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Abb. 249: Wie eine Immunneuropathie entsteht

1. Eine antigenpräsentierende Zelle (hier eine dendritische Zelle) gewinnt ein Antigen aus einem Pathogen. Die Infektion bemerken wir oft gar nicht; sie ist »stumm« oder »maskiert«.

2. Die antigenpräsentierende Zelle zeigt das Antigen und einen Kostimulator (die Kerze) vor. T-Helferzellen mit passendem T-Zell-Rezeptor werden aktiviert.

3. Die T-Helferzellen aktivieren B-Zellen mit derselben Antigen-Spezifität.

4. Die B-Zellen stellen Antikörper gegen das Antigen her und bekämpfen so die Infektion.

5. Einige T-Zellen überwinden die Blut-Hirn-Schranke und verwechseln Teile der Myelinscheiden um die Nervenzellen mit dem Pathogen-Antigen.

6. Myelinscheiden sind fettreiche Membranen von Schwann-Zellen: Gliazellen, die um Axone (Nervenzellausläufer) gewickelt sind und eine Isolationsschicht bilden. Sie sind für die
Weiterleitung von Nervenimpulsen notwendig. Links ein Längsschnitt durch ein Axon und seine Myelinscheide, rechts ein Querschnitt.

7. Die autoreaktiven T-Zellen rekrutieren Zellen der angeborenen Abwehr, zum Beispiel Makrophagen.

8. Die angelockten Immunzellen greifen die Myelinscheiden an. Das kann zu einer Lähmung
führen.

9. Bei einigen Immunneuropathien aktivieren autoreaktive T-Helferzellen auch autoreaktive
B-Zellen.

10. Die B-Zellen stellen Autoantikörper her, die an Myelinscheiden binden und so die Attacken anderer Immunzellen verstärken. – Medikamente oder die Selbstregulation des Immunsystems können die Angriffe rechtzeitig beendet. Dann bauen überlebende Gliazellen die Myelinscheiden allmählich wieder auf. Die Nerven können wieder Impulse weiterleiten; die Lähmung geht zurück.

11. Bleibt die Myelinscheide dagegen defekt, strömen durch Ionenkanäle massenhaft Ionen (z. B. Kalzium) in die Nervenzellen ein. Die Mitochondrien schwellen an und schädigen die Axone (Sterne). Dann sterben die Axon-Enden (Kreuze), und der Kontakt zu anderen Nervenzellen bricht ab.

12. In der Nähe können sich Lymphfollikel bilden, in denen autoreaktive B-Zellen eine Affinitätsreifung durchlaufen. Außer antikörperproduzierenden Plasmazellen entstehen dabei Gedächtniszellen, durch die die Autoimmunreaktion chronisch werden kann.

13. In anderen Fällen verhindern regulatorische T-Zellen die Chronifizierung: Sie schicken die autoreaktiven Lymphozyten rechtzeitig vom Platz und beenden die Immunreaktion.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Schmerz

Achtung, lang – aber am Ende ist man wirklich schlauer!

Ein schwieriges Thema

Viele Menschen mit Autoimmunerkrankungen leiden unter Schmerzen, die ihre Lebensqualität erheblich mindern und schwer zu bekämpfen sind. Ich bin von starken Schmerzen in den letzten Jahren zum Glück weitgehend verschont geblieben und hatte – wohl auch deshalb – in meinem Buch kein Kapitel über die Zusammenhänge zwischen Schmerz und Autoimmunstörungen vorgesehen. Schließlich ist mein Thema ohnehin schon furchtbar vielschichtig, auch wenn man die Wechselwirkungen zwischen dem (gesunden oder entgleisten) Immunsystem und dem (intakten oder beschädigten) Nervensystem ausklammert.

Aber dann erreichte mich eine ziemlich verzweifelte Anfrage von jemandem, der gerade höllische Schmerzen durchlitt und einen Zusammenhang mit einer Autoimmunerkrankung vermutete. Zwar konnte ich ihm leider nicht helfen; ich gebe grundsätzlich keine Diagnose- oder Therapieempfehlungen ab, da das meine Kompetenzen weit überschreiten würde. Aber mein Interesse war geweckt, und ungefähr zur selben Zeit wies mich ein Freund auf eine gute neue Übersichtsarbeit zu Schmerz bei Autoimmunerkrankungen hin. Und so habe ich mich doch in dieses Feld gestürzt, viel dazu gelesen, mit der fremden Fachterminologie gekämpft und einiges gelernt.

Was ist Schmerz?

Intuitiv weiß jeder, was mit Schmerz gemeint ist, aber es hilft ungemein, sich die genaue Definition anzusehen. Die Internationale Gesellschaft zur Erforschung des Schmerzes (IASP) spricht von einem „unangenehmen, heftigen Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschäden einhergeht“. Schmerz ist also kein unmittelbarer Sinnesreiz, sondern das Ergebnis einer aufwändigen Signalverarbeitung in der Peripherie (also etwa am Ort der auslösenden Verletzung), im Rückenmark und im Gehirn. An dieser Signalverarbeitung beteiligen sich neben den Nervenzellen oder Neuronen auch die sogenannten Gliazellen (ein Sammelbegriff für alle Zellen im zentralen Nervensystem, die keine Neuronen sind) und, wie sich inzwischen gezeigt hat, etliche Zellen des Immunsystems.

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An der Schmerzentstehung sind die Nervenendigungen im peripheren Nervensystem (1), das Hinterhorn des Rückenmarks (2) und das Gehirn (3) beteiligt. Das Rückenmark zählt zum zentralen Nervensystem.

Etwas enger gefasst ist ein dem Schmerz verwandter Begriff, die Nozizeption. Noxen (vom lateinischen nocere = schaden) sind potenziell schädliche Reizauslöser physikalischer, chemischer, mikrobieller oder auch psychosozialer Natur, also etwa Hitze, ätzende Stoffe oder Krankheitserreger. Deren rein sinnesphysiologische, also ohne Beteiligung von Bewusstsein oder Gefühlen erfolgende Wahrnehmung (Perzeption) im zentralen Nervensystem (ZNS) heißt Nozizeption.

Die Alarmsignale, die im ZNS ankommen, gehen von spezialisierten freien Nervenendigungen in der Peripherie aus, also zum Beispiel in der Haut eines Fingers, in den sich gerade ein Dorn gebohrt hat. Diese für Schmerzreize empfindlichen Nervenendigungen, die Nozizeptoren, registrieren die Gewebeschädigung und senden dann elektrische Signale aus.

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