teepulver“) genannte Frischpflanzenverreibungen, deren Verträglichkeit er von freiwilligen Probanden aus seiner Belegschaft testen ließ. [17]
Hierin folgte Madaus Hahnemann, der seine Essenzen ebenfalls aus Frischpflanzen herstellen ließ. In anderen Punkten distanzierte er sich jedoch von der Homöopathie: Als wissenschaftlich völlig unhaltbar brandmarkte er die aus der Renaissance stammende, volksmedizinische Signaturenlehre, die in den Hahnemannschen Konstitutionstypen fortlebt und der zufolge man zum Beispiel schwächliche oder depressive Menschen, die im übertragenen Sinne den Kopf hängen lassen, mit Präparaten aus Pflanzen mit hängenden Blütenköpfen behandeln soll. Auch die Hochpotenzen lehnte er ab: „Jede Verdünnung hat einmal eine Grenze. Sie ist bedingt durch die Loschmidtsche Zahl. … Wenn die Anhänger der Hochpotenzen mit Überzeugung und zum Teil mit großem Fanatismus die Hochpotenz verteidigen, weil sie immer wieder gute Wirkungen gesehen haben, so muss man ihnen entgegenhalten, dass sie wahrscheinlich wider Willen ausgezeichnete Psychotherapeuten sind, die denselben Heilerfolg auch erzielen würden, wenn sie Leitungswasser oder gar nichts geben würden.“ [18] Und schließlich missachtete Madaus das Hahnemannsche Einzelmittel-Dogma: Die Vorteile der Komplexmittel (in der Firma Oligoplexe genannt) sah er im Vermeiden von Gewöhnungseffekten und in der Steigerung der Empfänglichkeit für eine Arznei duch die Kombination mit weiteren Wirkstoffen. Die Oligolexe sollten die homöopathische Behandlung auch in Kassenpraxen für die einfachen Leute ermöglichen, da bei ihrer Verschreibung die aufwändige Suche nach dem Simillimum entfiel. Jedoch blieb die Oligoplex-Therapie selbst innerhalb der Naturheilkunde-Szene eine Außenseitermethode, sodass sich kaum Kliniken zu pharmakologischen Tests bereit erklärten. [19]
Um die „biologische Heilkunde“ wissenschaftlich zu untermauern und endlich exakte Dosierungsgrundlagen für Arzneipflanzenpräparate zu schaffen, gründete Gerhard Madaus zum Jahreswechsel 1935/36 in Radebeul das „Biologische Institut“, das von seinem Mitarbeiter und Freund Dr. med. et Dr. phil. Friedrich E. Koch geleitet wurde. Durch standardisierte Tierversuche etc. sollte das Ansehen pflanzlicher Arzneien in der Ärzteschaft verbessert werden. [20] Auch in diesem Punkt emanzipierte sich Madaus also von seinen homöopathischen Vorbildern und Lehrern, so von Hugo Schulz, der noch geschrieben hatte: „Vom Menschen kann ich auf den Menschen schließen, der Sprung vom Tier aus nach demselben Ziel führt ins Blaue.“ [21] Die Forschungsergebnisse des Instituts wurden 1938 bis 1941 in den „Madaus-Jahresberichten“ veröffentlicht, die die populärer gehaltenen „Madaus-Jahrbücher“ (1926-1938) ablösten.
Am 26. 2. 1942 starb Gerhard Madaus, der in den letzten Lebensjahren unter Asthma und Diabetes gelitten hatte. Als 1944 die russische Front näher rückte, schafften seine Brüder heimlich wichtige Unterlagen, Rohstoffe und Apparaturen in den Westen. 1945 wurde das Werk in Radebeul enteignet und demontiert; in Köln-Merheim gelang der Firma Madaus 1947 ein Neuanfang. [22]
Über Gerhard Madaus’ Verhältnis zu den Nationalsozialisten sagte seine Tochter Hannelore Zimmer 1989: „Vater war ein völlig unpolitischer Mensch.“ [23] Als Mitglied des „Stahlhelm“, einer Vereinigung von Teilnehmern des Ersten Weltkrieges, wurde er bei dessen Gleichschaltung notgedrungen NSDAP-Mitglied. Er soll nie versucht haben, Mitarbeiter zum Parteibeitritt zu bewegen, und in seiner Firma bzw. dem Biologischen Institut und der Gärtnerei sollen einige Antifaschisten und ehemalige politische Häftlinge gearbeitet haben. [24]
Als „unpolitisch“ kann man ihn allerdings nur bei Anwendung eines engen Politikbegriffs bezeichnen; im weiteren Sinne verstand er sein Eintreten für die „biologische Heilkunde“ sehr wohl als politisch. So zitierte er 1938 in seinem „Lehrbuch der biologischen Heilmittel“ zustimmend eine Passage aus Henry E. Sigerists Werk „Einführung in die Medizin“ (1931), die man in diesem Kontext – obwohl vor 1933 geschrieben – durchaus als Anbiederung Madaus’ an die neuen Herren oder gar als Begeisterung über die neuen Verhältnisse verstehen kann: „Ihr [biol. Medizin – AK] Endziel ist die Schaffung und Erhaltung eines kraftvollen, gesunden Volkes. ‘Der Arzt steht heute am Scheideweg. Wenn er sich gegen die Entwicklung sperrt und einem gestrigen Arztideal nachhängt, wird er abseits gedrängt werden und seine Kräfte nutzlos verschwenden. Anders, wenn er in klarer Erkenntnis der heutigen gesellschaftlichen Forderungen sich freudig in den Dienst eines neuen Arztideals stellt, dessen Umrisse sich immer klarer abzuzeichnen beginnen. Noch nie hat eine Gesellschaft dem Arzt so große Wirkungsmöglichkeiten, ein so weites Arbeitsfeld gegeben wie heute. Wenn je, so kann heute der Arzt zum Staatsmann werden, zum Asklepios politikos Platons.’“ [25]
Die Brandwunden-Experimente mit Echinacea purpurea
Im Biologischen Institut wurden Angaben aus der Volksmedizin verschiedener Kulturkreise auf ihren wahren Kern überpüft. So führte man Versuche an Ratten und Kaninchen durch, um herauszufinden, ob der Sonnenhut (Echinacea, siehe Info-Kasten) tatsächlich die antiseptische Wirkung hat, die ihm die nordamerikanische Volksheilkunde zuschrieb. Nachdem sich dies bestätigt hatte, stellte die Firma Madaus ab 1938 aus Echinacea purpurea, dem Roten Sonnenhut, das Produkt Echinacin® her, das das Immunsstem stimulieren und die Wundheilung beschleunigen soll. [26]
Im zweiten Weltkrieg wurden Brandbomben eingesetzt, die ein Phoshor-Kautschuk-Gemisch enthielten, das sich auf der Haut der Opfer festsetzte und entsetzliche Verbrennungen hervorrief. Der Auftrag, den Einfluss von Echinacea-Präparaten auf die Heilung solcher Wunden zu untersuchen, ging an Dr. med. Erwin Ding, den Leiter der „Abteilung für Fleckfieber- und Virusforschung am Hygiene-Institut der Waffen-SS“ im Konzentrationslager Buchenwald. Diese Einrichtung war 1942 zur Erprobung neuer Präparate gegen Fleckfieber („Hungertyphus“) an Versuchstieren und Lagerinsassen eingerichtet worden und übernahm später weitere Forschungsaufgaben.
Sturmbannführer Dr. Ding, der seine Befehle vom Reichsarzt-SS Ernst Grawitz empfing, hat ein Stationstagebuch geführt, das ab 1944 vom Stationsschreiber Eugen Kogon getippt wurde. Kogon konnte dieses Beweisstück vor der Vernichtung retten und übergab es im Herbst 1945 dem amerikanischen Military Intelligence Service. (Ding beging nach der Gefangennahme durch die Allierten Streitkräfte Selbstmord.) [27]
In diesem Tagebuch heißt es: „19.11.43 – 25.11.43: Phosphor-Kautschuk-Brandbomben-Versuch. Zur Erprobung des Präparates ‘R 17’ bei frischen Phosphor-Verbrennungen und von ‘Echinacinsalbe’ und ‘Echinacin extern’ zur Nachbehandlung von Phosphorbrandwunden, sämtlich von den Dr. Madaus-Werken in Radebeul/Dresden, wurden an den nebenstehend genannten Tagen Verbrennungsversuche mit Phosphormasse, welche aus einer bei Leipzig aufgefundenen englischen Brandbombe entnommen wurde, an 5 Versuchspersonen durchgeführt. 5.1.44: Protokolle an den Reichsarzt SS, mit der Bitte um Weiterleitung an die Dr. Madaus-Werke, übersandt.“ [28] Dasselbe Experiment ist auch im Arbeitsbericht der „Abteilung für Fleckfieber- und Virusforschung“ für das Jahr 1943 erwähnt, den ebenfalls Dr. Ding verfasst hat: „19.11. – noch nicht beendet: Verbrennungsversuche mit Phosphor-Kautschuk-Brandbomben an 5 Personen.“ Aus diesem Bericht geht auch hervor, dass Ding kurz zuvor bei der Firma Madaus war: „IV. Dienstreisen des Leiters der ‘Abteilung für Fleckfieber- und Virusforschung’. … 25.10. – 15.11.: Kommandierung zu dem ‘Deutschen Hygiene-Institut für das Ostland’ in Riga und anschließende Besprechung bei der Firma Madaus in Dresden, auf Veranlassung des SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS von Woyrsch.“ [29] Die Menschenversuche, bei denen die Versuchspersonen laut Anklage im Ärzteprozess „dauergeschädigt und schwer verletzt“ [30] wurden, sind auch durch Fotografien belegt (Abb. 2 [31]).
