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Warum wir uns für das Immunsystem von Amphibien interessieren sollten

Prachtlaubfrosch

Einmal abgesehen von reiner Neugier und dem Erkenntniswert von Vergleichen der Immunsysteme unterschiedlicher Organismen – etwa, um besser zu verstehen, warum unser eigenes Immunsystem so oft übers Ziel hinausschießt: Warum sollten wir uns für das Immunsystem von Fröschen und anderen Lurchen interessieren?

Zum Beispiel, weil dessen Versagen bei Infektionen mit dem Pilz Batrachochytrium dendrobatidis die Amphibien-Bestände weltweit zusammenbrechen lässt. Und dieser Verlust an Biodiversität ist nicht nur für die jeweiligen Ökosysteme ein Drama, sondern gefährdet auch die menschliche Gesundheit. Wie vergangene Woche bei The Scientist zu lesen war, scheinen die vermehrten Malaria-Ausbrüche, unter denen die Menschen in den 1990er- und den frühen 2000er-Jahren in Panama und Costa Rica gelitten haben, mit dem Massensterben der dortigen Amphibien zusammenzuhängen. Es fehlten auf einen Schlag sehr viele Tiere, die Moskitos fressen. Und Moskitos übertragen Plasmodien, die Erreger der Malaria.

Wer sich näher mit dem Immunsystem von Amphibien, mit den für die Lurche tödlichen Pilzen und den Hypothesen über die Ursachen ihrer massiven Ausbreitung beschäftigen will (Stichwort: Klimawandel), findet hier eine gute Übersichtsarbeit von Louise A. Rollins-Smith aus dem Jahr 2020 (Open Access): Global Amphibian Declines, Disease, and the Ongoing Battle between Batrachochytrium Fungi and the Immune System.

Besetzungsliste: die „bad guys“

Das Immunsystem und seine Störungen kann man meines Erachtens nur aus einer ökologischen und evolutionsbiologischen Perspektive verstehen. Die Immunantwort hängt unter anderem davon ab, wer sich da in unserem Körper einzunisten versucht:

Oben links: verschiedene Bakterien; oben rechts: die im Buch immer wieder auftauchenden Bakterien-Karikaturen.

Zweite Reihe, links: verschiedene Viren, deren Hüllen oft geometrische Formen haben. Rechts daneben: meine Viren-Symbolbildchen – ganz rechts (Konservendose) eine geöffnete Hülle.

Dritte Reihe: Pilze und einzellige Parasiten (Entamoeba histolytica, der Erreger der Amöbenruhr, und der Malaria-Erreger Plasmodium). In all meinen Zeichnungen deutet ein Kreis oder Oval in der Mitte einer Zelle (Zellkern) auf einen Eukaryoten hin. Das gilt nicht nur für zellulären Erreger, sondern auch für unsere Immun- und sonstigen Körperzellen.

Unten ein Wurm, genauer: ein Hakenwurm. Die „Mikroskopaufnahme“ im Kreis zeigt, dass auch dies ein Eukaryot ist.

Das Jahr der Rückkehr zum ökologischen Denken

Trotz ergiebiger Autoimmun-Fachlektüre in den letzten Wochen hat die Kraft zum Bloggen nicht gereicht. Kurz vor dem Jahreswechsel möchte ich wenigstens berichten, wie ich das Jahr 2011, mein Sabbatjahr, vorläufig beurteile.

Wie bereits im August in meiner Rezension des Buches „The Autoimmune Epidemic“ von Donna Nakazawa Jackson angedeutet, bin ich 2011 durch die Fachlektüre vor allem zum ökologischen Denken zurückgekehrt, das mich in den 1980ern stark geprägt hat. Die Artikel über Humane Endogene Retroviren (HERVs), das Human Metagenome Project, die Hologenom-Theorie, molekulare Mimikry, die Zusammenhänge zwischen Infektionen und Autoimmunerkrankungen, die Symbiosen von Pflanzen oder Tieren und Mikroorganismen, evolutionär konservierte mikrobielle Antigene usw., die ich in den letzten Wochen gelesen habe, haben mir erneut verdeutlicht, dass wir Entgleisungen der angeborenen und der erworbenen Immunabwehr nur richtig verstehen werden, wenn wir nicht mehr angestrengt auf das Humangenom starren, sondern akzeptieren, dass wir Gemeinschaftswesen sind: Ökosysteme, in denen zahlreiche virale Gene, mikrobielle Genome, Einzeller und auch größere Mitbewohner wie Würmer maßgebliche Rollen spielen (oder spielten).   Weiterlesen