Eine bereits ältere und sicher nicht weltbewegende Studie, die dennoch eine Zusammenfassung verdient, weil sie zeigt, dass die Standardtherapie bei Hashimoto-Thyreoiditis (Gaben des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin) nicht nur die Symptome des Schilddrüsenhormonmangels bekämpft, sondern den Zerfall der Schilddrüse durch Angriffe von Immunzellen verlangsamt:
Feyzullah Guclu et al (2009): Down-regulation of the auto-aggressive processes in patients with hypothyroid Hashimoto’s thyroiditis following substitutive treatment with L-thyroxine. Eur. Cytokine Netw., Vol. 20 n° 1, March 2009, 27-32. doi: 10.1684/ecn.2009.0147
Abstract: Etwa zwei Prozent der Bevölkerung entwickeln eine Hashimoto-Thyreoiditis. Ziel der Studie: die Rolle von Zytokinen (Interleukine IL-2, IL-4, IL-12 und Interferon IFN-γ) in der Pathogenese und die Veränderung der Zytokinkonzentrationen durch die Behandlung mit L-Thyroxin ermitteln. Methode: Analyse des Blutes von 65 Frauen (18-73 Jahre alt), die mit Hashimoto-Thyreoiditis in eine Klinik eingewiesen wurden, vor Behandlungsbeginn sowie nach 10-12 Wochen L-Thyroxin-Gabe, nach der die Patientinnen wieder euthyroid waren (d. h. TSH zwischen 1 und 2 µIU/mL). [Das kommt mir sehr kurz vor; bei mir hat die Einstellung über ein Jahr gedauert. In einer Klinik kann man sicherlich etwas energischer vorgehen als bei einer Betreuung durch den Hausarzt/die Hausärztin, aber dass zwischen den beiden Blutanalysen maximal 12 Wochen lagen, könnte m. E. ein Grund für die Nichtsignifikanz einer Zytokinspiegeländerung sein; s. u.] Ergebnisse: Nach der Behandlung waren der TSH-Spiegel im Serum signifikant verringert und der FT4-Spiegel (freies Thyroxin) signifikant erhöht; die Konzentration der Anti-Tg- und der Anti-TPO-Antikörper sowie des Zytokins IL-12 waren signifikant gesunken. Die Verringerung des IFN-γ-Spiegels war dagegen nicht signifikant. Bei IL-2 und IL-4 wurden keine Veränderungen festgestellt. Schluss: Die Veränderungen könnten darauf hindeuten, dass die Behandlung mit L-Thyroxin einen von T-Helferzellen des Typs 1 (Th1) dominierten Entzündungsvorgang verlangsamt oder stoppt.
Intro: Th1- oder Th2-dominierte Autoimmunerkrankungen werden durch einen Mangel an regulatorischen T-Zellen (Tregs) verursacht, die die periphere Toleranz erhalten. Hashimoto-Thyreoiditis ist eine typische Th1-getriebene, zellvermittelte, zelluläre Überreaktion des Immunsystems.
Methoden und Material: Aus der Studie ausgeschlossen wurden unter anderem Patientinnen, die irgendeine weitere Autoimmunerkrankung hatten.
Ergebnisse: mittlere TSH-Konzentration im Serum 11,68 µIU/mL vor, 1,903 µIU/mL nach der Behandlung (signifikante Abnahme) ; FT3: 2,91 pg/mL vor, 2,928 pg/mL nach der Behandlung (keine Änderung); FT4: 1,059 ng/dL vor, 1,388 ng/dL nach der Behandlung (signifikanter Anstieg). Anti-Tg- und Anti-TPO-Level nach Behandlung signifikant niedriger. IL-12: 120,0 pg/mL vor, 92,99 pg/mL nach der Behandlung (signifikanter Rückgang); IFN-γ: 7,095 pg/mL vor, 6,296 pg/mL nach der Behandlung (nicht signifikante Tendenz); IL-2 und IL-4: keine Veränderungen. Keine Korrelation zwischen Hormon-Leveln oder Schilddrüsenantikörpern und den Zytokin-Konzentrationen im Serum.
Diskussion: Einer früheren Studie zufolge ist die Expression von Autoantigenen wie TPO in Schilddrüsenzellen ein dynamisches Phänomen, und sie wird durch TSH gesteigert. Eine Autoimmunreaktion auf Schilddrüsenzellen kann demnach durch die Inhibition der Autoantigen-Expression gehemmt werden. In der vorliegenden Studie nahm die Anti-TPO-Konzentration durch die Behandlung stärker ab als die Anti-Tg-Konzentration; das Anti-TPO-Level scheint für die Pathogenese einer Schilddrüsenunterfunktion vom Hashimoto-Typ wichtiger zu sein als das Anti-Tg-Level. In einer weiteren Studie wurde berichtet, dass die Schilddrüsenzellen bei Hashimoto-Thyreoiditis sowohl durch Anti-TPO-Antikörper als auch durch Th1-Zytokine geschädigt werden.
In der vorliegenden Studie ging die IL-12-Konzentration am stärksten zurück. IL-12 wird von antigenpräsentierenden Zellen ausgeschüttet, einschließlich B-Lymphozyten, Monozyten/Makrophagen und dendritischen Zellen. Es ist eines der wichtigsten Zytokine für eine Th1-Reaktion und wird benötigt, damit Th0- oder naive T-Zellen sich zu Th1-Zellen differenzieren. Kimura et al. (2005) zufolge soll bei einer Thyreoiditis Erwachsener insbesondere IL-12 für die Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) verantwortlich sein.
Die mittlere IFN-γ-Konzentration war am Ende der Behandlung leicht gesunken. Zu den bekannten Quellen für IFN-γ gehören CD4+-Zellen, insbesondere Th1- und CD8+-Zellen sowie natürliche Killerzellen. Eine Senkung des IL-12-Spiegels hemmt die Th1-Differenzierung und damit potenziell auch die IFN-γ-Produktion. Man kann vermuten, dass der IFN-γ-Spiegel sinkt, wenn der Entzündungsprozess unterdrückt wird.
IL-2 ist dagegen ein Proliferationsfaktor für alle Typen von T-Zellen. Insofern wundert es nicht, dass der IL-2-Spiegel gleich bleibt, wenn lediglich die Th1-Immunantwort spezifisch gehemmt wird. IL-4 ist primär ein Th2-Zytokin, also an antikörpervermittelten Immunreaktionen beteiligt. Es ist vor allem für IgE-Antikörper zuständig und beteiligt sich an allergischen Reaktionen und der Bekämpfung von Parasiteninfektionen. Wegen der wechselseitigen Hemmung des Th1- und Th2-Zweigs der Immunabwehr könnte man erwarten, dass eine Hemmung der Th1-Entzündungsreaktion durch L-Thyroxin die Th2-Reaktionen stärkt. Aber vermutlich wird die Th1-Hemmung durch regulatorische T-Zellen vermittelt, die beide Zweige der Immunabwehr dämpfen; das würde erklären, warum die Konzentration der Th2-Zytokine in der Studie nicht stieg. Leider haben die Autoren keine Treg-typischen Zytokine wie IL-10 und TGF-β gemessen, sodass dies vorerst Spekulation bleibt.