Ein Auszug aus dem „Protokoll zum Gutachten vom 2. Januar 1944 über ein R 17 genanntes Hautmittel gegen Phosphor-Kautschuk-Verbrennungen“, in dem es um ähnliche Versuche an sieben Angora-Kaninchen geht, soll verdeutlichen, welche Prozedur die fünf Buchenwald-Insassen über sich ergehen lassen mussten:
„Die Tiere wurden an den Seiten geschoren, vor der Behandlung rasiert und auf beiden Flanken zu den Versuchen verwendet.
- Auftragen des Phosphor-Kautschuk-Gemisches und Entfernung nach 30 Minuten:
- Mit R 17.
24.11.: Es wurde bei den Kaninchen Nr. 38, 39 und 40 je die rechte Flanke mit dem Gemisch bestrichen und nach 30 Minuten mittels eines in R 17 getauchten Lappens gereinigt. Während des Abwischens zeigte sich Rauchentwicklung, die Tiere bekundeten dabei erheblichen Schmerz. Starke Phosphoreszenz. Die Hautstelle blieb unbehandelt. Sie war gelblich und rauh. Am 10.12. hat sich der Schorf spurlos abgelöst, die Haut war rein und glatt, die Haare wuchsen rasch nach.
- Mit CuSO4.
… Auf der Haut blieb eine schwärzliche, metallisch glänzende Krust zurück, die sich nur unter Aufreten gröberer Hautdefekte entfernen ließ. Die Wunde blieb unbehandelt. Am 10.12. war sie noch immer mit einem brockigen, nekrotischen Belag bedeckt. Am 29.12. zeigte die Stelle eine größere, teilweise behaarte Narbe.
- Inbrandsetzung des Phosphor-Kautschuk-Gemisches und Behandlung mit
- R 17.
a.) Sofortige Inbrandsetzung.
19.11.: Kaninchen Nr. 32. Das Gemisch wurde sofort nach dem Auftragen in Brand gesetzt, nach 30 Sekunden mit einem in Wasser getauchten Lappen erstickt und sodann mit R 17 weggewischt. Es zeigte sich eine zackige, vertiefte, gelbliche, trockene Verbrennung. …
b.) Inbrandsetzung nach 30 Sekunden.
19.11.: Kaninchen Nr. 31: Das Gemisch wurde 30 Sekunden nach dem Auftragen in Brand gesetzt; man ließ es bis zum Selbsterlöschen brennen (70 Sekunden) und wischte hierauf die Stelle mit R 17 ab. Hautveränderung: pergamentartig, gelblich, trocken, vertieft.“ [32]
Nach Auskunft eines Madaus-Mitarbeiters handelte es sich bei R 17 nicht um ein Pflanzenpräparat, sondern um einen Tetrachlorkohlenstoff, den Dr. Koch als Mittel zur Prävention von Verbrennungen an Meerschweinchen und Kaninchen getestet hatte. [33] Wie Dr. Ding an die Madaus-Präparate gelangt war (hat er sie beim Besuch Mitte November in Radebeul mitgenommen?), ob die Firma Madaus vorab über das Versuchsdesign informiert worden ist, wie man in der Firma mit dem Protokoll der Menschenversuche – so es denn dort ankam – umgegangen ist, ob die Versuche 1944 fortgesetzt wurden und ob Echinacea-Zubereitungen je bei Opfern von Brandbombenabwürfen zur Anwendung kamen, ist mir nicht bekannt.
Die Massensterilisationspläne
Im Verlauf des Krieges beeinträchtigte der Arbeitskräftemangel in Deutschland zunehmend die Produktivität der Wirtschaft. Dem verlockenden Gedanken, Millionen „rassisch Minderwertiger“ – Juden, russische Kriegsgefangene, Polen und so weiter – als Arbeiter einzusetzen, statt sie weiterhin bloß zu internieren oder zu vernichten, stand die Befürchtung entgegen, diese „Fortflanzungsunwürdigen“ könnten sich dann weiter vermehren. So schrieb zum Beispiel Viktor Brack, der Oberdienstleiter in der Kanzlei des Führers, am 23. 6. 1942 an Himmler: „Bei etwa 10 Millionen europäischer Juden sind nach meinem Gefühl mindestens 2-3 Millionen sehr gut arbeitsfähige Männer und Frauen enthalten. Ich stehe in Anbetracht der außerordentlichen Schwierigkeiten, die uns die Arbeiterfrage bereitet, auf dem Standpunkt, diese 2-3 Millionen auf jeden Fall herauszuziehen und zu erhalten. Allerdings geht das nur, wenn man sie gleichzeitig fortpflanzungsunfähig macht.“ [34]
Daher war das Interesse an schnellen, billigen und für die Betroffenen möglichst nicht erkennbaren (also nichtoperativen) Sterilisationsmethoden groß. Drei Ansätze wurden verfolgt: die Sterilisierung von Männern wie Frauen durch Röntgenstrahlung (die Opfer sollten an ein Pult treten und dort einen Fragebogen ausfüllen, während sie heimlich bestrahlt wurden), die Sterilisierung von Frauen durch Einspritzung einer Reizflüssigkeit in den Uterus sowie die medikamentöse Sterilisierung durch Verabreichung (von einem der Initiatoren „Verfütterung“ genannt) einer Arznei an Frauen wie Männer. Die Erfolgskontrolle stellte sich Rudolf Brandt, der Persönliche Referent des Reichsführers-SS, in einem Brief an Karl Clauberg am 10. 7. 1942 wie folgt vor: „In dem einen oder anderen Fall dürfte aber auch ein praktischer Versuch in der Weise durchgeführt werden, dass man eine Jüdin mit einem Juden für eine gewisse Zeit zusammensperrt und dann sieht, welcher Erfolg dabei auftritt.“ [35]
Brigadeführer Prof. Dr. med. Karl Clauberg erprobte seine Methode, die intrauterine Injektion, in Himmlers Auftrag an Jüdinnen in Auschwitz. Schon die vorbereitenden Arbeiten – die Suche nach einem jodfreien Kontrastmittel für die Röntgen-Kontrollaufnahmen, da Jod im Krieg rar war – führte bei vielen der fast 400 Frauen zu Gebärmutterentzündungen, die eine dauerhafte Unfruchtbarkeit zur Folge hatten. Viele der Versuchspersonen wurden anschließend in Birkenau vergast, die Überlebenden litten unter teils lebenslang anhaltenden Beschwerden. [36] Die heimliche Röntgenbestrahlung der Keimdrüsen entpuppte sich als Flop, da das Gewebe bei den erforderlichen sehr hohen Strahlungsdosen schlichtweg verbrannte. Da die Strahlung zudem schlecht fokussierbar war, traf sie auch den Verdauungstrakt der Versuchspersonen, die zum Teil schwerste Dauerschäden erlitten. [37] Der dritte Ansatz, die medikamentöse Sterilisierung, ging auf eine Fachveröffentlichung von Dr. Gerhard Madaus und Dr. Friedrich E. Koch im Jahre 1941 zurück.
Sterilisierung durch Caladium seguinum
Madaus interessierte sich seit Beginn der 30er-Jahre für die seines Erachtens hormonartige Wirkung vieler pflanzlicher Substanzen auf den menschlichen Organismus. Unter anderem hatte er mit Extrakten der Pflanze Vitex agnus-castus (Mönchspfeffer), die in der Volksmedizin bei weiblicher Sterilität, Milchmangel und Ausbleiben der Regelblutung empfohlen wird, Tier- und Menschenversuche durchgeführt: Bei Ratten stellte er eine Östrusverzögerung fest, und die freiwilligen Probandinnen aus seiner Belegschaft berichteten nach der Einnahme von Menstruationsverzögerungen. [38]
Ebenfalls in den 30er-Jahren kam ihm bei einem Nordamerika-Besuch zu Ohren, dass ein Pfeilgift oder ein in die Speise gemischter Extrakt aus der südamerikanischen, vor allem in Brasilien heimischen Pflanze Caladium seguinum (Schweigrohr, siehe Info-Kasten) von einigen der dortigen Indianer zur Unfruchtbarmachung ihrer Feinde eingesetzt werde. [39] Da Caladium-Hochpotenzen außerdem in der Homöopathie bei Potenzschwäche, Sterilität und Frigidität verordnet werden, vermutete Madaus hier ein Paradebeispiel für den so genannten Umkehreffekt, den er sich durch eine aktive Gegenregulation (Überkompensation) des Organismus bei Verabreichung kleinster Mengen einer eigentlich keimdrüsenschädigenden Substanz erklärte. Um herauszufinden, ob an dieser Volksüberlieferung etwas dran war, wurden 1936/37 Tierversuche mit den Caladium-Pflanzen aus der Madaus-Arzneipflanzenkultur durchgeführt. Die Ergebnisse waren uneindeutig: 1937 wurden zehn männliche Mäuse nach Verfütterung des Extraktes steril, aber ein Reproduktionsversuch misslang. [40] Madaus und Koch vermuteten, dass entweder der Wirkstoffgehalt im Verlauf der Vegetationsperiode stark schwankt oder die Verabreichungszeit zu kurz angesetzt war.
