Archiv für den Monat: März 2011

Die Prämie für meine „Assistenzärzte“

Im Rahmen der Crowdfunding-Kampagne für mein Buch, mit der ich unter anderem professionelle Infografiken finanzieren will, habe ich mir verschiedene „Dankeschöns“ ausgedacht. Wer das Projekt mit mindestens 50 Euro unterstützt, erhält beispielsweise ein handgefertigtes Spiel namens PatternPairs, das aus Begeisterung über die Muster und Strukturen in der Natur entstand. So sieht es aus:

Gedächtnistrainingsspiel, (c) Andrea Kamphuis(Von den 35 Bildpaaren, also 70 Kärtchen, ist nur ein kleiner Teil abgebildet.)

Mehr Bilder und Texte über Muster in der Natur finden sich auf der Seite meiner Arbeitsgemeinschaft mit Stephan Matthiesen, Science-Texts.

Nach der Enzymparade: das Zelltypen-Defilee

Allmählich werden mir meine Exzerpte und Notizen zur Fach- und Sekundärliteratur zu unübersichtlich: Je nach Autor, Buch oder Artikel ist da mal von weißen Blutkörperchen, dann wieder von Leukozyten die Rede; mal von T-Zellen, dann von T-Lymphozyten; mal von Tregs, dann wieder von regulatorischen T-Zellen … und wofür stand noch gleich die Abkürzung APC?

Es muss mal wieder eine Liste her. Mit allen Zelltypen, die im Immunsystem eine Rolle spielen – möglichst mit ihren Synonymen, Verwandtschaftsverhältnissen, Entstehungsorten, Wirkungsorten, Grundfunktionen, usw. Hier der Anfang, noch als ausschließlich alphabetisch vorsortierter „Zoo“ mit etlichen Redundanzen – to be continued:   Weiterlesen

Ist die Methylierung von Lysin 27 im Histon H3 wirklich ein epigenetischer Marker?

In einem kritischen Kommentar für The Scientist hinterfragt der Harvard-Genetiker Robert E. Kingston die weit verbreitete Überzeugung, dass die Methylierung der Aminosäure Lysin an Position 27 der Polypeptidkette des Histons H3 ein epigenetischer Marker sei, der das Ablesen eines Gens verhindert und bei der Replikation des DNA-Doppelstrangs stabil vererbt wird. Wie dieser Einbau von neuem, entsprechend methyliertem Histon an exakt der richtigen Stelle der neu synthetisierten DNA funktionieren soll, ist nämlich – anders als bei epigenetischen Modifikationen an spezifischen Sequenzen der DNA selbst – alles andere als klar.

Kingston zufolge wäre es sehr zu wünschen, dass diese Annahme bald durch Versuche überprüft wird, bei denen man das Lysin an Position 27 durch eine andere Aminosäure ersetzt. Leider gibt es sowohl im Drosophila- als auch im Mäuse-Genom jeweils über 20 H3-Gene, was solche Versuche massiv erschwert, denn man müsste entweder überall die richtige Punktmutation herbeiführen oder die nicht mutierten Gene stilllegen.

Ob sich jemand diese Mühe machen wird, solange die Mehrheit der Kollegen an dem „Glaubenssatz“ von den stabil vererbten epigenetischen H3-Markern festhält? Kingston mahnt: „Der Umstand, dass eine Hypothese einleuchtend klingt, enthebt uns nicht der Notwendigkeit, sie so streng wie möglich zu prüfen.“

Neuer Erklärungsansatz für Multiple Sklerose

Der Spiegel berichtet heute über einen Artikel von Ivana Nikić et al. in Nature Medicine, dem zufolge MS nicht primär (oder zumindest nicht immer) durch Zerstörung der Myelinscheiden um die Axone der Nervenzellen im Gehirn verursacht wird, sondern (auch) durch Sauerstoff- und Stickstoff-Radikale, die von Makrophagen produziert werden und die Mitochondrien der Nervenzellen schädigen. Diese Axon-Entzündungen sind zumindest in den ersten Phasen reversibel und damit potenzielle Ansatzpunkte für neue Therapien:

