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Von Dirigenten, Schlusssteinen und ungeladenen Gästen

Einen Mangel an Metaphern und Analogien kann man der Mikrobiom-Fachliteratur wahrlich nicht vorwerfen.

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George Hajishengallis (2013) diskutiert zum Beispiel die Frage, ob das Bakterium Porphyromonas gingivalis bei Parodontitis den entzündlichen Knochenverlust wirklich verursacht oder eher dirigiert („orchestrates“). Ein anderes Bild für denselben Sachverhalt: So, wie erst der Schlussstein („keystone“) einen Trockenbau-Mauerbogen zusammenhält, ist dieses Bakterium ein zentraler Bestandteil der entzündlichen Mundflora, aber nicht die alleinige Ursache der Erkrankung.

Im Netzwerk der gegenseitigen Abhängigkeiten im Ökosystem eines dysbiotischen Mikrobioms sitzen solche „keystone species“ wie die Spinnen im Netz (schraffierter Kreis): Sie erleichtern vielen anderen Arten, die zur Krankheit beitragen, das Überleben und profitieren ihrerseits von vielen weiteren Organismen. Nur wenige Arten im System sind gar nicht auf andere Organismen angewiesen. Im Netzwerk rechts sind sie mit Sternchen markiert, im Torbogen links ruhen sie direkt auf dem Erdreich.

Kultivieren – und damit durch Standardtests eindeutig nachweisen – lassen sich bisher oft nur diejenigen Arten eines Mikrobioms, die nicht auf die anderen Organismen angewiesen und insofern für das Gesamtgefüge eher untypisch sind: eben die untersten Steine des Bogens.

Genau wie in einem dysbiotischen Mikrobiom (zum Beispiel dem Biofilm bei einer Parodontitis oder der Darmflora bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung) stabilisieren sich auch die Arten in einem homöostatischen Mikrobiom (zum Beispiel einer gesunden Mund- oder Darmflora) gegenseitig: Die Ausscheidungen der einen Art dienen der nächsten als Rohstoffe. Die Arten nutzen alle Ressourcen so gründlich, dass ein Eindringling schlechte Karten hat, weil es für ihn keine Nische gibt.

In einem stabilen Mikrobiom beeinflussen die Teilnehmer außerdem ihre Umwelt so, dass die Bedingungen für ihr eigenes Gedeihen und das Gedeihen ähnlicher Organismen ideal sind (pH-Wert, Nährstoffe, Sauerstoffgehalt usw. – siehe Gleich und gleich gesellt sich gern). Ein Eindringling, der andere Bedürfnisse hat (hier: Pathogen = Biertrinker), hat so lange schlechte Karten, wie die übrige Gemeinschaft (hier: Kommensalen = Weintrinker) stabil bleibt.

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Wird die etablierte Gemeinschaft aber destabilisiert, beispielsweise durch Antibiotika, durch Attacken des Immunsystems oder durch eine hartnäckige Diarrhö, können sich Eindringlinge ausbreiten und ein neues Beziehungsgeflecht aufbauen – sozusagen eine Biertrinker-Kultur. Jessica Ferreyra et al. (2014) sprechen von „Party Crashers“, also ungeladenen Gästen. Auf einmal sind die alten Kommensalen in der Minderheit, und sie kommen mit den neuen Umweltbedingungen nicht zurecht, sodass sie die Hegemonie nicht einfach zurückerobern können.

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Jetzt befindet sich das System im rechten tiefen Tal in der untersten Abbildung im Artikel über die Resilienz, und es bedürfte einer erneuten „Kulturrevolution“, um es wieder in den homöostatischen Zustand zurückzubewegen – sofern das überhaupt möglich ist.