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Schübe

Seit einer halben Ewigkeit habe ich hier nichts mehr geschrieben. Die Corona-Krise hat ihren Teil dazu beigetragen, außerdem Ablenkungen wie die Website der Scientists-for-Future-Regionalgruppe Köln/Bonn und die Baumkolumne im Principia-Magazin. Zurzeit beschäftige ich mich mit der Entstehung von Pflanzengallen, und das ist tatsächlich ein Thema, das ebenso gut hierher passen würde wie in die Baumkolumne, denn es hat viel mit Abwehrreaktionen auf Pathogene zu tun. Es steht auch noch ein längerer Artikel über das Immunsystem der Fledertiere aus, ausgelöst durch die Corona-Krise, aber auch eine hervorragende Basis für ein Kapitel über die Evolution des Immunsystems der Säugetiere im zweiten Band des Autoimmunbuchs – der aber noch eine Weile auf sich warten lässt.

Im und nach dem Urlaub (den wir notgedrungen zu Hause verbracht haben, da an eine Reise durch Schweden und auf die finnischen Aland-Inseln nicht zu denken war) habe ich außerdem einen Hashimoto-Schub (oder zwei?) durchgemacht. Auch nach neun Jahren brauche ich meistens zwei Tage, um zu realisieren, dass ich gerade einen Schub habe, denn die Symptome sind vielfältig und manchmal irreführend, und erst nach einer Weile fängt die Schilddrüse selbst an zu schmerzen. Dann fällt der Groschen.

In der Zeit vor und kurz nach meiner Hashimoto-Diagnose, als ich hormonell noch nicht gut eingestellt war, ist mein Blutzuckerwert ab und zu heftig entgleist; ich hatte beängstigende Unterzuckerungserscheinungen wie abrupt einsetzende Kraftlosigkeit beim Radfahren oder auch beim Gehen. Damals habe ich mir Traubenzucker besorgt und in all meine Taschen verteilt, um im Notfall zumindest noch genug Energie aufzubringen, um mich nach Hause zu schleppen. Dann war jahrelang Ruhe; die Blutwerte deuteten nicht auf Diabetes hin, und die Traubenzucker-Plättchen zerbröselten oder setzten Staub an. Ich räumte sie wieder aus den Taschen. Jetzt aber habe ich sie wieder jederzeit griffbereit, denn es ging plötzlich wieder los: vor einigen Wochen totale Entkräftung bei einem harmlosen Spaziergang, letzten Freitag Durst-Attacken und entsprechende Rennerei …

Manchmal schwellen die Lymphknoten am Hals bei einem Schub an; ein wenig dick sind sie seit Jahren ständig. Oft juckt die Haut, teils am ganzen Körper, teils nur am Hals. Das Halsjucken geht dem Schilddrüsen-Druckschmerz oft voraus; ich vermute, dass es ein Zeichen für die Infiltration der entzündeten Schilddrüse durch Immunzellen und die Ausschüttung von Botenstoffen wie Histamin ist. Weitere körperliche Symptome können Verdauungsprobleme oder Schwindelgefühle sein. Die leichte chronische Entzündung, die während eines Schubs aufflammt, macht sich auch an den Ohrläppchen bemerkbar, die plötzlich selbst nickelfreie Ohrringe nicht mehr vertragen, heiß werden, anschwellen und nässen, und an einem allgemeinen Krankheitsgefühl wie bei einer Erkältung: Die Schwerkraft scheint sich verdoppelt zu haben, und die Gelenke ziehen.

Am unangenehmsten aber sind die psychischen Symptome, die teils nur durch die Länge von einer Depression zu unterscheiden sind: Steckt ein Schub dahinter, klingen sie nach wenigen Tagen ab. Typische Begleiter eines Schubs sind schlechte Laune, Unleidlichkeit, Ungeduld mit mir selbst und anderen sowie eine durch und durch negative Sicht auf die Welt und meine Situation, die objektiv in vieler Hinsicht sehr gut ist.

Noch schlimmer sind die Tage, an denen ich völlig unbeteiligt durch die Welt schlafwandle, gewissermaßen als Zuschauerin meines Lebens. Es ist, als wäre ich von der Umwelt durch eine Doppel- oder Dreifachverglasung isoliert. Nur durch ständige bewusste Anstrengung kann ich den Reizen aus der Außenwelt genug Aufmerksamkeit widmen, um zu Fuß oder auf dem Rad sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Keine Ahnung, ob man mir das anmerkt; ich gehe normal zur Arbeit oder zum Einkaufen und „funktioniere“ offenbar halbwegs, aber es gelingt mir in solchen Phasen nicht, innerlich mit der Welt in Verbindung zu treten.

Seminar am 13. Juni: Schilddrüsenfunktionsstörungen und Psychosomatik

Am 13. Juni findet im Haus der Brandenburgischen Ärzteschaft in Potsdam ein dreistündiges Seminar mit dem Titel „Schilddrüsenfunktionsstörungen – Brücken von der Psychosomatik zur Allgemeinmedizin“ statt. Referent ist der Facharzt Dr. Thomas Lintzen, der sich seit vielen Jahren insbesondere mit der Wechselbeziehung von Morbus Basedow und psychischen Belastungen beschäftigt. Die Kosten betragen 55 Euro, und noch sind offenbar Plätze frei. Hier geht es zur Anmeldung.

Dr. Lintzen machte mich auch auf Studien von Atsushi Fukao aufmerksam, etwa die 2011 erschienene Arbeit „The thyroid function of Graves‘ disease patients is aggravated by depressive personality during antithyroid drug treatment„. Demnach können eine begleitende Psychotherapie oder die Gabe von Antidepressiva die Remission bestimmter, nämlich depressiver und daher mehr negative Belastungen erlebender Patienten mit Morbus Basedow die Chancen auf eine Remission durch die medikamentöse Behandlung verbessern. Das ist jetzt eine stark verknappte und sehr oberflächliche Zusammenfassung meinerseits. Ich hoffe, ich finde demnächst Zeit, mich näher damit zu beschäftigen.