A reversible form of axon damage in experimental autoimmune encephalomyelitis and multiple sclerosis
Ivana Nikić, Doron Merkler, Catherine Sorbara, Mary Brinkoetter, Mario Kreutzfeldt, Florence M. Bareyre, Wolfgang Brück, Derron Bishop, Thomas Misgeld & Martin Kerschensteiner
Nature Medicine (2011), doi:10.1038/nm.2324

 

Frank Ryan: Virolution – Die Macht der Viren in der Evolution, Kap. 8

Fortsetzung meiner Exzerpte der Kapitel 5 und 6 und 7 von Ryans Buch, wiederum noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

8. Autoimmunkrankheiten

Etwa 5 % der Menschen in den Industrieländern leiden unter Autoimmunkrankheiten: In unterschiedlichen Organen treten Entzündungen auf, die nicht eindeutig auf Infektionen zurückzuführen sind. Zur Diagnose ist oft der Nachweis bestimmter gegen körpereigenes Gewebe gerichteter Antipkörper nötig.

Zu den häufigsten Autoimmunkrankheiten gehört der Systemische Lupus erythematodes (SLE), bei dem das Immunsystem die eigene Doppelstrang-DNA angreift, sodass man DNA-spezifische Antikörper findet. Bei 85 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis ist ein Antikörper nachweisbar, der sich gegen  Immunglobulin G (IgG) richtet, ein Protein, das zur normalen Immunantwort gehört. Im Falle von Typ-1-Diabetes greifen weiße Blutkörperchen und Antikörper die Betazellen in den Langerhans-Inseln an, die in der Bauchspeicheldrüse Insulin herstellen. In Tests werden Antikörper gegen die Glutamat-Decarboxylase 65 (GAD65) nachgewiesen, ein für die Arbeit der Langerhans-Inseln notwendiges Enzym. Bei Multipler Sklerose (MS) führen Angriffe des Immunsystems auf die Myelinscheiden zur Demyelinisierung von Axonen im Zentralnervensystem. Alle Autoimmunerkrankungen lassen sich durch die Gabe von Steroiden beeinflussen, die die Immunantwort unterdrücken. Auch Beta-Interferon und ähnliche Medikamente verbessern den Zustand vieler Patienten.   Weiterlesen

Frank Ryan: Virolution – Die Macht der Viren in der Evolution, Kap. 7

Fortsetzung meiner Exzerpte von Kap. 5 und Kap. 6, ebenfalls noch nicht allgemeinverständlich aufbereitet

7. Machen endogene Retroviren uns krank?

Mutationen können in Wirbeltiergenen neue Stopcodons erzeugen, also jene Drei-Basen-Signale, die der Transkriptionsmaschinierie im Zellkern das Ende eines Gens anzeigen. Ein Stopcodon mitten in einem Gen sorgt dafür, dass die Messener-RNA zu kurz gerät und normalerweise nicht als Bauanleitung für ein funktionsfähiges Protein dienen kann.

Dasselbe kann auch in den Gensequenzen endogener Retroviren geschehen, aber diese können durch Rekombination mit dem Erbgut weiterer endogener oder exogener Viren repariert und somit „wiederbelebt“ werden. (Rekombination ist auch für die Häufigkeit und Heftigkeit von Grippe-Epidemien verantwortlich: Das „Schweinegrippe“-Virus beispielsweise ist ein Patchwork aus Menschen-, Schweine- und Vogelviren aus Nordamerika, Europa und Asien.) Zudem kann eine durch ein Stopcodon verkürzte virale Sequenz im holobiontischen Genom einfach eine neue Funktion übernehmen.   Weiterlesen

Frank Ryan: Virolution – Die Macht der Viren in der Evolution, Kap. 6

Einführende Bemerkungen zum Buch und Notizen zu Kapitel 5 gibt es hier. Es folgen meine noch nicht allgemeinverständlich aufbereiteten Notizen zum nächsten Kapitel:

6. Viren als Geburtshelfer der Evolution

Ein endogenes Retrovirus kann nur gemeinsam mit den Nachfahren der Überlebenden der ersten Seuche überleben. Beide gehen eine dauerhafte Symbiose ein; selektiert wird von nun an auf der Ebene der Partnerschaft.