1939/40 folgten weitere, systmatischer angelegte Tierversuche an 24 Ratten sowie einigen Kaninchen und Hunden, über die Madaus und Koch 1941 unter dem Titel „Tierexperimentelle Studien zur Frage der medikamentösen Sterilisierung durch Caladium seguinum (Dieffenbachia seguina)“ in der Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin berichteten. [41] Den je zwölf männlichen und weiblichen Ratten war über 77 bis 218 Tage hinweg einmal täglich ein halber Kubikzentimeter Presssaft (die typische, „schonende“ Madaus-Zubereitung) aus frischen Caladium-Blättern verabreicht worden, und zwar teils subkutan (Injektionen unter die Haut), teils peroral (Verfütterung per Magensonde). Die Tiere der Kontrollgruppe erhielten subkutan einen Presssaft aus gewöhnlichem Gras. Bei den Hunden lag die Tagesdosis bei 10 Kubikzentimetern.
Laut Madaus und Koch „ruft Caladium bei beiden Geschlechtern eine eindeutige Sterilität hervor, wobei es gleichgültig ist, ob der Caladiumextrakt parenteral [d.h. unter Umgehung des Verdauungsweges – AK] oder peroral [d.h. durch den Mund – AK] verabfolgt wurde. Allerdings schwanken die Zeiten bis zum Eintritt der Fortpflanzungsunfähigkeit sehr stark. … Analoge Untersuchungen, die wir an einigen Kaninchen und Hunden bei entsprechend höherer Dosierung vornahmen, bestätigten die sterilisierende Wirkung von Caladium.“ Die Hälfte der Ratten, die Caladium subkutan erhielten, sowie fast alle Kontrolltiere (Grasextrakt subkutan) starben vor Versuchsende. Die männlichen Tiere wurden im Schnitt nach 40 bis 90 Behandlungstagen zeugungs-, die Weibchen nach 30 bis 50 Tagen empfängnisunfähig. Die histologischen Befunde deuteten die Autoren so, dass die Sterilität bei den weiblichen Tieren vermutlich temporär, bei den männlichen irreversibel sei. Das Hodengewicht der Männchen reduzierte sich um rund 50%.
An drei Textstellen erwähnten die Autoren die Möglichkeit eine Anwendung beim Menschen. In ihrer Einleitung heißt es: „Die künstliche Erzeugung einer Sterilität … bei … schweren Allgemeinschädigungen ist aus naheliegenden Gründen eine häufig diskutierte Frage, die zwar zu umfangreichen tierexperimentellen Untersuchungen geführt hat; die dabei erhaltenen, wissenschaftlich sehr aufschlussreichen Versuchsergebnisse sind jedoch praktisch noch nicht zu einer Umwertung auf den Menschen gebracht worden.“ Später: „Wenn wir nun im Folgenden über eine dritte Möglichkeit der künstlichen, d.h. medikamentösen Sterilisierung berichten, so soll damit nicht leichtfertig ein entsprechendes Verfahren für den Menschen in Aussicht gestellt werden. Anlass für unsere Untersuchungen war vielmehr die uns im Allgemeinen bewegende Frage, inwieweit die in der volksmedizinischen Erfahrung verankerten Heilgebräuche (auch ‘Unheil’-Gebräuche) mit den Erkenntissen und Gesetzen der Pharmakologie, Physiologie und experimentellen Therapie in Einklang gebracht werden können. … Darüber hinaus kann in zweiter Linie die Frage geprüft werden, ob die erarbeiteten Ergebnisse für die Humanmedizin oder als Test für experimentell-therapeutische Zwecke nutzbar gemacht werden können.“ Und schließlich: „Wir möchten auf Grund der beschriebenen Versuche noch keine Stellung zu der Frage nehmen, ob eine Behandlung des Menschen in der einen oder anderen Richtung aussichtsreich ist. Es scheint uns aber wichtig zu sein, zu prüfen, ob die sterilisierende Wirkung von Caladium als experimentell therapeutischer Test verwendbar ist.“
„Nicht nur besiegen, sondern vernichten“: Das Projekt läuft an
Die Interpretation dieses – wie in vielen wissenschaftlichen Publikationen bewusst vage gehaltenen – Ausblicks war später Gegenstand der Zeugen- und Sachverständigenbefragungen im Ärzteprozess, da der einzige Angeklagte in dieser Angelegenheit, Dr. Adolf Pokorny (Abb. 3), seine Verteidigung auf der Behauptung aufbaute, ihm als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten sei bei der Lektüre dieses Aufsatzes sofort klar gewesen, dass eine Sterilisation von Menschen mit Caladium seguinum völlig unmöglich sei. [42] Den folgenden Brief an Himmler wollte Pokorny im Nachhinein als eine Ablenkungsmaßnahme zur Verzögerung oder Verhinderung der Massensterilisation von Juden und Osteuropäern verstanden wissen:
„Getragen von dem Gedanken, dass der Feind nicht nur besiegt, sondern vernichtet werden muss, fühle ich mich verpflichtet, Ihnen als dem Reichsbeauftragten zur Festigung des deutschen Volkstums Folgendes zu unterbreiten: … Bei der Lektüre dieses Artikels ist mir die ungeheuere Wichtigkeit dieses Medikamentes für den jetzigen Kampf unseres Volkes eingefallen. Wenn es gelänge, auf Grund dieser Forschungen sobald als möglich ein Medikament herzustellen, das nach relativ kurzer Zeit eine unbemerkte Sterilisierung bei Menschen erzeugt, so stände uns eine neue wirkungsvollste Waffe zur Verfügung. Allein der Gedanke, dass die 3 Millionen momentan in deutscher Gefangenschaft befindlichen Bolschewisten sterilisiert werden könnten, so dass sie als Arbeiter zur Verfügung stünden, aber von der Fortpflanzung ausgeschlossen wären, eröffnet weitgehendste Perspektiven. … Woferne der von mir ausgesprochene Gedanke Ihre Zustimmung findet, wäre folgender Weg einzuschlagen: 1. Dr. Madaus dürfte keine Publikationen dieser Art mehr veröffentlichen (Feind hört mit!). 2. Vermehrung der Pflanze (in Glashäusern leicht züchtbar!) 3. Sofortige Versuche an Menschen (Verbrecher!), um die Dosis und Dauer der Behandlung festzustellen. 4. Rascheste Ergründung der Konstitutionsformel des wirksamen chemischen Körpers, um 5. diesen womöglich synthetisch herzustellen. Ich selbst als deutscher Arzt und Oberarzt d.R.a.D. der deutschen Wehrmacht verpflichte mich zur absoluten Verschwiegenheit über den von mir in diesem Brief angegebenen Verwendungszweck. Heil Hitler! Dr. Pokorny, Komotau, im Oktober 1941“ [43]
Der Reichsführer war angetan. Am 10. März 1942 schrieb er an Oswald Pohl, den Chef des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes (WVHA), dessen „Amtsgruppe D“ seit dem 3. März durch Befehl Himmlers auch für die Konzentrationslager zuständig war: „Lieber Pohl! Ich habe die sehr interessante Zuschrift von Dr. Pokorny und die Veröffentlichungen von Dr. Madaus über die medikamentöse Sterilisierung gelesen. Ich würde Sie bitten, mit Dr. Madaus einmal Fühlung zu nehmen und ihm in meinem Auftrag den Wunsch zu übermitteln, über diese Fragen der medikamentösen Sterilisierung keine Veröffentlichungen mehr stattfinden zu lassen, ihm aber anzubieten, dass er bei uns – in Zusammenarbeit mit dem Reichsarzt-SS – die Möglichkeit zu Versuchen an verbrecherischen Personen, die an und für sich sterilisiert werden müssten, bekommt.“ [44]
Am 3. Juni 1942 meldete Pohl dem Reichsführer, dass er an diesem Tage mit dem Direktor des Biologischen Institutes von Dr. Madaus u. Co., Dr. Koch, über die Angelegenheit gesprochen habe. (Madaus selbst war bereits im Februar verstorben.) Koch habe zugesagt, einstweilen nichts mehr zu diesem Thema zu veröffentlichen. Die Versuche seien ins Stocken geraten, da Schweigrohr nur in Nordamerika wachse (hier irrte Pohl, und dieser Fehler zieht sich zum Teil bis in die heutige Literatur hinein) und infolge des Krieges nicht in großen Mengen eingeführt werden könne. Dr. Koch habe darum gebeten, für ihn die Genehmigung zum Bau eines größeren Treibhauses zu erwirken, was Pohl ihm zugesagt habe. [45] (Nach Kochs Aussage im Ärzteprozess hat Pohl ihm das 160 Quadratmeter große Gewächshaus, in dem sich etwa 270 Caladium-Pflanzen züchten ließen, geradezu gegen seinen Willen aufgedrängt. [46])
Ein Aktenvermerk Rudolf Brandts vom 22. Juni 1942 bestätigt, wie wichtig Himmler die Sache war: „Ich habe mit SS-Obergruppenführer Pohl auf der Wewelsburg am 19.6.1942 in einer Rücksprache u.a. auch den Wunsch des Reichsführers-SS erwähnt, noch eingehende Feststellungen zu treffen, aus welchen Stoffen die amerikanische Pflanze Schweigrohr, die für eine Sterilisierung in Frage kommen soll, besteht. Der Reichsführer-SS wollte gern festgestellt wissen, ob allenfalls ähnlich wirkende Stoffe in anderen Pflanzen, die bei uns oder in dem uns in Europa zugänglichen Raum vorkommen, sich befinden. Die zurzeit laufende Unterstützung der Arbeiten des Herrn Dr. Koch vom Madaus-Institut soll weitestgehend fortgesetzt werden. Der Reichsfüher-SS wünscht noch, dass anhand der etwa vorhandenen Bestandteile der Pflanze allenfalls schon Sterilisierungsversuche in den Konzentrationslagern durchgeführt werden. SS-Obergruppenführer Pohl sagte dazu, das Entsprechende umgehend zu veranlassen.“ [47]
