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Tödliche Immun-Überreaktionen bei Pflanzen: eine Globalisierungsfolge

Weitere Skizzen für Teil III des Buches (Evolution des Immunsystems): In den letzten Jahren hat man bei Pflanzen Mutationen entdeckt, die offenbar die Pathogen-Abwehr verrücktspielen lassen. Selbst ohne Pathogen-Angriff werden Signalketten in Gang gesetzt, die zum Absterben von Gewebeteilen führen – was eigentlich die Ausbreitung von Pathogenen verhindern soll.

Andere Pflanzen können auch ohne Mutation überreagieren, wenn sich ihre Umwelt verändert: Gehölze, die die Invasion eines Borkenkäfers und eines mit ihm in Symbiose lebenden Pilzes spüren, versperren ihre Wassertransportwege (das Xylem) durch Callose, Lignin und ähnliche Substanzen, um die Ausbreitung des Pilzmyzels zu stoppen. Wenn exotische Käfer und Pilze zum Beispiel mit Holzpaletten in Frachtschiffen oder -flugzeugen auf einen neuen Kontinent gelangen, kann es einer aktuellen Hypothese zufolge zu fatalen „olfaktorischen Missverständnissen“ kommen:

Die Käfer, die in ihrer Heimat nur an toten oder bereits sterbenden Bäume interessiert sind, befallen lebende Bäume, weil diese so ähnlich riechen wie daheim das tote Holz. Die Pilze tricksen die pflanzliche Abwehr zunächst so weit aus, dass sie große Teile des Xylems befallen können. Wenn der Baum diese Transportwege daraufhin verstopft, erwürgt er sich gewissermaßen selbst: Er vertrocknet, weil das Wasser aus dem Boden nicht mehr in die Krone gelangt. Das scheint z. B. bei dem Pilz  Raffaelea lauricola und dem Käfer Xyleborus glabratus der Fall zu sein, die gemeinsam aus Asien nach Nordamerika gelangt sind und dort zum Beispiel ganze Avocado-Plantagen absterben lassen.

(Lit.: Jiri Hulcr & Robert R. Dunn, 2011, und andere Arbeiten auf dieser Literaturliste)

Literaturliste zum Immunsystem der Pflanzen, Teil 3

Sinn und Anfang der Liste: s. Teil 1.

Dario Cantu et al.: Strangers in the matrix: plant cell walls and pathogen susceptibility. Trends in Plant Science 13/11, 2008, doi: 10.1016/j.tplants.2008.09.002

Abstract: Zu Beginn einer Infektion müssen Pathogene Zellwände überwinden. Dazu setzen sie Hydrolasen ein. Aber pflanzliche Zellwände enthalten Proteine, die der Pathogen-Erkennung dienen und bei ihrem Abbau aktiviert werden, was Abwehrreaktionen auslöst.
Stichwörter: primäre Zellwand: Polysaccharide, Proteine, Phenole, Ionen; Umbau der Zellwand bei Wachstum und Entwicklung; zellwandabbauende Proteine aus Pathogenen = CWDPs; 3 Klassen von Pflanzenpathogenen: Biotrophe (leben auf Kosten lebender Zellen), Nekrotrophe (leben von toten Zellen), Hemibiotrophe (anfangs bio-, später nekrotroph); alle scheiden CWDPs aus, aber Biotrophe beschränken die Wandlyse, um Wirt nicht abzutöten; Haustorien erfordern lokalen Zellwandabbau; Nekrotrophe bauen großflächig Zellwände ab; Pektinabbau; Pektatlyasen = PELs; Pektinmethylesterasen = PMEs; Zellulose, Hemizellulose, Xylane, Xyloglucane; Pseudomonas syringae, Agrobacterium tumefaciens; Pili; Pektinase; PDOs = pectin-derived oligosaccharides aus Zellwand als Gefahrensignale -> Abwehr; Reaktion: Zellwandverstärkung mit Phenolen, verstärkter Vernetzung von Zellwandproteinen, Callose-Einlagerung; Salicylsäure, Ethylen, Jasmonsäure als Signale; antimikrobielle Peptide, Synthese sekundärer Antipathogen-Metaboliten; in muro = in der Zellwand.   Weiterlesen