Dickdarmbakterien regulieren über kurzkettige Fettsäuren unser Immunsystem

J. K. Nicholson etl al: Host-Gut Microbiota Metabolic Interactions. Science 336, 08.06.2012, 1262-1267: Firmicutes wie Eubacterium, Roseburia, Faecalibacterium und Coprococcus zerlegen für den menschlichen Organismus unverdauliche Ballaststoffe wie Hemizellulosen im Dickdarm in kurzkettige Fettsäuren wie Buttersäure, Essigsäure oder Proprionsäure. Diese senken den pH-Wert im Dickdarm, hemmen durch die Ansäuerung das Wachstum von Pathogenen wie Salmonellen, stimulieren die Wasser- und Natriumabsorption, beteiligen sich an der Cholesterinsynthese, versorgen die Darmepithelzellen und einige Darmbakterien mit Energie und stimulieren die Leptinproduktion in Adipozyten (zumindest in Zellkulturen und Mäusen).  

Buttersäure oder n-Butansäure reguliert die Funktion und Migration von neutrophilen Granulozyten (Zellen der angeborenen Immunabwehr), hemmt die durch proinflammatorische Zytokine angeregte Expression des vaskulären Zelladhäsionsmoleküls 1 (VCAM-1), erhöht die Expression von Tight-Junction-Proteinen in den Dickdarmepithelzellen (bessere Abdichtung des Epithels gegenüber dem antigenreichen Darmlumen) und wirkt entzündungshemmend, indem sie die Freisetzung von Zytokinen und Chemokinen aus menschlichen Immunzellen reduziert.

Kurzkettige Fettsäuren in physiologischer Konzentration können auch die Darmperistaltik anregen und damit die Durchsatzgeschwindigkeit erhöhen. In In-vitro-Versuchen erhöhten sie zudem die Serotoninausschüttung des Dickdarmschleimhautsystems um das 8- bis 10-Fache.

R. Meier: Medizinische Bedeutung von Präbiotika und Synbiotika. In: Bischoff u. a., Probiotika, Präbiotika und Synbiotika, Thieme 2009, S. 186f.: Kurzkettige Fettsäuren stimulieren die Proliferation und Differenzierung der Schleimhautzellen, den Blutfluss in der Schleimhaut, die Schleimproduktion (in den Becherzellen); sie regulieren die Expression von ICAM-1 (ICAM = intrazelluläre Adhäsionsmoleküle) und E-Selectin in den Endothelzellen, was entzündungshemmend wirkt; sie reduzieren die Expression der Cyclooxygenase 2 (COX-2) [vermute ich; Meier schreibt „Zyklogenase-2“] und damit die Menge des am Entzündungsgeschehen beteiligten Prostaglandins E-2 (PGE2); Buttersäure reduziert die NF-κB-Expression und damit die Produktion entzündungsfördernder Zytokine wie TNF-α und IL-6.

A. L. Kau et al.: Human nutrition, the gut microbiome and the immune system. Nature 474, 16.06.2011, 327-336: Uns fehlen die vielen Glykosid-Hydrolasen und Polysaccharid-Lyasen, die nötig sind, um Glykane/Ballaststoffe aus pflanzlicher Kost zu verdauen; unser Mikrobiom übernimmt das. Je mehr Ballaststoffe unsere Kost enthält, desto größer der Anteil der entsprechenden Bakterien in unserem Verdauungstrakt. Schon in niedriger Konzentration kann Buttersäure das Zytokinproduktionsprofil der T-Helferzellen verändern und die Barrierefunktion der Epithelschicht verbessern, was wiederum anomale Entzündungsreaktionen verhindert.

Essigsäure bindet an den G-Protein-gekoppelten Rezeptor GPR43; durch diese Aktivierung können Entzündungen rechtzeitig beendet werden. (Tiermodelle ohne diesen Rezeptor entwickeln chronische Entzündungen wie Colitis, rheumatoide Arthritis oder Asthma.) Außerdem scheint Essigsäure durch Stärkung der Tight Junctions Infektionen mit dem Enteropathogen Escherichia coli (0157:H7) zu verhindern.

Kurzkettige Fettsäuren könnten  zudem die Acetylierung der Lysinreste von Histonen regulieren, was sich auf zahlreiche Signal- und Stoffwechselwege auswirkt (Epigenetik).

R. Frei et al.: Microbiota and dietary interactions – an update to the hygiene hypothesis? Allergy 67, 2012, 451-461: Eine ballaststoffreiche Kost kann offenbar die Schwere von Arthritis und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) verringern; sie fördert das Wachstum von Bifidobacteria und Lactobacilli. Welche kurzkettigen Fettsäuren entstehen, hängt davon ab, welche Polysaccharide die Kost enthält: Die Verdauung von Pektin und Xylan führt vor allem zu Essigsäure, Arabinogalactan-Abbau zu Essig- und Proprionsäure und Stärkeabbau zu Buttersäure.

Kurzkettige Fettsäuren sind Liganden für G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs). Vor allem Buttersäure scheint entzündungshemmend zu wirken, indem sie die Migration, Adhäsion und Zytokinexpression von Immunzellen sowie die Proliferation, Aktivierung und Apoptose von Zellen beeinflusst. GPR43 wird nicht nur auf Immunzellen wie Monozyten und Neutrophilen exprimiert, sondern auch auf dem Dickdarmepithel.

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