Literatur zum Immunsystem der Pflanzen, Teil 1

Um den Auswertungsrückstand aufzuholen, werde ich alle Artikel, die ich zum Thema „pflanzliches Immunsystem“ gelesen habe, auflisten, verlinken, verschlagworten und ggf. grob zusammenfassen. Das ist sicher nicht schön zu lesen, ja vermutlich total unverständlich, hilft mir aber, Informationen rasch wiederzufinden, wenn ich das entsprechende Buchkapitel schreibe.

Die Artikel sind nicht alphabetisch sortiert, sondern grob thematisch gruppiert. Den ersten, relativ alten Text fasse ich ausführlicher zusammen, weil sich in ihm einige grundlegende Konzepte abzeichnen.

Roger W. Innes: Guarding the goods. New insights into the central alarm system of plants. Update to Pathogen Recognition. Plant Physiol. 2004 Jun;135(2):695-701. doi: http:/​/​dx.​doi.​org/​10.​1104/​pp.​104.​040410
Indirekte Pathogen-Überwachungssysteme in Pflanzen. H. H. Flor 1956: Lein-Rostpilz und Lein; in der Pflanze Resistenzgen R, im Pathogen Avirulenzgen avr; Parallelen zur Wechselwirkung zwischen Antigen und Antikörper. Seither über 50 pathogenspezifische R-Gene in 10 Pflanzenarten (Einkeimblättrige/Monokotyledonen und Zweikeimblättrige/Dikotyledonen) identifiziert.  

Proteine: Transmembranrezeptoren mit und ohne Kinase-Domain, zytosolische Kinasen, zytosolische Prozeine mit möglicher Nukleotidbindungsstelle (NB). Außer den zytosolischen Kinasen alle mit leukinreichen Repeats (LRR), die einer diversifizierenden Selektion zu unterliegen scheinen → Bindungsstellen für Pathogen-Proteine oder Pathogen-induzierte Proteine? Größte Klasse NB-LRR vermittelt Resistenz gegen Viren, Bakterien, Oomyzeten und Pilze, sogar Nematoden und Blattläuse. 2 Unterklassen: TIR-NB-LRR ähneln tierischen Toll- und Interleukin-1-Rezeptoren; die anderen enthalten eine Coiled-Coil-Domain (CC).

Arabidopsis: wahrscheinlich nicht mehr als 250 funktionstüchtige R-Gene; das kann reichen, wenn nicht pathogenspezifische Epitope erkannt werden, sondern die Schäden, die die Pathogene anrichten. R-Proteine im Zytoplasma nötig, weil Bakterien Avirulenz-Proteine mit Typ-III-Sekretionssystemen (TTSS) ins Innere der Zellen verfrachten – wohl um Abwehrreaktionen der Pflanze zu unterdrücken. Auch einige Pilze transportieren Avirulenzfaktoren durch die Zellmembran. Programmierter Zelltod, hypersensitive Reaktion (HR): Endpunkt komplexer physiologischer Änderungen, die die Pathogenvermehrung durch toxische Metaboliten und Entzug von Nährstoffen und Wasser hemmen. Proteasen aus Pathogenen induzieren HR.

Guard hypothesis/Wächter-Hypothese: NB-LRR-Proteine bewachen die Ziele der Virulenzproteine der Pathogene, melden deren Schäden. Indizien: Tomaten: Gen Pto codiert eine Proteinkinase, die das Ziel von P.-syringae-Avirulenzproteinen AvrPto ist, PRF (ein NB-LRR) ist dessen Wächter. Arabidopsis: P.-syringae-Effektoren AvrB und AvrRpm interagieren mit RIN4-Protein von Arabidopsis (Phosphorylierung), das wiederum in Kontakt mit dem NB-LRR-Protein RPM1 steht. Ein dritter P.-syringae-Effektor, AvrRpt2, schaltet diesen Wächter aus. RIN4 hat noch mind. einen 2. Wächter: das NB-LRR-Protein RPS2. Erkennung des P.-s.-Effektors AvrPphB in Arabidopsis erfordert sowohl das NB-LRR-Protein RPS5 als auch die Proteinkinase PBS1. Der Effektor zerschneidet die Aktivierungsschleife von PBS1, was die RPS5-vermittelte Abwehr auslöst. RPS5 bewacht also PBS1 und meldet Schäden.

Es gibt aber auch direkte physikalische Wechselwirkungen zwischen pflanzlichen NB-LRR-Proteinen und Pathogenproteinen.