Im August 1942 wandte sich noch ein Hilfsbeflissener, der Stellvertretende Gauleiter in Niederdonau K. Gerland, in derselben Angelegenheit an den Reichsführer: „Da zu den dringlichen Aufgaben unserer nationalsozialistischen Rassen- und Bevölkerungspolitik die Verhinderung der Fortpflanzung Erbuntüchtiger und rassisch Minderwertiger gehört, hat sich der derzeitige Leiter des Gauamtes für Rassenpolitik, Gauhauptstellenleiter Dr. Fehringer, mit Fragen der Unfruchtbarmachung befasst … So stieß er auf die tierxperimentellen Studien zur Frage der medikamentösen Sterilisation durch Caladium seguinum (Schweigrohrextrakt) aus dem biologischen Institut Dr. Madaus, Radebeul-Dresden, die ihm durch den Madausjahresbericht, IV. Jahrgang 1940, zugänglich geworden und von höchstem bevölkerungspolitischen Interesse sind. … Es ist einleuchtend, von welch ungeheurer Wichtigkeit diese Beobachtungen dann sein können, wenn es gelingt, auch beim Menschen durch Verfütterung von Schweigrohrextrakt Veränderungen in der Zeugungskraft oder Fruchtbarkeit hervorzubringen. Dazu wären allerdings Untersuchungen am Menschen selbst notwendig. Der Leiter meines Rassenpolitischen Amtes macht daher darauf aufmerksam, dass die notwendigen Untersuchungen und Menschenxperimente durch einen entsprechend ausgewählten Ärztestab, auf den madausschen Tieruntersuchungsergebnissen aufbauend, in Zusammenarbeit mit dem pharmakologischen Institut der Wiener medizinischen Fakultät an Insassen des Zigeunerlagers Lackenbach in Niederdonau vorgenommen werden könnten. Wir sind uns vollkommen im Klaren darüber, dass solche Untersuchungen als staatswichtige Geheimsache von äußerster Gefährlichkeit behandelt werden müssen, weil unter Umständen die Feindpropaganda aus der Kenntnis von derartigen Forschungen ungeheuren Schaden in der Welt anrichten könnte. … In diesem Zusammenhang darf ich vielleicht darauf hinweisen, dass es sich sicherlich lohnen würde, den Kenntnissen der alten Kulte und ihrer Priesterkasten über die Förderung und Verhinderung der menschlichen Zeugungsfähigkeit und Fruchtbarkeit nachzugehen. Auch die naturnahen primitiven Naturvölker wussten und wissen sehr viel hiervon, ohne dass der Wissenschaft diese Dinge bekannt sind.“ [48]
Brandt antwortete Gerland, dass Himmler, Pohl und Grawitz bereits mit der Materie befasst seien, schilderte die Probleme und bat ihn, Dr. Fehringer zu fragen, ob ihm Caladium-Pflanzen zur Verfügung stünden bzw. ob er Vorschläge zu deren Beschaffung machen könne. [49] Am 14. Oktober 1942 schrieb Gerland zurück, dass Fehringer keine solchen Pflanzen habe und die Möglichkeit der Beschaffung von Caladium seguinum „auf chemischem Wege“ sehe. „Ich habe heute bei dem Obergruppenführer angeregt, dass Dr. Fehringer in Zusammenarbeit mit einem bedeutenden Wiener Biologen versuchen darf, Caladium seguinum synthetisch herzustellen. … Es wäre auch denkbar, dass man für Versuchszwecke das eine oder andere in unserem klimatisch bevorzugten Gau befindliche Treibhaus in Anspruch nimmt, um die Pflanze wenigstens für Versuchszwecke in ausreichendem Maße züchten zu können.“ [50] Aus dem Wortlaut wird klar, dass Gerland und Fehringer (ebenso wie Pokorny) die Komplexität des wissenschaftlichen Problems völlig unterschätzten oder aber wissentlich falsch darstellten: Zwar hatte die chemische Industrie in Deutschland einige beachtliche Erfolge bei der Synthese von Ersatzstoffen vorzuweisen, aber die Herstellung der Wirkstoffe von Caladium seguinum, über deren biochemische Beschaffenheit nicht das Geringste bekannt war, lag weit jenseits der Machbarkeitsgrenze.
Unterdessen (am 7. September 1942) berichtete SS-Obergruppenführer Oswald Pohl an den Persönlichen Stab des Reichsführers-SS, „dass ich erst am vergangenen Dienstag in Radebeul persönlich mich vom Stand der Dinge überzeugt habe. Die Angelegenheit ist in bestem Fluss. Ich habe nunmehr SS-Obersturmbannführer Dr. Lolling mit eingespannt. Wir haben mit Madaus vereinbart, möglichst bald die Versuche in unsere Konzentrationslager zu verlagern.“ [51] Der Leiter des Biologischen Institutes, Dr. Koch (Madaus ist hier offensichtlich nicht als Person gemeint, sondern als Firma), bestritt eine solche Vereinbarung im Ärzteprozess: „Die Frage der Sterilisierung von Menschen ist mit mir von Seiten der SS überhaupt nicht besprochen worden. … Aber es ist nicht gesagt worden, dass Versuche an Menschen durchgeführt werden sollten.“ [52] Ihm zufolge tauchten damals unangekündigt mehrere SS-Generale und -Offiziere in der Madaus-Gärtnerei auf. Koch erschrak, da er seit der ersten Begegnung mit Pohl in Berlin nichts am Caladium-Projekt getan hatte. Nun erhielt er den expliziten Auftrag, die Caladium-Versuche „auf breiteste Basis“ zu stellen und herauszufinden, ob auch einheimische Pflanzen dieselben Wirkstoffe enthielten. Darüber sollte er dem ebenfalls anwesenden Dr. Lolling Bericht erstatten, der als Arzt des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes auch Chefarzt aller Konzentrationslager war. [53]
Weitere Tierversuche
Der Direktor des I.G. Farben-Laboratoriums in Ludwigshafen, Dr. Müller-Cundradi, hatte unterdessen den Botaniker und Biochemiker Karl Wilhelm Friedrich Tauböck, der im dortigen biologischen Laboratorium viel Erfahrung mit Tierversuchen zu Drogenwirkungen gesammelt hatte, mit der Erforschung der wirksamen Substanz in Caladium seguinum beauftragt. Er schickte ihn Anfang November 1942 zu einem Dr. Schamberger ans „Forschungsinstitut Grunewald/Berlin“, das sich als getarntes Büro der SS entpuppte. Um sich über die bisherigen Versuchsergebnisse zu informieren, reiste Tauböck mit Schamberger und einem weiteren SS-Mann zur Firma Madaus, wo er unter dem Decknamen Dr. Weiß vorgestellt wurde, um zu verschleiern, dass er zur I.G. Farben gehörte. Nach der Überprüfung des Sektionsmaterials und der histologischen Präparate aus den bisherigen Tierversuchen kam Tauböck zu der Überzeugung, dass eine Sterilisation mit Caladium seguinum im Bereich des Möglichen und Machbaren liege. Auf dem Rückweg von Dresden nach Berlin eröffneten ihm die SS-Leute, dass dieses Projekt von Himmler in Auftrag gegeben worden sei und der Unterdrückung der Geburten bei den Ostvölkern diene. Nachdem man ihm auf Verschwiegenheit vereidigt hatte, erfuhr er im „Forschungsinstitut Grunewald/Berlin“ außerdem, dass der Reichsführer-SS die sofortige Überprüfung der Methode an Insassen von Konzentrationslagern angeordnet habe. [54]
In seinem Labor führte Tauböck Experimente mit Taufliegen (Drosophila melanogaster) durch, um zu ermitteln, welche Art von Pflanzenzubereitung die stärkste Sterilisationswirkung entfaltete. Er stellte fest, dass der pure Saft aus frischen Caladium-Pflanzen, wie er bei Madaus eingesetzt wurde, viel schwächer wirkte als ein Blätter-Extrakt, den er unter Wärmeeinwirkung gewann. Er vermutete, dass die wirksame Substanz relativ hitzestabil ist, dass die amerikanischen Ureinwohner ihr Pfeil- bzw. Nahrungsgift ebenfalls unter Wärmeeinwirkung gewonnen hatten und dass die hohen benötigten Dosen bzw. die teils unzureichende Sterilisationswirkung bei den Madaus-Tierversuchen ihre Ursache in der ideologisch bedingten Beschränkung auf Presssäfte hatte. Tauböck will die Kriminalität des Forschungsprojektes sofort erkannt und daher seinen Forschungsauftrag nicht weiter ausgeführt haben. [55]
Koch startete nach den SS-Besuchen in Radebeul ebenfalls Versuchsreihen an Taufliegen, die allerdings negativ ausfielen. Die folgenden Versuche an Mäusen wurden ergebnislos abgebrochen, da die Tiere starben – laut Versuchsprotokoll „infolge einer Stallseuche“. Der so genannte Versuch Nr. 4 – an 46 Ratten – dauerte 184 Tage; im Mai 1943 erstattete Koch darüber Bericht. Versuch Nr. 5 mit ca. 60 Ratten lief 357 Tage lang und endete Mitte 1944, als wegen der veränderten Kriegslage das Interesse Pohls und Himmlers an den Massensterilisationsprojekten bereits erloschen war. [56]
Sabotage oder einfach schlechte Wissenschaft?
