Schlagwort-Archive: Bandwürmer

Auswertung Wissenschafts-Newsletter, Teil 2

Weitere Meldungen der letzten Monate, zunächst wieder zum Mikrobiom:

Manipuliert uns unsere Darmflora? Artikel über eine im August veröffentlichte Studie, der zufolge Darmbakterien die Stimmung ihrer Wirte so beeinflussen, dass diese Nahrung zu sich nehmen, die den Bakterien zugute kommt. Keimfrei aufgezogene Mäuse haben z. B. veränderte Geschmacksrezeptoren, und Darmbakterien wie Escherichia coli produzieren Dopamin. Die Anwesenheit bestimmter Bakterien beeinflusst über solche Signalstoffe die Nerven des Verdauungstrakts, dessen Signale über den Vagusnerv ans Gehirn weitergeleitet werden. Der Vagusnerv beeinflusst unser Essverhalten und Körpergewicht.

Dick durch Jetlag und Schichtarbeit? Eine im Oktober in Cell veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass Jetlag und Schichtarbeit uns dick macht, indem sie nicht nur unsere innere Uhr, sondern auch die inneren Uhren unserer Darmflora verstellen. Mäuse, die unregelmäßigen Hell-Dunkel- sowie Fütterungsrhythmen ausgesetzt sind und kalorienreiche Kost erhalten, haben eine anders zusammengesetzte Darmflora und werden dicker als solche, die einen normalen Rhythmus beibehalten können. Auch bei zwei Menschen mit Jetlag nach einer Fernreise veränderte sich die Zusammensetzung der Darmflora: Begünstigt wurden Bakterien, die mit Übergewicht und Diabetes in Zusammenhang gebracht werden.

The Rise of Celiac Disease Still Stumps Scientists: Bericht über zwei im Oktober im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studien zu Zöliakie, deren Ergebnisse zwei beliebten Hypothesen widersprechen. Erstens scheint die Wahrscheinlichkeit, an Zöliakie zu erkranken, nicht zu sinken, wenn man bei Kleinkindern die Einführung von glutenhaltiger Nahrung hinauszögert. Bestenfalls bricht die Zöliakie etwas später aus. Zweitens lässt sich die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei Kindern mit einer entsprechenden genetischen Prädisposition auch durch „Desensibilisierung“, also durch kleine Glutenbeimischungen zur Muttermilch, nicht senken.    Weiterlesen

Entwurmung kann andere Mäuse-Parasiten stärken und die Überlebensrate senken

In den letzten Tagen habe ich zwei Artikel gelesen, in denen aufgrund von Versuchen an wilden Nagetieren mit vermeintlichen Gewissheiten aufgeräumt wird. Hier eine kurze Zusammenfassung der ersten Arbeit von Pedersen und Antonovics, Anthelmintic treatment alters the parasite community in a wild mouse host (2013):

Die Autoren haben in einem Eichenwaldgebiet in Virginia Weißfuß- und Hirschmäuse gefangen und sie randomisiert zwei Gruppen zugeordnet. Die erste Gruppe erhielt eine einmalige Injektion des Anti-Nematoden-Mittels Ivermectin und die zweite stattdessen eine Wasserinjektion. Außer Nematoden hatten die Mäuse auch Kokzidien (parasitische Protisten) und Bandwürmer. Erwartet wurde eine höhere Überlebensrate und damit Wiederfangquote in der Gruppe, die mit Ivermectin behandelt worden war: Dass Wurmbefall den Organismus belastet und die Eliminierung der Würmer die Tiere stärkt, ist schließlich die Grundannahme hinter allen Wurmbehandlungen. Tatsächlich wurden aber von den nicht behandelten Tieren ein etwas höherer Anteil wieder gefangen; unter ihnen hatten offenbar mehr Tiere überlebt.

Unter den wiedergefangenen Ivermectin-behandelten Mäusen war die Nematoden-Prävalenz um 28% zurückgegangen, in der Kontrollgruppe dagegen nur um 8% (signifikanter Unterschied). Bei den Ivermectin-behandelten Mäusen war die Kokzidien- und Bandwürmer-Prävalenz gegenüber dem Erstfang signifikant angestiegen, während sie in der Kontrollgruppe gesunken bzw. gleich geblieben war. Im Unterschied zur Prävalenz wurde die Intensität des Wurmbefalls durch die Behandlung nicht beeinflusst, was darauf hindeutet, dass das Mittel nicht die Vermehrung, sondern die Etablierung der Parasiten im Wirt stört.

Offenbar bilden die unterschiedlichen Darmparasiten der wilden Mäuse ein Ökosystem, in dem die einzelnen Arten miteinander um Raum und Ressourcen konkurrieren und einander womöglich auch durch die Auslösung von Immunreaktionen bekämpfen. Durch die Bekämpfung der Nematoden verbessern sich die Lebensbedingungen für die Kokzidien, die mit Gewichtsabnahme und geringeren Winter-Überlebensraten assoziiert werden. Solche unintendierten Auswirkungen sollten bei Eingriffen stets mit bedacht und überprüft werden.

Für mich in Zusammenhang mit der Hygiene-Hypothese vor allem interessant: ein weiterer Hinweis auf die Beeinflussung des Immunsystems durch Würmer, die anderen Krankheitserregern das Leben schwer machen. So werden die Saumzellen des Dünndarmepithels bei einem Wurmbefall schneller erneuert, wodurch zum Beispiel Kokzidien, die in solchen Zellen leben, Ressourcen entzogen werden.