Aus dieser Perspektive ist die derzeitige Aids-Pandemie die erste Stufe einer solchen neuen Dynamik, während die Koala-Leukämie-Epidemie bereits etwa 100 Jahre länger wütet und schon die nächste Stufe der aggressiven Symbiose erreicht hat: Die meisten Individuen sind infiziert, der Genotyp, der nicht mit dem Virus leben kann, ist weitgehend ausgerottet, und die Endogenisierung schreitet rasch voran.

Wohl kein anderes Genom ist so stark mit Retroviren kontaminiert wie das menschliche. Wir sind gewissermaßen holobiontische Verbünde aus Wirbeltier- und Virenelementen. Virale Gene und Steuerungssequenzen, die für diese Symbiose nützlich sind, sollten von der Selektion stark konserviert worden sein.   Weiterlesen

Who is Who in der Welt der Enzyme

Sieht man sich einfache Visualisierungen epigenetischer Vorgänge an, beispielsweise den Film The Epigenome at a Glance, den ich kürzlich empfohlen habe, so gewinnt man den Eindruck, dass epigenetische Marker frei in unseren Zellkernen herumschwirren und irgendwie selbsttätig an die DNA oder die Histone andocken oder sich wieder lösen würden. Tatsächlich erledigen das allerlei Enzyme, beispielsweise Acetylasen oder Demethylasen.

Enzyme – also Proteine, die biochemische Reaktionen katalysieren – spielen bei den Vorgängen im gesunden wie im entgleisten Immunsystem eine überragende Rolle, und ich mache mir Gedanken, wie sich ihre Beiträge veranschaulichen lassen. Schön wäre eine Art „Who is Who“ der Enzymwelt, in dem man während der Lektüre des Buches immer wieder nachschlagen kann, wenn man den Überblick verloren hat. Also fange ich hier eine Liste mit Enzymen an, die mir in der immunologischen Fachliteratur begegnen – to be continued. Später werde ich ihre Funktion stichwortartig erläutern und bildlich darzustellen versuchen. Vielleicht im Comicstil – oder wieder mit Fruchtgummi-Modellen? 🙂   Weiterlesen

Frank Ryan: Virolution – Die Macht der Viren in der Evolution, Kap. 5

Dieses Buch habe ich Ende 2009/Anfang 2010 für Spektrum Akademischer Verlag aus dem Englischen übersetzt. Es hat in meinen Augen große Schwächen, die kürzlich in einer Rezension für die Zeitschrift GEHIRN&GEIST von der Biochemikerin Christiane Jost gut auf den Punkt gebracht wurden.

Dennoch bin ich dem Autor irgendwie zu Dank verpflichtet, denn wenn ich nicht just Anfang 2010, als die ersten verwirrenden und scheinbar unzusammenhängenden Symptome meiner Hashimoto-Thyreoiditis auftraten, das Kapitel über die Autoimmunkrankheiten übersetzt hätte, wäre ich sicher nicht so schnell darauf gekommen, was mit mir nicht stimmte: Wahrscheinlich hätte ich heute noch nicht die richtige Diagnose.  Eine Mischung aus Glück und Verstand – und biologischem Vorwissen.

Bald kam mir der Gedanke, dass das hochinteressante Thema „humane endogene Retroviren und Autoimmunerkrankungen“, das Ryan in seinem überfrachteten Buch unter anderem anreißt, eigentlich ein eigenes, besser illustriertes, umfassender recherchiertes und klarer strukturiertes Buch verdient. Das war die Initialzündung zu „Friendly Fire“.   Weiterlesen

Epigenetik für Einsteiger

The Scientist hat kürzlich eine schöne Infografik veröffentlicht, in der die wichtigsten Grundlagen der Epigenetik erklärt werden: Epigenetics – A Primer.

Das Genetic Science Learning Center der Universität von Utah hat einen anschaulichen, knapp zwei Minuten kurzen Animationsfilm gedreht: The Epigenome at a Glance.

Großartig finde ich auch diesen knapp fünf Minuten langen Film aus demselben YouTube-Kanal, in dem mit einfachen, selbstgebastelten Modellen erläutert wird, warum eineiige Zwillinge einander im Lauf der Jahre immer weniger ähneln: The Epigenetics of Identical Twins.