Über- und Unterrepräsentation bakterieller Proteine bei Morbus Crohn

Juste C et al. Bacterial protein signals are associated with Crohn’s disease. Gut Online first, doi:10.1136/gutjnl-2012-303786 (2104)

(Zusammenfassung nur bzgl. der Funktionen der bei M. Crohn über-/unterrepräsentierten Bakterienproteine; deren Verwendbarkeit als qualitative oder gar quantitative diagnostische Marker interessiert mich nicht.)

Abstract: Analyse der bakteriellen Proteine aus dem Darm von Morbus-Crohn-Patienten zeigt: Viele Proteine aus Bacteroides überrepräsentiert (auch im Vergleich zur Zahl der Bacteroides, also echte Überexpression); Funktion: ermöglichen opportunistischen Bakterien Besiedlung der Schleimschichten, Überwindung der Barriere und Schleimhaut-Invasion. Mit der Überexpression der z. T. stark immunogenen Proteine geht eine stärkere IgA-Bedeckung der Bakterienzellen bei Morbus Crohn einher. Unterrepräsentiert (schwach exprimiert) sind v. a. Proteine von Firmicutes und einigen Prevotella-Arten sowie aus unserem eigenen Proteom das Pankreas-Zymogen-Granulamembran-Glykoprotein 2 (oder wie auch immer das auf Deutsch heißen mag), kurz GP2, das normalerweise an Bakterien bindet und so wohl deren Adhäsion am Schleim und damit eine Entzündungsreaktion verhindert.* 

Intro: M. Crohn = Teufelskreis, Mutualismus bricht zusammen. Humanes Mikrobiom: 10 hoch 13 bis 10 hoch 14 Mikroorganismen, etwa 1000 Arten, die meisten davon anaerob und bislang unkultivierbar (20-30% unserer Darmbakterien können in Reinkultur vermehrt werden).

Ergebnisse: 30 Bakterienproteine bei Crohn-Patienten stärker vertreten, davon 25 aus dem Stamm Bacteroidetes, v. a. Bacteroides-Arten, 3 aus dem Stamm Firmicutes, Ordnung Clostridiales, und 2 aus dem Stamm Proteobacteria. 2 Menschenproteine überrepräsentiert: IgA und Carboxypeptidase A1. 29 Bakterienproteine bei Crohn unterrepräsentiert: 18 aus Firmicutes (wohl alle aus der Ordnung Clostridiales), 3 aus Prevotella-Arten, 3 aus undefinierten Bacteroidales, 1 aus Escherichia coli und 4 aus unbekannten Baktrien. Humanes GP2 (ein pankreatisches Glykoprotein aus der Membran von Zymogen-Granula; Zymogen = inaktives Proenzym) ebenfalls unterrepräsentiert.*

Überrepräsentierte Bacteoides-Proteine an Schutz vor oxidativem Stress, Proteinsynthese, -faltung und -reparatur, Energiesparen und starkem Kohlenstoffdurchsatz in der Glykolyse und um Pentosephosphatstoffwechsel beteiligt, außerdem an Biosynthese von Vorprodukten für den reduktiven Zweig des Citratzyklus, der Nährstoffgewinnung, der Wahrnehmung von Umweltsignalen, der Adhäsion und der Kolonisation. Einige dieser Proteine lösen starke Immunreaktionen aus.

Bei Morbus Crohn ist die Artenvielfalt im Mikrobiom reduziert und die Artenzusammensetzung verschoben, aber die gemessenen Proteinmengen sind nicht allein durch Zu- oder Abnahme von Bakterienarten zu erklären, sondern deuten außerdem auf eine Über- oder Unterexpression in den vorhandenen Bakterien hin.

Die Funktionen der überrepräsentierten Bacteroides/Bacteroidales-Proteine hängen mit dem Überleben unter schwierigen Umweltbedingungen zusammen: Chaperone (d. h. Reparatur fehlgefalteter Proteine) helfen bei oxidativem, nitrosativem, osmotischem, pH-Wert- und Nährstoff-, der wahrscheinlich im Darm von Crohn-Patienten herrscht. Die Bakterien kommen so besser mit reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspecies zurecht.

Auch Proteine für Bindung und Import von Nährstoffen überrepräsentiert, vielleicht wegen erhöhten Bedarfs an Kohlenstoffverbindungen und/oder Spurenelementen zum Betrieb eines erhöhten Grundumsatzes der Bacteroidales. Ebenfalls Enzyme, die die Energieausbeute aus Einfachzuckern (Monosacchariden) in Bacteroidales maximieren. Schließlich Proteine wie PepD, die die Oberflächenbesiedlung durch Bacteroides fördern. Passt alles zu unserem Verständnis von morbus Crohn: Opportunisitische Pathogene wie Bacteroides fragilis können so Schleimschichten besiedeln, Barriere überwinden, in Schleimhaut eindringen. Einige der Proteine regen sowohl angeborene als auch erworbene Immunität an, fördern Virulenz gramnegativer Bakterien.

Umgekehrt scheinen die meisten Clostridiales und einige Prevotella-Arten mit den veränderten Umweltbedingungen bei Crohn nicht zurechtzukommen. Beim potenziell entzündungshemmenden Faecalibacterium prausnitzii und bei Prevotella-Arten fehlen wichtige Proteine für ihre Glykolyse und ihren Pentosephosphathaushalt.

Der Mangel an humanem GP2, das an Darmbakterien gebunden ist, könnte Adhäsion der Bakterien an Schleim und damit Entzündung fördern. Dazu passt, dass bei CED-Patienten die bakterielle Biomasse im Schleim erhöht ist und der Schleimhaut oft ein Biofilm aus Bacteroides fragilis anhaftet. Bei Crohn-Patienten wurde auch ein erhöhter pankreatischer Anti-GP2-Antikörpertiter gemessen (Roggenbuck et al. 2009).

* Nachtrag, 22.03.: GP2 ist keineswegs nur dazu da, die Adhäsion von Bakterien zu verhindern. In der Membran von M-Zellen in der Darmschleimhaut trägt es vielmehr durch Bindung an das bakterielle Pilus-Protein FimH zum spezifischen Transport von Salmonella enterica durch die M-Zelle in die Peyer-Patches bei (Peterson/Artis 2014).

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