Hinweise auf Mechanismus der Abwehrauslösung durch NB-LRR-Proteine: NB-Domäne hat erhebliche Ähnlichkeit zu tierischen Proteinen, die den programmierten Zelltod und die Immunantwort steuern. NB-ARC-Domäne = nukleotidbindend und Apaf-1-, R- und Ced-4-ähnlich. Es wurden etliche Säugetier-NB-ARC-Proteine (z. B. NOD1 und NOD2, die an der angeborenen Immunabwehr beteiligt sind und durch bakterielle Peptidoglykan-Fragmente aktiviert werden) mit C-terminalen LRR-Domänen identifiziert, die eine ganz ähnliche Struktur haben wie pflanzliche NB-LRR-Proteine. Allerdings haben ihre N-Termini Caspase-Recruitment-Funktion. (Caspasen sind maßgeblich an Apoptose = programmiertem Zelltod beteiligt.)

Induced-proximity-Modell für die NOD-Protein-Aktivierung: NB-ARC-Domänen vermitteln eine Homooligomerisierung, die durch die C-terminalen Domänen verhindert wird (NOD = Nukleotidoligomerisierungsdomäne). Oligomerisierung von Apaf-1 oder NOD1 bringt Signalproteine zusammen, die physikalisch mit den Caspase-Recruitment-Domänen assoziiert sind. Diese induzierte Nähe der Downstream-Signalproteine führt dann zu einerAktivierung der Apoptose- und Entzündungs-Reaktionswege. Vielleicht führt ATP-Hydrolyse zu einer Konformationsänderung und zur Demaskierung einer Ligandenbindungstasche in der WD-40-Repeat-Domäne, und die Ligandenbindung induziert eine Konformationsänderung, die eine Selbstoligomerisierung über die NB-ARC-Domäne ermöglicht.

Unklar, ob auch die NB-ARC-Domäne von pflanzlichen NB-LRR eine Selbstoligomerisierung vermittelt. Am besten erforscht: Rx-Protein in der Kartoffel, das zur CC-NB-LRR-Unterklasse gehört, eine Resistenz gegen PVX (potato virus X) vermittelt und durch das PVX-Hüllprotein aktiviert wird. Das Hüllprotein scheint aber nicht physikalisch mit Rx in Kontakt zu treten.

Welche Funktion hat die stark konservierte Nukleotidbindungsdomäne (NB)  pflanzlicher NB-LRR-Proteine? Bindet in Tomaten spezifisch ATP; vermutlich ist ATP-Hydrolyse an der Proteinaktivierung beteiligt. Parallelen zu humanem Apaf-1: Dessen Bindung an den Liganden Cytochrom C und die anschließende Oligomerisierung setzen dATP oder ATP voraus. Bei dessen Hydrolyse kommt es wohl zu Konformationsänderungen. [Abb. 1: spekulatives Induced-proximity-Modell am Bsp. des humanen Apaf-1-Proteins]

→ Modifikation des Liganden (eines Wirtsproteins) durch ein Virulenzprotein aus dem Pathogen könnte ATP-Hydrolyse durch das NB-LRR-Protein auslösen, dessen Konformation sich so ändert, dass es zur Oligomerisierung kommt. Wenn das ADP dissoziiert wird das Signal inaktiviert. Das NB-LRR-Protein muss ein neues ATP binden, um wieder aktiv zu werden.

Weitere Komponenten des pflanzlichen Alarmsystems: Viele NB-LRR-Proteine interagieren mit zytosolischen HSP90-Proteinen, was entweder für die Faltung der NB-LRR-Proteine oder für die Bildung eines stabilen NB-LRR-Komplexes nötig zu sein scheint. Die HSP90-Proteine könnten bei der mutmaßlichen Zusammesetzung des NB-LRR-Resistenzproteinkomplexes durch zwei weitere konservierte Proteine unterstützt werden: RAR1 und SGT1. Letzeres interagiert auch mit einem SCF-Ubiquitin-Ligase-Komplex und dem COP9-Signalosom, könnte also durch die Regulierung des Proteinabbaus an mehreren Signalwegen beteiligt sein.

Schluss: Viele, wenn nicht alle Pathogene werden von/in den Pflanzen indirekt durch die enzymatische Aktivität ihrer Virulenzproteine entdeckt. Noch ist aber nicht eindeutig belegt, dass ein verändertes Wirtsprotein die NB-LRR-Signalgebung direkt aktiviert. Ebenso ist [2004] noch unbekannt, wie die NB-LRR-Proteine dann die Abwehr aktivieren.

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