Fregattvogelweibchen „erschnüffeln“ Partner mit möglichst unterschiedlichem Haupthistokompatibilitätskomplex

Fregattvogelmännchen; Foto: Jason Corriveau

Notizen zu Frans A. Juola und Donald C. Dearborn, „Sequence-based evidence for major histocompatibility complex-disassortative mating in a colonial seabird“. Proc. R. Soc. B, 5. Mai 2011, doi:10.1098/rspb.2011.0562

Der Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC für major histocompatibility complex) ist eine Genfamilie mit vielen unterschiedlichen Genvarianten oder Allelen. Dieser genetische Polymorphismus ermöglicht es den in den Genen codierten Proteinkomplexen, die zum Immunsystem gehören, viele verschiedene Antigene zu erkennen und somit unterschiedlichste Pathogene zu bekämpfen.

Offenbar können viele Tiere flüchtige Abbauprodukte der im MHC-Proteine riechen und so unbewusst den MHC potenzieller Partner mit dem eigenen MHC vergleichen. Der Hypothese der genetischen Kompatibilität zufolge suchen sich Weibchen (und Frauen) Paarungspartner aus, deren MHC sich möglichst stark vom eigenen unterscheidet – und zwar entweder, um die sogenannte Immunkompetenz ihres Nachwuchses zu erhöhen, oder zur allgemeinen Inzuchtvermeidung.  

Während der Umstand als solcher schon länger bekannt und bei zahlreichen Tierarten nachgeweisen ist, war es bislang methodisch schwierig, zwischen den beiden Erklärungsmöglichkeiten zu unterscheiden. Die Autoren haben dies nun in einer großen Kolonie von Bindenfregattvögeln (Fregata minor) untersucht, die seriell monogam leben und pro Brutsaison jeweils ein einziges Junges haben. Sie entnahmen 46 Paaren und ihren Jungen Blutproben und sequenzierten das 2. Exon des MHC Klasse II B sowie zum Vergleich einige nicht codierende Mikrosatelliten-DNA-Abschnitte.

Das 2. Exon wurde für die Sequenzierung ausgewählt, weil es den am stärksten polymorphen Bereich der peptidbindenden Region des MHC-Klasse-II-Komplexes codiert. Offenbar liegt es im Genom dieser Fregattvogelart an zwei Genorten vor. (Gäbe es noch mehr Kopien, so fiele die Analyse erheblich schwieriger aus.) Insgesamt fanden die Forscher bei den 92 untersuchten Elterntieren 44 unterschiedliche DNA-Sequenzen des 2. Exons, die sich (wegen der Redundanz im genetischen Code) in 40 unterschiedliche Aminosäuresequenzen umsetzten. Gut 17% der Vögel verfügten über zwei unterschiedliche Allele und je gut 41% über drei bzw. vier Genvarianten.

Von den 46 Jungtieren stammten 4 genetisch nicht von ihren sozialen Vätern ab; einige Fregattvogelweibchen gehen also fremd. Der Vergleich der MHC-Gensequenzen sowie der Mikrosatelliten-DNA-Sequenzen der Elterntiere zeigte: Während sich die Partner in ihrer Mikrosatelliten-DNA weder stärker noch schwächer unterscheiden, als es bei Zufallspaarungen der Fall wäre, divergieren die aus den DNA-Sequenzen abgeleiteten Aminosäuresequenzen der MHC-Proteine deutlich stärker als bei zufälligen Paarverbindungen.

Bei den vier Jungvögeln, die aus Seitensprüngen hervorgingen, ähnelten sich die MHC-Sequenzen der Mütter und der sozialen Väter stärker als bei den übrigen Paaren – wobei dieses Ergebnis aufgrund der kleinen Zahl statistisch nicht signifikant war. (Die biologischen Väter, auf die die Mütter mutmaßlich wegen des besser geeigneten, nämlich stärker vom eigenen Erbgut abweichenden MHC-Profils ausgewichen waren, konnten in der riesigen Kolonie natürlich nicht ausfindig gemacht werden.)

Daraus schließen die Autoren, dass die Weibchen sich tatsächlich Sexualpartner aussuchen, die ihren eigenen Haupthistokompatibilitätskomplex gut ergänzen, und ihren Jungen damit bessere Chancen verschaffen, Infektionen abzuwehren. Die starken Unterschiede in den MHC-Sequenzen scheinen keine Begleiterscheinungen einer allgemeinen Inzuchtvermeidung zu sein, denn sonst müssten auch die Mikrosatellitensequenzen stärker voneinander abweichen.

Ein ähnliches „disassortatives Paarungsverhalten“ anhand des MHC-Genotyps zeigen auch andere Tiere, darunter Lemuren und Lachse. Bei anderen Vogelarten wurde auch schon nachgewiesen, dass Exemplare mit einer größeren MHC-Vielfalt höhere Überlebenschancen haben. Bei den Fregattvögeln steht dieser Beleg noch aus, aber da sie in großen, dichten Kolonien leben, in denen Parasiten und Keime leicht übertragen werden, erscheint diese Annahme plausibel.

Auch das Balzverhalten der Bindenfregattvögel passt zum Ergebnis: Die Weibchen treffen zunächst anhand der auffälligen sekundären Geschlechtsmerkmale der Männchen (Kehlsäcke und der Balzrufe) eine Vorauswahl, indem sie über die werbenden Männchen hinwegfliegen. Bei Wohlgefallen lassen sie sich dann neben einem Männchen nieder, und die beiden Tiere putzen sich gegenseitig das Gefieder. Oft kommt es dann zum Abbruch; das Weibchen fliegt einfach fort und nimmt die Suche wieder auf. Da Peptide aus MHC-Proteinen zum Geruchsprofil eines Individuums beitragen können, nutzen die Weibchen vermutlich den Körperkontakt, um zu „erschnuppern“, ob das MHC-Profil des potenziellen Partners sich hinreichend von der eigenen Ausstattung unterscheidet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.