Da Koch bereits nach dem ersten Gespräch mit Pohl ein ungutes Gefühl hatte, was die Absichten der SS anging, haben er rund seine Mitarbeiter die Experimente seiner Aussage nach bewusst verzögert und verzerrt: „Ich muss allerdings hierzu erklären, dass wir diese Versuche seit 1940 nicht mehr als ernsthafte wissenschaftliche Versuche bezeichnen konnten, wenn wir auch im Einzelnen Interesse daran hatten, sie als ernste Versuchsergebnisse erkennen zu lassen. … wir vermuteten, dass die SS oder Pohl Absichten haben könnten, mit denen wir nicht einig gehen. … Also wir haben diese Versuche nicht mit der größtmöglichen Energie durchgeführt, sondern wir haben diese Versuche 1. verzögert; 2. haben wir sie falsch angelegt und 3. sind auch in der Durchführung … sehr schwerwiegende Unterlassungssünden und auch Fehler absichtlich vorgekommen, um diese Versuche absichtlich zu sabotieren. Wir hatten die feste Absicht, dass bei diesen Versuchen niemals ein positives Ergebnis herauskommen sollte. … Die Versuche sind nur mit Scheinexaktheit durchgeführt worden.“ [57]
Außer der eidesstattlichen Erklärung des Angeklagten Rudolf Brandt (Abb. 4) beim Ärzteprozess, in der ausdrücklich von erfolgten Caladium-Menschenversuchen in Konzentrationslagern die Rede ist [58], gibt es keine Belege dafür, dass es zum Äußersten gekommen ist: Koch sagte aus, die Firma Madaus habe nie auch nur eine einzige Caladium-Pflanze an die SS abgegeben. Die bekannte SS-Korrespondenz zum Thema endet bereits im Oktober 1942. Koch zufolge erbrachten die Tierversuche keine brauchbare Resultate. Als sie 1944 ausliefen, hatte sich das Kräfteverhältnis in Europa bereits so sehr verschoben, dass Massensterilisationen nicht mehr auf der Agenda standen. Das in der Literatur teils als Tatsache gehandelte Gerücht, im Konzentrationslager Dachau sei Caladium seguinum angebaut worden [59], geht vermutlich auf eine Besichtigung der Arzneipflanzen-Kulturen des dortigen „Instituts für Ernährung und Heilpflanzenkunde“ zurück, zu der Oswald Pohl Dr. Koch 1942 beim Besuch der Madaus-Gärtnerei in Radebeul eingeladen hatte. [60] Zwar erscheint Kochs Aussage, er habe die Einladung nur angenommen, da Pohl anderenfalls womöglich bezüglich der verschleppten Caladium-Versuche Verdacht geschöpft hätte, absurd – wie so vieles, was Angeklagte und Zeugen im Ärzteprozess über die Motive ihres Handelns ausgesagt haben –, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es keine hieb- und stichfesten Belege für eine Caladium-Zucht oder -Verabreichung in einem Konzentrationslager gibt. #rech.: V. Lederer# Ob die Madaus-Werke den glimpflichen Ausgang dieses Forschungvorhabens tatsächlich einer Verzögerungstaktik von Koch und seinen Mitarbeitern verdanken oder vielmehr der schwachen Wirksamkeit der Presssäfte, deren ausschließlicher Gebrauch in der „biologischen“ Firmenphilosophie verankert war, vermag ich nicht zu beurteilen.
Die Aufarbeitung des Caladium-Projektes im Ärzteprozess
Am 25. 10. 1946 wurde auf Anordnung des amerikanischen Militärgouverneurs für Deutschland der Militär-Gerichtshof Nr. I ins Leben gerufen und die Anklageschrift eingereicht. Am 20. 8. 1947 endete der so genannte 1. Nachfolgeprozess oder Ärzteprozess (Abb. 5). Jeder der 23 Angeklagten war durch einen selbst gewählten Anwalt vertreten. Der Anklagepunkt 1 (Verschwörung) wurde weitgehend fallen gelassen; es blieben die Anklagepunkte 2 und 3: Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die Verteidigung reichte umfangreiche Belege für Humanversuche in anderen Ländern und Zeiten ein, aber die Anklage stellte klar, dass im Prozess nicht Menschenversuche an sich, sondern die Verbrechen verhandelt würden, die in der Nichtfreiwilligkeit der Versuchsteilnahme und dem Mangel an Sorgfalt und Kenntnissen bei der Durchführung bestünden. Wegen der Beteiligung an oder Anstiftung zu medizinischen Experimenten ohne Zustimmung der Versuchspersonen, die mit Morden, Folterungen, Gräueltaten etc. einhergingen, wurden sieben der Angeklagten – darunter die im Artikel genannten Viktor Brack, Rudolf Brandt und Karl Gebhardt – zum Tod durch den Stang verurteilt, fünf zu lebenslänglicher Haft, vier zu 10 bis 20 Jahren Haft. Sieben der 23 Angeklagten wurden freigesprochen. [61]
Adolf Pokorny, der Anstiftung zur Sterilisation mit Caladium angeklagt, verteidigte sich mit der Behauptung, er habe Himmler den Brief nur geschickt, um Schlimmeres zu verhindern – ein in den Nürnberger Prozessen häufig wiederkehrendes Rechtfertigungsschema. Er sagte aus, dass er die Veröffentlichung von Madaus und Koch unter anderem deshalb für irrig und wissenschaftlich bedeutungslos gehalten habe, da aus ihr hervorging, dass Caladium auf die männlichen Tiere wohl, auf Weibchen hingegen nicht bzw. kaum sterilisierend gewirkt habe. Aufgrund seiner ärztlichen Kenntnisse sei er sicher gewesen, dass man Menschen mit Caladium-Präparaten niemals sterilisieren könne. [62] Um die Glaubwürdigkeit dieser Behauptung zu untermauern bzw. in Frage zu stellen, befragten die Vertreter der Verteidigung und der Anklage mehrere Experten: Dr. August Wilhelm Forst von der Universität München, Professor Dr. Helmuth Weese, den Direktor des Pharmakologischen Institutes der Medizinischen Akademie in Düsseldorf, Dr. Friedrich Scheiffarth, Oberarzt an der medizinischen Universitätsklinik Erlangen, Dr. Karl Tauböck vom biologischen Laboratorium der I.G. Farben in Ludwigshafen und Dr. Friedrich Jung, den Leiter des Pharmakologischen Instituts der Universität Würzburg. Außerdem wurde Dr. Koch im Verlaufe seines Verhörs von beiden Anwälten zur Übertragbarkeit seiner tierexperimentellen Ergebnisse auf den Menschen befragt.
Expertenstreit mit harten Bandagen
Forst und Weese unterstützten den Standpunkt der Verteidigung, die Idee einer Sterilisation mit Caladium seguinum sei für jeden Arzt ohne weiteres als völlig utopisch zu erkennen gewesen: Der Import der südamerikanischen Pflanze sei im Krieg nicht möglich gewesen, ihr erfolgreicher Anbau in Deutschland höchst unwahrscheinlich; weitere, unabdingbare Tierversuche hätten viel zu lange gedauert; bei der simplen Umrechnung der Ratten-Dosis auf den Menschen (200 Gramm Presssaft am Tag) werde deutlich, dass eine heimliche Verabreichung unmöglich wäre; und die im Madaus-Artikel dokumentierte hohe Sterblichkeit der Ratten erwecke den Eindruck, dass Caladium keineswegs spezifisch auf die Fortpflanzungsorgane wirke, sondern vielmehr eine unspezifische Vergiftung wie durch Nikotin, Morphium etc. hervorrufe. [63] Scheiffarth äußerte sich allgemein über Sterilisationen und Kastrationen und wies er darauf hin, dass jede Störung des Gesundheitszustandes des Gesamtorganismus zu einer Funktionsminderung bzw. -einstellung der Keimdrüsen führen könne, die histologisch unter dem Bild der Atrophie in Erscheinung trete; auch die Madaus-Tiere könnten – aufgrund einer allgemeinen Caladium-Vergiftung – schlicht atrophisch gewesen sein. Dennoch schätzte er die Arbeit von Madaus und Koch als interessant und wissenschaftlich haltbar ein. [64]
Die größten Differenzen ergaben sich zwischen Tauböck und Jung. Tauböck schrieb an den medizinischen Sachverständigen der Justiz, Dr. Leo Alexander: „I. Ist die Droge an Menschen wirksam? Diese Frage ist – trotzdem mir keinerlei Versuche an Menschen bekannt sind – unbedingt mit ja zu beantworten. … Man wird nicht fehl gehen, wenn man in Caladium ein Unheilmittel der Volksempirie sieht, dessen Wirksamkeit wissenschaftlich bestätigt ist.“ [65] Aus diesem Schreiben und seiner eidesstattlichen Erklärung wird deutlich, dass er sich intensiv in die (zum Teil allerdings sehr alte und gegenüber volkmedizinischen Überlieferungen unkritische) Caladium-Literatur eingelesen hat; außerdem verfügte er als einziger der Gutachter über eigene Erfahrungen mit Caladium im Tierversuch. Allerdings war er der irrigen Ansicht, Madaus und Koch hätten den Ratten den Presssaft einfach zu trinken gegeben, während er laut Koch per Magensonde verabreicht wurde. Dieses Detail ist wichtig, da Tauböck aus der problemlosen Verfütterung (also dem fehlenden Anschwellen der Rachenschleimhäute und der Zunge) schloss, die madausschen Pflanzen hätten den Caladium-typischen Reizstoff (siehe Info-Kasten) nicht enthalten, was er als Indiz für eine insgesamt niedrigere Wirkstoffkonzentration aufgrund klimatisch ungünstiger Wachstumsbedingungen wertete. Aus Literaturangaben über die Nutzung von anderen Caladium-Arten als Nahrungsmittel, wobei der Reizstoff durch Erhitzen zerstört werde, schloss er – wie oben erwähnt –, dass die Indianer das Sterilisationsmittel wohl ebenfalls durch Extraktion unter Hitzeeinwirkung gewonnen hatten. [66]
