Die Grundlagen: Autoimmunität, Teil 4

Alles eine Frage der richtigen Regulierung.

Notizen zum 14. Kapitel des Lehrbuchs Janeway’s Immunobiology von Kenneth Murphy, Paul Travers und Mark Walport, 7. Auflage, Garland Science, 2008 – Teil 4: S. 607-610 (Teil 3: hier)

Regulierung von Autoimmunreaktionen durch Tregs

Autoreaktive T-Zellen, die den bisher beschriebenen toleranzinduzierenden Mechanismen entwischt sind, können durch regulatorische T-Zellen (Tregs) unschädlich gemacht werden.

Das Besondere an diesem Vorgang, der als regulatorische Toleranz, dominante Immunsuppression oder infektiöse Toleranz bezeichnet wird: Die dabei unschädlich gemachten Lymphozyten erkennen andere Antigene als die Tregs, die auf sie einwirken. Tregs können autoreaktive Lymphozyten supprimieren, die auf alle möglichen Antigene reagieren – solange diese demselben Gewebe entstammen oder auf denselben antigenpräsentierenden Zellen präsentiert werden.  

Vermutlich sind Tregs leicht autoreaktive T-Zellen, die der Aussortierung im Thymus entkommen sind und sich bei Konfrontation mit Autoantigenen nicht so weiterentwickeln, dass sie eigenes Gewebe zerstören, sondern vielmehr zu Suppressorzellen werden und andere T-Zellen unterdrücken, die Antigene aus demselben Gewebe erkennen. Vielleicht ließen sich Autoimmunerkrankungen behandeln, indem man Tregs isoliert und in Patienten einschleust.

Während also im Thymus nahezu alle stark autoreaktiven T-Zellen aussortiert werden, bevor sie in die Peripherie gelangen und dort mit ihren Immunreaktionen auf eigenes Gewebe Schaden anrichten können, entkommen einige schwach autoreaktive T-Zellen dieser Deletion im Thymus und entwickeln sich zu regulatorischen T-Zellen. Diese wandern in die Peripherie und schütten dort bei einer Begegnung mit einer antigenpräsentierenden Zelle, die „ihr“ Autoantigen trägt, Zytokine wie IL-10 oder TGF-β aus, die alle anderen autoreaktiven T-Zellen in der Nähe inhibieren, auch wenn diese auf andere Autoantigene ansprechen. Weil hier eine Zelle viele andere regulieren kann, wird diese Form der Immunsuppression „dominant“ oder „infektiös“ genannt.

Zu den am besten charakterisierten Tregs zählt der Typ, an dessen Oberfläche sich CD4 und CD25 (die α-Kette des IL-2-Rezeptors) finden. In Mäusen schützt er vor chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, die Morbus Crohn ähneln, vor Diabetes, experimenteller autoimmuner Enzephalomyelitis oder EAE (dem Modell für Multiple Sklerose) und SLE: In Tieren, in die man solche Tregs überträgt, werden die Erkrankungen unterdrückt, während Tiere, bei denen man sie entfernt, leichter und schwerer erkranken. Auch Gewebeabstoßungen nach Transplantationen werden durch solche Tregs verhindert oder abgeschwächt.

Bei Menschen mit Multipler Sklerose oder einem Polyglandulären Autoimmun-Syndrom vom Typ 2 (Schmidt-Carpenter-Syndrom, eine seltene Autoimmunerkrankung, bei der gleich mehrere Drüsen angegriffen werden) sind zwar genug CD4-CD25-Tregs vorhanden, aber sie haben ihre Fähigkeit zur Suppression eingebüßt. Bei Menschen mit aktiver rheumatoider Arthritis gelingt es den CD4-CD25-Tregs zwar in vitro, die Vermehrung der autoreaktiven T-Zellen zu unterdrücken, aber sie können in vivo nicht verhindern, dass diese Zellen inflammatorische Zytokine wie TNF-α oder IFN-γ ausschütten.

