Immunneuropathien am Beispiel des Guillain-Barré-Syndroms

Ein Buchkapitel – für mich überwiegend nur am Rande interessant (wegen der Ansicht einiger Autoren, Bell’s palsy sei eine mononeuritische GBS-Variante), aber gute, einfache Darstellung des Grundmodells (Abb.):

M. Mäurer et al. (2012): Immunneuropathien. In: M. Stangel und M. Mäurer, Autoimmunerkrankungen in der Neurologie, Springer

Sowohl dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) als typischer akuter inflammatorischer Neuropathie als auch der chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) liegen Autoimmunreaktionen gegen Myelin zugrunde. Lymphozyten und Makrophagen dringen in die peripheren Nerven ein (Infiltration). Primär meist Demyelinisierung, sekundär Schädigung der Axone. Tiermodell: experimentelle autoimmune Neuritis (EAN), die durch Immunisierung von genetisch anfälligen Versuchstieren mit peripherem Myelin, Myelinprotein P2 oder einer Peptidsequenz daraus oder mit den Myelinproteinen P0, MBP, PMP oder MAG ausgelöst wird. Molekulare Mimikry bei GBS, analog zu MS: Antigenpräsentierende Zellen (APCs) präsentieren auf ihren MHC-II-Molekülen Epitope, die Myelinstrukturen sehr ähneln -> Aktivierung und klonale Expansion naiver T-Zellen, die auch Myelin attackieren – z. B. nach Campylobacter-jejeuni-Infektionen. Bei etwa der Hälfte der GBS-Patienten Antikörper gegen Ganglioside (in Zellmembran verankerte Sphingolipide) gefunden, die als „lipid drafts“ für die Nervenimpulsübertragung wichtig sind. Je nach GBS-Variante andere Antigangliosid-Antikörper. Aus Patienten isolierter C.-jejeuni-Keime exprimieren Lipooligosaccharide (LOS), die den Kohlenwasserstoffanteilen der Ganglioside ähneln. Antikörper kreuzreaktiv, erkennen also sowohl die LOS als auch die Gangliosid-Komplexe. Bei GBS aber auch Antikörper gegen andere Glykolipide und Myelinproteine nachgewiesen; Zielstruktur also noch unklar.  

Modell in Abb. 2.2 (S. 118): APC präsentiert naiver T-Zelle antigenspezifisches Signal 1 auf MHC-II (von T-Zell-Rezeptor erkannt) sowie kostimulatorisches, antigen-unabhängiges Signal -> aktivierte autoreaktive T-Zelle patrouilliert im peripheren Blut -> überwindet Blut-Nerven-Schranke (Transmigration aufgrund von Adhäsionsmolekülen, Chemokinen, Matrixmetalloproteinasen) -> T-Zellen erkennen „ihr“ Autoantigen auf residenten Makrophagen oder Schwann-Zellen (Präsentation auf MHC-II und Kostimulation) -> Aktivierung und Proliferation der autoaktiven T-Zellen -> T-Zellen aktivieren Makrophagen, die Myelinscheide oder Axon entweder direkt angreifen oder inflammatorische Mediatoren (zytotoxische Zytokine, toxische Radikale, Stickoxide) produzieren. Weitere Gewebsschädigung durch hämatogen zytotoxische T-Zellen und komplementbildende Antikörper, die durch die veränderte Blut-Nerven-Schranke eindringen. Schwann-Zellen können bei Aktivierung MHC-II exprimieren und so zu Immunreaktion beitragen, können diese aber auch durch regulatorische Moleküle hemmen. Endogene Steroide, TNF-α oder apoptosefördernde Faktoren Fas und FasL -> Apoptose autoreaktiver T-Zellen beendet Immunreaktion -> Myelinscheide von Schwann-Zellen wieder aufgebaut.

Histologische Befunde bei entzündlichen Neuropathien: Infiltrate von überwiegend mononukleären Zellen, während in gesunden Nerven wegen der dichten Blut-Nerven-Schranke wenige Leukozyten zu finden sind. Dort nur einige residente und ruhende Makrophagen, sehr wenige T-Zellen. Bei der häufigsten Form von GBS (AIDP) häufig Myelinabbau und Makrophagen mit Myelindebris zu sehen, bei allen Formen Infiltrate aus T-Zellen und aktivierten (also rundlichen, großen) Makrophagen. In Akutphase noch kaum Regenerationszeichen.

Abgrenzung GBS von Neuroborreliose: S. 125. GBS ausführlich: 126ff. Von Impfgegnern immer wieder angeführter Zusammenhang zwischen GBS und Impfungen hat sich nicht bestätigt; Erkrankungen nach Immunisierungen entsprechen der allgemeinen Inzidenz. Gehirnnerven häufig an GBS beteiligt; etwa die Hälfte der Patienten bildet Facialislähmung aus. Häufig schwere Schmerzen in Akutphase. Oft Mitbefall des autonomen Nervensystems -> Verdauungsstörungen, kardiovaskuläre Störungen, Lungenembolien möglich. Nadir nach 2-4 Wochen, Plateauphase, langsame Rückbildung der Symptome über Wochen bis Monate. Abgrenzung von CIDP: Letztere Erkrankung schreitet langsamer (über 8 Wochen) voran.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.