Jung hielt nicht viel von Tauböcks Ausführungen: „Die Erklärung von Herrn Dr. Tauböck lässt im Übrigen an mehreren Stellen die bei einer wissenschaftlichen Frage, speziell falls diese unter Eid behandelt wird, notwendige kritische Einstellung vermissen. Herr Tauöck führt z.B. unter Punkt 5 aus, dass Caladium seguinum von den Eingeborenen Brasiliens als Sterilisationsmittel verwendet wurde. Er nennt diese Behauptung von Indios, die in der Literatur widergegeben wurde, eine Tatsache. … Herr Tauböck stellt weiterhin eine größere Anzahl apodiktischer Behauptungen auf, für welche er überhaupt keine direkten Belege bringt und die er mit Hilfe durchaus unzulässiger Verallgemeinerungen … zu stützen versucht. … Ich halte daher Dr. Tauböck als wissenschaftlichen Experten in dieser Frage für unzuständig.“ [67] Im Folgenden stellte Jung, der selbst nie mit oder über Caladium gearbeitet hat, jedoch seinerseits recht apodiktisch wirkende Behauptungen auf: „Hinsichtlich der sterilisierenden Wirkung von Caladium-Pfeilwunden ergibt sich aus diesen Überlegungen Folgendes: Sie ist mindestens teilweise eine Folge der wohl ziemlich regelmäßig einsetzenden schweren Wundinfektion und hat infolgedessen nichts mit einem spezifischen Prinzip des Caladium-Saftes zu tun. Zweifellos wird aber diese Wundinfektion noch durch die starke Reizwirkung, die ja nichts anderes als eine erhebliche Gewebsschädigung bedeutet, noch begünstigt, sodass vielleicht in dieser Richtung Caladium-Effekt vorhanden sein könnte.“ [68]
„Die Symptome an den Geschlechtsdrüsen der Versuchstiere sind“, so Jung, „nur ein reversibles Teilsymptom einer langdauernden, bis an die Lebensgrenze getriebenen, schwersten Schädigung des Gesamtorganismus und haben mit einer echten Sterilisation bzw. Kastration nichts zu tun.“ Dies sei der Publikation von Madaus und Koch zwar nicht direkt zu entnehmen, da ihr sämtliche Angaben über Ernährung, Fresslust, Aussehen, Gewicht und Gesundheitszustand der Tiere fehlten, aber die dort erwähnten Tatsache, dass die weiblichen Tiere zum Teil geschädigte, untergewichtige und kurzlebige Jungtiere zur Welt gebracht bzw. verworfen hatten, deute weniger auf eine spezifische Schädigung der Keimdrüsen als auf eine Allgemeinerkrankung der Tiere hin. [69] Hier lässt Jung jedoch zwei Befunde aus dieser Publikation außer Acht: Eintaglebige Junge brachte auch ein unbehandeltes und daher wohl nicht atrophisches Kaninchenweibchen zur Welt, das von einem kurzfristig mit Caladium behandelten Männchen befruchtet worden war. Und ein weibliches Caladium-Kaninchen, dessen eigener Wurf tot zur Welt kam, vermochte den Wurf eines anderen, unbehandelten Weibchens normal mit Milch zu versorgen, was ebenfalls gegen die These einer schweren Allgemeinschädigung durch die Caladium-Gaben spricht. [70]
In seiner eidesstattlichen Erklärung äußert sich Jung auch über die Reputation der Madaus-Werke: „Die Art der Diktion der Zusammenfassung in der Arbeit von Madaus und Koch, noch mehr in dem populärwissenschaftlichen Artikel von Dr. Madaus in der ‘Umschau’ … mag manches dazu beigetragen haben, den maßgebenden Stellen der SS hier ein Sterilisationsverfahren von praktischer Bedeutung vorzutäuschen. Ich halte es aber für ausgeschlossen, dass ein einigermaßen pharmakologisch geschulter Arzt dieser Täuschung ebenfalls unterliegt, zumal da der ihm wohlbekannte Name der Firma Madaus von vorneherein gewisse Bedenken hervorrufen muss.“ [71]
Noch deutlicher wird Jungs Kritik im direkten Verhör durch Pokornys Verteidiger, der durch diese Befragung suggerieren wollte, dass Pokorny die Veröffentlichung auch deshalb für wissenschaftlich unbrauchbar halten konnte, weil sie von Madaus durchgeführt worden war: „F: Herr Zeuge, zunächst eine Frage: Was halten Sie von der Homöopathie bzw. von der Biochemie? – A: Ich halte die Homöopathie bzw. die Biochemie für ein geistesgeschichtlich außerordentlich interessantes Heilsystem, das z.Zt. seiner Entstehung als Reaktion auf die einseitige Einstellung der romantischen Medizin bemerkenswert war, und sicherlich auch berechtigt, und manches Gute gebracht hat. Ich halte es aber für eine psychische und nicht weiter erklärliche Merkwürdigkeit, dass sich dieses System über 137 Jahre in den wesentlichen Grundzügen unverändert als Glaubenslehre erhalten konnte, obwohl in diesem vergangenen Jahrhundert die Entwicklung unserer modernen wissenschaftlichen Medizin eingesetzt und zu einiger Vollendung gekommen ist. Ich halte das für umso merkwürdiger, als auch die derzeitigen Anhänger der Homöopathie, soweit sie Ärzte sind, durch die wissenschaftlich auf der Höhe stehende Ausbildung unserer Universitäten und medizinischen Akademien gegangen sind und eigentlich über die Unhaltbarkeit und Unbeweisbarkeit der Grundsätze der Homöopathie Bescheid wissen müssten. … – F: Herr Zeuge, ist es richtig, dass in dem Unterricht auf den Universitäten eine solche oder in ähnlicher Weise ablehnende Einstellung zur Homöopathie oder Biochemie zum Ausdruck kommt? – A: Ja, ich selbst pflege im Unterricht eingehend auf diese Dinge einzugehen. Ich selbst habe auch während meiner eigenen Ausbildung an den Universitäten Tübingen und Berlin nichts anderes erfahren. – F: Herr Zeuge, sind Sie der Ansicht, dass die Firma Madaus für diese homöopathische Richtung innerhalb der Medizin steht? – A: Ja, die Firma ist mir seit vielen Jahren als führende Firma auf diesem Gebiet bekannt.“ [72]
Im weiteren mutmaßt Jung, dass die Firma Madaus mit dieser Publikation Propagada-Absichten verfolgt habe: Sie habe wohl eine Rechtfertigung der in der Homöopathie schon lange üblichen Anwendung von Caladium bei Potenzstörungen, Sterilität und Frigidität liefern wollen. [73] So richtig Jungs Einschätzung der Homöopathie sein mag: Sie geht an der Sache vorbei, da die Caladium-Experimente nicht das Geringste mit Homöopathie zu tun hatten.
Auch im direkten Verhör des Zeugen Friedrich E. Koch versuchte der Anwalt der Verteidigung, die seiner Argumentation zuwider laufende Erklärung von Dr. Tauböck zu diskreditieren, indem er auf dessen Botanik-Studium abhob, aufgrund dessen er nach Kochs Ansicht in histologischen Fragen nicht kompetent war, und seine „angeblichen“ Erfahrungen mit Caladium (die Taufliegen-Versuche) anzweifelte. [74] Außerdem versuchte er Koch zu der Aussage zu bewegen, dass „ein durchschnittlicher Arzt, nachdem er Ihre Arbeit gelesen hatte, der Überzeugung sein müsste, dass mit Caladium keine Sterilisationsmöglichkeit gegeben war“ [75], was Koch ihm bestätigte. Aus der Dauer der Tierversuche hätte ein solcher Arzt ja erkennen müssen, welche Schwierigkeiten ein Menschenversuch mit sich gebracht hätte: „Denn dann müsste man ja diese Menschen einsperren, man müsste sie ständig überwachen …“ [76]
Ein Kreuzverhör, das sich im Kreise dreht
Im Kreuzverhör hakte Mr. Hardy, der Vertreter der Anklage, immer wieder nach, ob Koch eine Sterilisation am Menschen tatsächlich für ausgeschlossen hielt. Da es der Anklage im Prozessverlauf nicht gelungen war, ihre anfängliche Behauptung zu belegen, dass „aufgrund des Vorschlages Pokornys Experimente an Konzentrationslagerinsassen ausgeführt [wurden], um die Wirksamkeit des Medikamentes festzustellen“ [77], setzte sie nun alles daran, die Behauptung von Pokornys Anwalt in Frage zu stellen, eine Caladium-Sterilisation sei offensichtlich völlig unmöglich.
Der Wissenschaftler Koch bemühte sich, keine unhaltbaren Aussagen zu machen und dem Anwalt die Unwissenschaftlichkeit von Zukunftsprognosen zu vermitteln, während der Jurist Hardy ihm hartnäckig eine klarere Einschätzung abzuringen versuchte. Im folgenden, stark gerafften Protokollauszug nimmt dieses Ringen zweier Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, unterschiedlichem Sprachgebrauch und verschiedenen Wahrheitsbegriffen geradezu groteske Formen an:
„F: … Kann beim Lesen dieses Absatzes [Zitat aus der Madaus-Koch-Veröffentlichung – AK] nicht entnommen werden, dass … die Verwendung beim Menschen auch andere Resultate haben kann, als wie Sie beim direkten Verhör angegeben haben? – A: Grundsätzlich ist zu sagen, dass neue Untersuchungen selbstverständlich andere Ergebisse bringen können. Das ist eine Frage, die kein Mensch beantworten kann. …
F: Das [weiteres Zitat – AK] schließt jedoch die Möglichkeit nicht aus, nicht wahr, Herr Dr.? – A: Eine Möglichkeit schließt das natürlich nicht aus, aber eine Möglichkeit ist ja eine offene Frage. …
F: … Aus der Lektüre dieses, sagen Sie, sei es unmöglich für eine Person festzustellen, dass dies beim Menschen Wirkung haben würde? – A: … diese Arbeit [schildert ] den Zustand der Forschung, den man als einen Anfangszustand bezeichnen muss. Ein Voraussetzung für weitere Versuche, und eine Voraussetzung für eine vielleicht einmal mögliche Anwendung am Menschen, aber das habe ich nicht ausgesprochen, und ob das jemals der Fall sein wird, das kann kein Mensch auf dieser Welt behaupten, es sei denn, dass er ein Phantast ist.
