P. K. Mishra et al.: Prevention of type 1 diabetes through infection with an intestinal nematode parasite requires IL-10 in the absence of a Th2-type response. Mucosal Immunology, 18. Juli 2012, doi: 10.1038/mi.2012.7
Notizen noch nicht allgemeinverständlich zusammengefasst
Abstract: Wurminfektionen können Typ-1-Diabetes verhindert; Mechanismen noch unklar. Hier wurden NOD-Mäuse (Tiermodell für Typ-1-Diabetes), die kein Interleukin 4 produzieren können (IL-4-/-), im Alter von 5-7 Wochen mit dem Darmparasiten Heligmosomoides polygyrus infiziert und anschließend entwurmt. Im Unterschied zu den nicht infizierten Tieren entwickelten die meisten von ihnen bis zur 40. Lebenswoche keinerlei Anzeichen für Typ-1-Diabetes oder eine Schädigung der Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Die CD4+-STAT6-Phosphorylierung (also der IL-4/IL-13-Signalweg) war unterbunden, die CD4+-STAT1-Phosphorylierung (also die IFN-γ-Produktion) nicht. In FoxP3–-CD4+-T-Zellen war die IL-10-Produktion stark erhöht.
Blockierte man die IL-10-Signalgebung in den NOD-IL-4-/--Mäusen, so wurden die Betazellen zerstört, und die Tiere bekamen Typ-1-Diabetes. NOD-Mäuse, die IL-4 herstellen konnten, blieben dagegen auch bei einer IL-10-Signalblockade gesund. Ein Transfer jener CD4+-T-Zellen aus infizierten NOD-IL-4-/--Mäusen, die offenbar primär für die erhöhte IL-10-Produktion verantwortlich sind, in nicht infizierte NOD-IL-4-/--Mäuse verhinderte deren Erkrankung. Diese Zellen sind keine klassischen regulatorischen T-Zellen oder Tregs (kaum FoxP3).
Einleitung: Bei Typ-1-Diabetes werden die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren, vom Immunsystem zerstört. Die beteiligten Immunzellen lösen eine Th1-Entzündungsreaktion aus, die das Gewebe zerstört und durch erhöhte T-bet-, IL-12- und IFN-γ-Konzentrationen sowie eine Phosphorylierung und anschließende Dimerisierung von STAT1 gekennzeichnet ist. Konkordanz von nur 40-60% bei eineiigen Zwillingen und rasche Zunahme der Inzidenz in den Industrieländern deuten auf Umweltfaktor hin. Hygienehypothese: Impfungen und verbesserte Hygiene -> weniger chronische Parasiteninfektionen -> Störung der Regelnetzwerke des Immunsystems.
Chronische Infektion von NOD-Mäusen mit parasitischen Würmern verringert den Anteil der Tiere, die Diabetes entwickeln, dramatisch. Offenbar ist in ihnen die Th1-Entzündungsreaktion, die die Betazellen zerstört, stark herumterreguliert. An NOD-IL-4-/--Mäusen konnte kürzlich gezeigt werden, dass dies nicht (wie im bisherigen Standardmodell, siehe z. B. meine Abbildung hier) auf eine Th2-Reaktion zurückzuführen ist, denn der Th2-Zweig ist in ihnen ausgeschaltet. Bei „normalen“ NOD-Mäusen lösen die Würmer dagegen eine starke Th2-Reaktion aus, be der die IL-4- und die IL-13-Produktion stark erhöht sind. Wie der nun entdeckte Th2-unabhängige Diabetesschutz funktioniert, war bislang unklar.
Es gab Indizien für ein Zeitfenster bei jungen Mäusen, in denen grundlegende Weichenstellungen im Immunsystem durch Würmer beeinflusst werden und evtl. einen dauerhaften Schutz hervorrufen. In der Studie wurden daher 5 Wochen alte Mäuse mit H. polygyrus infiziert; nach 7 Wochen wurden die Tiere entwurmt. Sowohl NOD- als auch NOD-IL-4-/--Mäuse blieben danach diabetesfrei. IL-10-Inhibierung ließ NOD-IL-4-/--Mäuse an Diabetes erkranken, normale NOD-Mäuse aber nicht. Eine kombinierte IL-4- und IL-10-Inhibierung ließ beide trotz der vorherigen Wurminfektion erkranken. Eine mindestens kurzzeitige Wurminfektion bei jungen Mäusen schützt also vor Diabetes, indem sie in den sonst IFN-γ-produzierenden autoreaktiven Th1-Zellen stattdessen die IL-10-Produktion ankurbelt. IL-4 ist dafür nicht erforderlich.
(Results hier nicht zusammengefasst)
Diskussion: Eine H.-polygyrus-Infektion in dem kurzen Zeitraum von der 5. bis zur 7. Lebenswoche reicht aus, damit in NOD-Mäusen unabhängig voneinander Il-4- und IL-10-produzierende T-Zellen entstehen, die bis ins Erwachsenenalter hinein vor Typ-1-Diabetes schützen. Die Wurminfektion setzt also offenbar mehrere redundante Immunregelkreise in Gang. Künftige Studien sollten klären, ob verschiedene Würmer unterschiedliche Regelkreise aktivieren. Th2-Immunreaktionen sind auch nicht unwichtig; sie scheinen z. B. die Wundheilung zu fördern.
IL-10 kann unter anderem von B-Zellen, Th1-Zellen, Th2-Zellen und Tregs produziert werden. Im Experiment stammte das meiste IL-10 aus CD4+/CD127hi/FoxP3lo-T-Zellen. Das sind eher T-Effektorzellen als Tregs, denn Letztere exprimieren viel FoxP3 und wenig CD127. Evtl. lenkt die Wurminfektion die sonst autoreaktiven Th1-Zellen in Richtung einer schützenden IL-10-Produktion um, oder es handelt sich um sogenannte T-regulatory 1 cells. Diese könnten die Endstadien von Th1-Zellen sein.
Die Übertragbarkeit der Schutzwirkung der kurzzeitigen Wurminfektion durch CD4+-T-Zell-Transfer zeigt, dass das von den Würmern induzierte Immunmilieu sogar das potenziell deregulierte Immunsystem von nicht infizierten NOD-Mäusen wieder ins Lot bringen und so schwere Autoimmunerkrankungen verhindern kann.