Es gibt auch CD25-negative Tregs. Die TH3-Zellen im Schleimhaut-Immunsystem scheinen Immunreaktionen in der Schleimhaut zu unterdrücken oder zu steuern, die ja mit zahlreichen Pathogenen in Berührung kommt. Ein Fehlen von TH3-Zellen ist mit Autoimmunerkrankungen des Darms in Verbindung gebracht worden. Die orale Verabreichung großer Mengen von Antigenen kann bei Tieren eine orale Toleranz verursachen und Autoimmunerkrankungen verhindern; offenbar kommt es dabei zu einer Expansion der TH3-Zellen. TR1-Zellen entstehen in vitro bei einer Stimulation mit IL-10; womöglich kommen ähnliche Zellen auch in der Schleimhaut vor. Bei Mäusen lassen sich chronisch-entzündliche Darmerkrankungen durch TR1-Gaben supprimieren.

Fast jeder Lymphozytentyp kann unter bestimmten Umständen regulatorisch wirken. Soagr B-Zellen können experimentell hervorgerufene Autoimmunstörungen eindämmen, z. B. kollageninduzierte Arthritis und EAE bei Mäusen. Vermutlich scheiden sie Zytokine aus, die eine T-Zell-Proliferation und -Differenzierung zu TH1-Zellen verhindern.

Neben dieser extrinsischen Regulierung gibt es in Lymphozyten auch intrinische Mechanismen, die ihre Vermehrung und ihr Überleben begrenzen. Das wird deutlich, wenn die Reaktionswege, die zur Apoptose führen, durch Mutationen gestört sind: Dann kommt es zu spontaner Autoimmunität.

3 Gedanken zu „Die Grundlagen: Autoimmunität, Teil 4

  1. Frau Casino

    Die Komplexität dieser (Auto-)Immunreaktionen ist bestürzend, wenn man weder Biologin noch Medizinerin ist, umso mehr freue ich mich auf dein Buch, es ist wirklich wirklich notwendig, obwohl das Wissen über die durchscheinende Unausweichlichkeit der Erkrankungen etwas frustrierend ist – mein Kind mit positiven Diabetes-Antikörpern kriegt grünen Tee von mir, das scheint hirnrissig nach Lektüre dieser Zusammenfassung. Grad eine Weile lang Dinge zu den Tregs gegoogelt, ohne sie besser verstanden zu haben, aber man kann sie leider offenbar noch eine Weile lang nicht kaufen und schlucken 🙂

    Umso wichtiger sind klare Worte, die klaren Hilfestellungen werden dann sicherlich folgen, irgendwann, irgendwie… again alles Gute und viel Erfolg bei deinem tollen Projekt.

    Antworten
  2. Andrea Kamphuis Beitragsautor

    Liebe Frau Casino,

    hirnrissig würde ich das Trinken von grünem Tee auf keinen Fall nennen: Solange Autoimmunerkrankungen nicht heilbar sind, sind meiner Laienmeinung nach entzündungshemmende Wirkstoffe in Getränken oder Lebensmitteln sicher nicht verkehrt.

    Um das noch einmal klar zu sagen: Ich bin keine Medizinerin, sondern Biologin, gebe also keine Behandlungsempfehlungen ab, sondern versuche hier bislang nur, mich schrittchenweise in die Fachliteratur hineinzuwühlen. Wenn ich so etwas schreibe wie „Autoreaktive Zellen … können durch Tregs unschädlich gemacht werden“, so schildere ich damit nur die Vorstellungen, die Fachleute sich derzeit von den Vorgängen im Immunsystem machen: Es *könnte* sein, dass Tregs bei Gesunden eine Menge potenziell schädlicher Zellen neutralisieren. Ob daraus eines fernen Tages eine Behandlungmethode werden kann? Abwarten und (grünen) Tee trinken. 🙂

    Liebe Kopffueßelnde,

    ich schreibe auf jeden Fall weiter – komme, was wolle. Ich will das alles einfach verstehen.

    Herzlichen Dank für das Feedback!
    Andrea

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu kopffueßelnde Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.