F: Dann sagen Sie also, dass, wenn sorgfältige Experimente bei Tieren gemacht worden wären, es dann sein könnte, dass die Versuche beim Menschen zeigen würden, dass Caladium seguinum wirksam wäre; stimmt das? – A: Das ist eine offene Frage. Es gibt keinen Menschen auf dieser Welt, der sie mit ‘Ja’ oder ‘Nein’ beatworten kann. …
F: Dann waren Sie also der Ansicht, dass etwas Positives aus diesen Experimenten kommen könnte. Sie haben deshalb vorsätzlich versucht, sie zu verzögern und die Resultate vorzutäuschen, damit keine positiven Resultate erlangt werden könnten. – A: … ich habe schon gesagt, die Caladiumfrage ist eine offene Frage, und solange nicht klare Ergebnisse vorliegen, solange kann man nicht sagen, es ist eine Behandlung von Menschen damit möglich.
F: Und aus demselben Grunde können Sie nicht sagen, dass es unmöglich ist? – A: Nein, das kann kein Mensch auf dieser Welt sagen, unmöglich; aber man kann sagen, es ist zur Zeit unmöglich. Und es ist unsicher, ob es jemals möglich sein wird. Also es ist, um es ganz klar zu sagen, eine so offene Frage, als wenn man z.B. sagt, ‘werden wir im nächsten Monat mit etwa vorhandenen Bewohnern auf dem Mars telephonieren können?’ Dann kann ich Ihnen dazu sagen: ‘Ich weiß nicht, das ist eine offene Frage.’ Genau so verhält es sich mit Caladium. Ich habe trotzdem … die Versuche nicht durchgeführt, die mir aufgetragen worden waren, weil ich eben nicht weiß, und weil kein Mensch auf dieser Welt weiß, ob nicht bei solchen Versuchen doch vielleicht, auch gegen eine Erwartung, ein beachtliches Ergebnis herauskommt. Es weiß niemand, es kann auch niemand wissen, weil es noch nicht gemacht ist. …
F: Welches waren die Gründe für Ihre Bedenken, wenn Sie der Meinung waren, dass Caladium seguinum keine Wirkung bei der Anwendung auf Menschen hatte? – A: Weil es eine offene Frage ist und man niemals wissen kann, was bei solchen Untersuchungen herauskommen wird …
F: Sie sind nicht der Meinung …, dass es unmöglich sein werde, einen Menschen durch Verwendung von Caladium seguinum zu sterilisieren? – A: Man kann sagen, zu der Zeit, als wir die Arbeit geschrieben haben, und ich glaube auch heute, …, dass es unmöglich war und unmöglich ist; wie es in Zukunft sein wird, das kann – wie ich schon wiederholt gesagt habe – niemand wissen auf dieser Welt, weil es eben eine offene Frage ist.“ [78]
Der Freispruch
Das Gericht hatte es fürwahr nicht leicht, sich eine fundierte Meinung über ein wissenschaftliches Projekt zu bilden, dessen Ausgang unklar blieb, dessen Qualität und Relevanz von den Gutachtern uneinheitlich beurteilt wurde und dessen Hergang von zwei Zeugen – Tauböck und Koch – geschildert wurde, deren Aussagen womöglich von dem Bestreben beeinflusst waren, bei den Strafverfolgern keine allzu große Neugier bezüglich ihrer eigenen Rollen in dieser und in anderen Angelegenheiten (z.B. bei den Echinacin-Versuchen) zu wecken. Letzten Endes spielten all die fachlichen Details jedoch bei der Urteilsfindung gar keine Rolle, denn auf der Anklagebank saßen nicht die Madaus-Werke, die Homöopathie, die Volksheilkunde oder die Phytomedizin, sondern nur Dr. Pokorny.
Überlassen wir den Richtern das letzte Wort: „Im Fall von Pokorny ist es der Anklagevertretung nicht gelungen, den Beweis seiner Schuld zu erbringen. So ungeheuerlich und niedrig die Vorschläge in diesem Brief sind, liegt doch nicht der geringste Beweis dafür vor, dass jemals irgendwelche Schritte unternommen worden sind, um sie durch Versuche an Menschen zur Ausführung zu bringen. Wir erklären daher, dass der Angeklagte freigesprochen werden muss, nicht wegen, sondern trotz der Verteidigung, die er vorgebracht hat.“ [79]
Danksagung
Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Nebenestelle Ludwigsburg des Bundesarchivs und des Instituts für Zeitgeschichte (München) für ihre Hilfe bei der Quellenbeschaffung.
Literatur und Quellen
Die Orthografie der zitierten Quellen wurde nach den heutigen Regeln vereinheitlicht, offensichtliche Flüchtigkeitsfehler in Briefen und Protokollen wurden behoben.
„Prot.“ steht für das deutsche Protokoll der Hauptverhandlung im Ärzteprozess; Original im Staatsarchiv Nürnberg, Teile als Kopie im Bundesarchiv, Nebenstelle Ludwigsburg (Aktenordner „Verschiedenes, 301Bw, 156, Ahnenerbe“).
„NO-xxx“ ist die Dokumentnummer beim „Nuernberg Military Tribunal“ (NMT), Abteilung „Organisationen der Partei und SS“; Originale im Staatsarchiv Washington, deutsche Fassungen auf Mikrofilm im Institut für Zeitgeschichte (München), Teile als Kopie im Bundesarchiv, Nebenstelle Ludwigsburg (Korrespondenz Reichsführer: Aktenordner „RSHA 117, Dokumente, G, L, UII, UIII“).
„NMT01-Txxx“ bzw. „NMT02-Txxx“ steht für die eingescannte englische Fassung der zweibändigen NMT-Dokumentation, online unter www.mazal.org/archive/nmt/01 und /02.
[1] http://home.ivm.de/~Homoeopathie/geschichte.txt.htm reißt die Problematik zumindest an.
[2] www.madaus.de
[3] Dietrichkeit, G. (1991): Gerhard Madaus (1890-1942), ein Beitrag zu Leben und Werk. Dissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors der Naturwissenchaften (Dr. rer. nat.) des Fachbereiches Pharmazie und Lebensmittelchemie der Philipps-Universität Marburg/Lahn
[4] ebd., S. 137
[5] Prot. S. 4167ff., zit. in Mitscherlich, A. und Mielke, F. (1995): Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M., S. 90f.
[6] Klee, E. (2001): Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M., S. 163
[7] ebd., S. 180
[8] Dietrichkeit, S. 31
[9] Mitscherlich u. Mielke, S. 207ff.
[10] NO-409, zit. in Mitscherlich u. Mielke, S. 208ff.
[11] NO-409, zit. in Klee, S. 147
[12] Klee, S. 147f.
[13] Dietrichkeit, S. 7; Ersfeld, A. (1999): Augendiagnose. 40 Jahre Uslarer Kreis, in: Naturheilkunde 11/99
[14] Dietrichkeit, S. 104
[15] Madaus, G. (1938): Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Abteilung I: Heilpflanzen. Georg Thieme Verlag, Leipzig (Nachdruck 1979: Georg Olms Verlag, Hildesheim – New York), Bd. 1, S. 20
[16] Dietrichkeit, S. 14
[17] ebd., S. 19
[18] Madaus, Bd. 1, S. 39f.
[19] Dietrichkeit, S. 23 u. S. 97
[20] Prot. S. 10283f., Befragung des Zeugen Dr. F. E. Koch, 26. 6. 47
[21] Dietrichkeit, S. 19
[22] ebd., S. 13 u. 32f.
[23] ebd., S. 128
[24] ebd., S. 12; Prot. S. 10293
[25] Madaus, Bd. 1, S. 25
[26] Madaus, Bd. 2, S. 1248; Dietrichkeit, S. 49ff.; www.madaus.de
[27] Klee, S. 314f u. 321f.; Mitscherlich u. Mielke, S. 118
[28] NO-265, Stationstagebuch Dr. Ding, zit. in Klee, S. 334
[29] NO-571, Arbeitsbericht der Abteilung für Fleckfieber- und Virusforschung am Hygiene-Institut der Waffen-SS für das Jahr 1943
[30] Prot. S. 299, Anklage gg. Pokorny, 9. 12. 46, L. Brandbombenexperimente
[31] NO-579, Beweisstück der Anklage 288, einsehbar unter www.mazal.org/archive/nmt/01/NMT01-T904.htm und im digitalen Fotoarchiv des United States Holocaust Memorial Museum, www.ushmm.org, Fotos #78784 bis #78787
[32] NO-579, Protokoll zum Gutachten vom 2. Januar 1944 über ein R 17 genanntes Hautmittel gegen Phosphor-Kautschuk-Verbrennungen
[33] Schreiben von Dr. C. Schneider an die Verfasserin, 10. 5. 2001
[34] NO-205, Brack an Himmler, 23. 6. 42, zit. in Mitscherlich u. Mielke, S. 313f.
