Geschlechtschromosomen und der Frauenüberschuss bei Autoimmunerkrankungen

Deborah L. Smith-Bouvier et al., A role for sex chromosome complement in the female bias in autoimmunge disease. J. Exp. Med. Vol. 205 No. 5, 2008, doi: 10.1084/jem.20070850

Zusammenfassung von Abstract, Einleitung und Diskussion, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet. (Die Studie kommt auch in meinen Notizen zu einem Review von Rhonda Voskuhl zur Sprache, die eine der Koautorinnen dieses Artikels ist.)

Abstract

In der Studie wurde geprüft, ob die Erkrankungswahrscheinlichkeit und -schwere bei zwei Tiermodellen für MS und SLE, nämlich experimenteller Autoimmun-Enzephalomyelitis (EAE) und Pristan-induziertem Lupus, auch unabhängig von den Sexualhormonen durch die Gegenwart der Geschlechtschromosomen X und Y beeinflusst werden. Zu diesem Zweck wurden transgene SJL-Mäuse erschaffen, in denen man die Geschlechtschromosomensätze XX und XY bei identischem Gonadentyp (Eierstöcke oder Hoden) vergleichen konnte. XX-Mäuse erwiesen sich als anfälliger für beide Erkrankungen als XY-Mäuse. Offenbar vermittelt die XX-Ausstattung eine größere Empfänglichkeit für Autoimmunerkrankungen.   

Einleitung

Die bereits nachgewiesenen Effekte der Sexualhormone auf Autoimmunerkrankungen könnten weitere Effekte der Geschlechtschromosomen überdecken. Bei männlichen Säugetieren liegt das Gen Sry, das für die Ausbildung von Hoden zuständig ist, in denen dann männliche Hormone gebildet werden, nämlich auf dem Y-Chromosom. Weitere Effekte könnten von der Expression von Genen in der nicht rekombinierenden Region des Y-Chromosoms, von herkunftsbedingten Unterschieden in der X-Gen-Expression (mütterlich oder väterlich) oder von Dosiseffekten bei Genen in der nicht pseudoautosomalen Region des X-Chromosoms ausgehen.

Um solche Effekte aufzuspüren, wurden Mäuse erzeugt, bei denen das für die Hodenentstehung zuständige Sry-Gen teils einfach fehlt, teils vom Y-Chromosom auf ein Autosom verlagert ist. So kann man XX- und XY-Mäuse mit Eierstöcken und weiblichem Hormonhintergrund miteinander vergleichen sowie XXSry– und XYSry-Mäuse mit Hoden und männlichem Hormonhintergrund.

Diskussion

Den untersuchten Mäusen, bei denen sich die XX-Individuen als krankheitsanfälliger für EAE und Lupus erwiesen als die XY-Individuen, waren nach Eintritt der Geschlechtsreife die Gonaden entfernt worden, da ihre Sexualhormone die Krankheitsanfälligkeit nicht beeinflussen sollten. Dass die Entwicklungshormone einen Langzeiteffekt hatten, der die Krankheitsanfälligkeit dennoch beeinflusste, halten die Autoren angesichts zusätzlicher Tests (z. B. Messung der Testosteronspiegel) für sehr  unwahrscheinlich.

Die Th2-Zytokin-Produktion (IL-13, IL-4, IL-10), die mit einem Schutz vor EAE in Verbindung gebracht wird, fiel bei Zellen aus XY-Mäusen deutlich höher aus. Während die Spätphase von murinem Lupus als Th2-vermittelt gilt, konnte die Frühphase durch Gabe von Th2-Zytokinen wie IL-4 und IL-10 gebremst werden. Insofern könnte auch die geringere Anfälligkeit der XY-Mäuse für Pristan-induzierten Lupus auf die höhere Th2-Zytokin-Produktion zurückgehen.

Nicht alle X-Gene werden von der Inaktivierung des zweiten X-Chromosoms erfasst. Die im Vergleich zu den XY-Mäusen stärkere Expression von IL-13Rα2 (nicht aber IL-13Rα1) bei XX-Mäusen könnte daher ein Dosiseffekt sein. IL-13Rα2 könnte als Attrappenrezeptor (decoy receptor) die Schutzwirkung der Th2-Zytokine verringern. Ein ähnlicher selektiver Anstieg von IL-13Rα2, nicht aber IL-13Rα1, wurde auch bei anderen Tiermodellen für entzündliche Immunerkrankungen festgestellt, z. B. Oxazolon-induzierter Colitis.

Zu den zahlreichen weiteren Kandidaten für relevante X-Gene zählen CD40-Ligand, FoxP3 und der Toll-like-Rezeptor 7. Zu einem möglichen X-Dosiseffekt im Lupus-Modell passt auch, dass XXY-Männer und XX-Frauen ein ähnlich hohes Lupus-Risiko haben, während X0-Frauen nur sehr selten Lupus bekommen. Allerdings könnte das auch an den Sexualhormonen liegen. Sinnvoll wären daher Studien mit X0-Mäusen, bei denen man die Hormonwirkung ausschließen kann.

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