Heidrun Schaller hat mir vor einigen Wochen ein Exemplar ihres Buchs „Die Paleo-Revolution“ zukommen lassen. Herzlichen Dank dafür – und für die nette Erwähnung in der Danksagung! Höchste Zeit, das Buch kurz vorzustellen.
Eines vorab: ich ernähre mich nicht nach Paleo oder irgendeinem anderen Prinzip, sondern bin Ottonormal-Omnivore. Aber die sogenannte Steinzeitkost interessiert mich, weil sie sich an unserem genetischen Erbe orientiert und weil offenbar etliche Menschen mit Autoimmunerkrankungen gute Erfahrungen mit dieser Ernährungsweise gemacht haben, die sich vor allem durch den Verzicht auf Zucker, Getreide und Hülsenfrüchte und eine relativ fett- und proteinreiche Kost auszeichnet.
Ungefähr seit Ausbruch meiner Autoimmunerkrankung habe ich immer wieder mal mit Verdauungsproblemen zu kämpfen, die weit über das normale Maß hinausgehen. Ich weiß nicht, ob da ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Zum Glück berappelt sich mein System bisher immer wieder – aber wenn das noch schlimmer wird und meine Gesundheit und mein Sozial- und Berufsleben ernsthaft beeinträchtigen sollte, werde ich mich vielleicht doch einmal an Paleo heranwagen. Mit Heidruns Buch habe ich dann den idealen Einstieg zur Hand.
Was mich als Naturwissenschaftlerin gleich begeistert hat, ist die sachliche, stets mit Literaturangaben unterfütterte Darstellung – etwa unseres Verdauungssystems, der Ernährung indigener Völker oder des Mikrobioms. Mir ist auch kein anderer „Ernährungsratgeber“ bekannt, in dem gleich zu Anfang der Unterschied zwischen Korrelationen und Kausalzusammenhängen, die Fallstricke von epidemiologischen Studien oder der Publication Bias so verständlich erklärt werden. Überhaupt liest sich das Buch sehr angenehm, sowohl wegen des guten Stils der Autorin als auch wegen des aufgeräumten Layouts.
Die Skepsis der Autorin gegenüber Ernährungsdogmen macht auch vor Paleo selbst nicht halt: Stets ist von einer „Hypothese“ die Rede – allerdings einer besonders plausiblen, eben aufgrund der Orientierung an der Ernährung und Lebensweise unserer Urahnen, denen wir genetisch noch sehr nahe stehen. Im Kapitel „Was unser Körper mit Essen macht und warum er Paleo mag“ wird unter anderem der chemische Aufbau von Fett, Kohlenhydraten und Proteinen sehr anschaulich erläutert, und es wird deutlich, dass eine kohlenhydratarme Ernährung keineswegs zu Mangelerscheinungen oder zur Verfettung führen muss. In der „Anthropologischen Rundumschau“ stellt Heidrun die traditionelle Ernährung verschiedener indigener Völker vor, die je nach den Umweltbedingungen ganz unterschiedlich ausfiel. Entsprechend viele Spielarten kennt auch die Paleo-Ernährung. Außerdem wird deutlich, dass es bei Paleo nicht darum geht, genau „wie in der Steinzeit“ zu leben: Alle Gemüsesorten, die wir heute essen, sind kultiviert, und nahezu alle Fleischlieferanten sind Zuchttiere. Es geht um praktikable Näherungen – wie etwa die Beschränkung auf Fleisch und Butter von Weiderindern anstelle von sojagefütterten Rindern aus der Massentierhaltung.
Im Kapitel „Das Mikrobiom“ erhalten viele Leserinnen und Leser vermutlich zum ersten Mal einen guten Überblick über unsere „Mitbewohner“, ohne die wir unser Essen nicht aufschließen und Krankheitserreger nicht richtig abwehren könnten. Das dicke Kapitel „Paleo trifft auf Entzündung“, in dem unter anderem Autoimmunerkrankungen und Übergewicht behandelt werden, lese ich im Augenblick. Bereits überflogen habe ich das Kapitel „Wie passt Paleo in unsere Zeit?“, in dem sich Heidrun unter anderem mit den Argumenten von Veganern gegen den Verzehr tierischer Produkte auseinander setzt. So verständlich das angesichts der heftigen und dogmatischen Diskussionen in vielen Foren ist: Mich hat das weniger angesprochen als die übrigen Teile des Buches; einige Passagen klingen sehr nach Rechtfertigung. Richtig und wichtig ist aber die Feststellung, dass jede Ernährungsweise, auch die vegane, mit Beeinträchtigungen für andere Lebewesen einhergeht und ethische Probleme aufwerfen kann.
In die ersten drei Viertel des Buches sind Erfahrungsberichte von Menschen eingestreut, die ihre Ernährung aufgrund ernster Gesundheitsprobleme – etwa Zöliakie, Diabetes oder Asthma – auf Paleo umgestellt haben. Das letzte Viertel des Buches nehmen die Kochtipps ein, die kein Paleo-Kochbuch ersetzen wollen, sondern wirklich Basics vermitteln – etwa die Herstellung von Ghee, Joghurt, Leberwurst oder Sauerkraut. Sogar Bezugsquellen sind angegeben. So, und jetzt habe ich Lust, Leberwurst zu machen! Ob ich mich traue? 🙂