[35] NO-213, R. Brandt an Clauberg, 10. 7. 42, zit. in Mitscherlich u. Mielke, S. 319
[36] Mitscherlich u. Mielke, S. 318 u. 378; Klee, S. 439ff.
[37] Klee, S. 441ff.; Mitscherlich u. Mielke, S. 311ff.
[38] Dietrichkeit, S. 82; Madaus, Bd. 1, S. 444f.
[39] Prot. S. 10295, Befragung des Zeugen Dr. F. E. Koch, 26. 6. 47
[40] Madaus, Bd. 1, S. 768, sowie nächste Quelle
[41] Madaus, G. und Koch, Fr. E. (1941): Tierexperimentelle Studien zur Frage der medikamentösen Sterilisierung (durch Caladium seguinum [Dieffenbachia seguina]), Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin, Bd. 109, S. 68-87
[42] Mitscherlich u. Mielke, S. 308; Prot. S. 10300
[43] NO-035, Pokorny an Himmler, Oktober 41
[44] NO-036, Himmler an Pohl, 10. 3. 42
[45] NO-046a, Pohl an Himmler, 3. 6. 42
[46] Prot. S. 10293, Befragung des Zeugen Dr. F. E. Koch, 26. 6. 47
[47] NO-044, Aktenvermerk R. Brandt, 22. 6. 42
[48] NO-039, Gerland an Himmler, 24. 8. 42
[49] NO-040, R. Brandt an Gerland, 29. 8. 42
[50] NO-043, Gerland an R. Brandt, 14. 10. 42
[51] NO-041: Pohl an R. Brandt, 7. 9. 42
[52] Prot. S. 10300, Befragung des Zeugen Dr. F. E. Koch, 26. 6. 47
[53] ebd., S. 10289
[54] NO-3963, Eidesstattliche Erklärung Karl Wilhelm Friedrich Tauböck, 18. 6. 47, S. 2f.
[55] ebd., S. 7
[56] Prot. S. 10290, Befragung des Zeugen Dr. F. E. Koch, 26. 6. 47
[57] ebd., S. 10291-10306
[58] NO-440, Eidesstattliche Erklärung R. Brandt, zit. in NMT Vol. 1, S. 699 (www.mazal.org/archive/nmt/01/NMT01-T699.htm
[59] Dvorjetski, M. (1958): La plante stérilisante caladium seguinum et ses propriétés pharmacodynamiques. Revue Française de Gynécologie et d’Obstétrique, Année LIII, No 2, 139-151
[60] Prot. S. 10304, Befragung des Zeugen Dr. F. E. Koch, 26. 6. 47
[61] Mitscherlich u. Mielke, S. 356ff.
[62] ebd., S. 308
[63] www.mazal.org/archive/nmt/01/NMT01-T705.htm und -T706.htm
[64] NO-3347, zit. in www.mazal.org/archive/nmt/01/NMT01-T707.htm und im Gutachten Jung (Dok. Pokorny 30)
[65] NO-3488, Tauböck an Alexander, 28. 5. 46, S. 1
[66] ebd., S. 4
[67] Dok. Pokorny 30, Gutachten Jung, 27. 6. 47, Anhang III
[68] ebd.
[69] Dok. Pokorny 30, Gutachten Jung, 27. 6. 47, S. 5, 6, 8
[70] Madaus u. Koch, S. 76, 74f.
[71] Dok. Pokorny 30, Gutachten Jung, 27. 6. 47, S. 6f.
[72] Prot. S. 10313f., Befragung des Zeugen Dr. F. Jung, 26. 6. 47
[73] ebd., S. 10315
[74] Prot. S. 10294f., Befragung des Zeugen Dr. F. E. Koch, 26. 6. 47
[75] ebd., S. 10286
[76] ebd., S. 10291f.
[77] Prot. S. 292
[78] Prot. S. 10296-10308, Kreuzverhör durch Mr. Hardy
[79] Urteilsbegründung, S. 240f., zit. in Mitscherlich u. Mielke, S. 309
Infokasten 1: Echinacea
Der Igelkopf oder Sonnenhut gehört – wie Margerite und Gerbera – zu den Asteraceen (Korbblütlern) und ist in Nordamerika heimisch. Der Gattungsname leitet sich von gr. echinos = Igel ab und bezieht sich auf den stacheligen Fruchtboden. Die Indianer in Missouri und Nebraska haben der volksmedizinischen Überlieferung zufolge einen antiseptisch wirkenden Brei aus zerquetschten E. angustifolia auf schlecht heilende Wunden, Giftschlangenbisse und schmerzende Glieder aufgetragen und die Pflanze auch gegen Zahnschmerzen, Rachenentzündungen (Gurgellösung) und Fieber eingesetzt. Die Art E. purpurea (Roter Sonnenhut), aus der das Madaus-Produkt Echinacin® hergestellt wird, wird 60-100cm hoch.
Literatur:
Madaus, G. (1938): Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Abteilung I: Heilpflanzen. Georg Thieme Verlag, Leipzig (Nachdruck 1979: Georg Olms Verlag, Hildesheim – New York), Bd. 2, S. 1248ff.
Infokasten 2: Caladium seguinum = Dieffenbachia seguine
Das Schweigrohr, auch Gift-Aron oder Schierlings-Caladium, im Englischen Dumb Cane oder Mother-in-Law-Plant genannt, wird mannshoch, gehört zur Familie der Araceae (Aronstabgewächse) und wächst im tropischen Amerika, insbesondere im Amazonasgebiet Brasiliens, und auf den karibischen Inseln. Einige Arten der Gattung Dieffenbachia sind aufgrund ihrer bunten, schön gemusterten Blätter beliebte Zimmerpflanzen. C. seguinum enthält Oxalsäure und Calciumoxalat-Kristalle, Alkaloide, Saponin, Aminosäuren, Proteine (darunter Asparagin und das proteolytische Enzym Dumbcain) und cyanogene Glycoside (Triglochinin).
Der Name Schweigrohr geht auf den Einsatz der Pflanze in der Sklaven-Bestrafung auf den karibischen Inseln im 17. Jh. zurück: Ein Biss in den Stengel der Pflanze lässt Zunge und Mundschleimhäute stark anschwellen und ruft starken Speichelfluss hervor, sodass das Opfer etwa einen Tag lang nicht sprechen kann. Eine labile toxische Substanz im Saft ruft starke Hautreizungen und Augenentzündungen hervor. Weitere Symptome sind Hypocalcämie (wegen der Ausfällung des Blutcalciums), Nierenschädigung beim Ausscheiden der Calciumoxalat-Kristalle, Depression, Bradycardie, Kurzatmigkeit und tonische Krampfanfälle.
Das toxisches Prinzip ist noch nicht eindeutig charakterisiert; folgender Mechanismus ist wahrscheinlich: Caladium enthält in speziellen Schießzellen (Idioblasten), die in allen ihren Organen vorkommen, Calciumoxalat-Kristallnadeln (Raphiden), die bei Berührung in die Haut geschossen werden. Durch diese kleinen Wunden können andere giftige Inhaltsstoffe wie die Proteinase Dumbcain ins Gewebe eindringen. Durch Trocknung und Erhitzung werden die Idioblasten bzw. die schleimhautschädigenden Substanzen inaktiviert, sodass einige Caladium-Arten in Südamerika problemlos als Nahrungsmittel genutzt werden konnten.
Als Droge werden alle oberirdischen Teile der Frischpflanze, in der Homöopathie auch der Wurzelstock eingesetzt. In der Volksheilkunde wird bzw. wurde sie angeblich als Verhütungsmittel (bei den Caraïben auf den Antillen) und weibliches Aphrodisiakum eingesetzt, außerdem bei Dysmenorrhö, Appetitlosigkeit, Entzündungen, Gicht, Krebs, Geschwüren, Warzen, Schwindel etc. In der Homöopathie wird sie in D3 bis D6 bei Juckreiz der Genitalien, Gebärmutterkrämpfen, Impotenz, Erektionsschwäche, aber auch bei Nikotinentzug, Kopfschmerz, Vergesslichkeit, Lärmempfindlichkeit, Aufstoßen, Magendrücken, Insektenstichen, Atembeschwerden und Asthma verschrieben. In der Landwirtschaft kam sie als Insektizid zum Einsatz, bei der Zuckerherstellung als Kristallisationshilfe. Auch sollen die Amazonas-Indianer aus ihr ein Pfeilgift gewonnen haben, das ähnlich wie Curare eingesetzt wurde.
Literatur:
Dvorjetski, M. (1958): La plante stérilisante caladium seguinum et ses propriétés pharmacodynamiques. Revue Française de Gynécologie et d’Obstétrique, Année LIII, No 2, 139-151
Hiller, K., Melzig, M. (2000): Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
Madaus, G. (1938): Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Abteilung I: Heilpflanzen. Georg Thieme Verlag, Leipzig, Bd. 1, S. 766ff.
NO-3963, Eidesstattliche Erklärung Karl Wilhelm Friedrich Tauböck, 18. 6. 47
www.vetpharm.unizh.ch/giftdb/pflanzen/0029_vet.htm
Andrea Kamphuis
geb. 1966, studierte Biologie in Köln, Leiden (Niederlande) und Bonn. 1999 Promotion in Theoretischer Biologie (Analyse und Simulation der Schwerkraftorientierung schwimmender Einzeller) bei Prof. Wolfgang Alt, Bonn. Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie sowie der GWUP; Beisitzerin im GWUP-Vorstand und Redaktionsleiterin des Skeptiker (mit Inge Hüsgen und Stephan Matthiesen). Zurzeit arbeitet sie selbständig als Literaturübersetzerin und -lektorin, Schwerpunkt naturwissenschaftliches Sachbuch.