Archiv der Kategorie: Netzfunde

Neuromyelitis optica: keine Form der MS, sondern eine eigene Autoimmunerkrankung

Bei spektrumdirekt hat Friedmann Paul, Oberarzt an der Klinik für Neurologie der Charité, am 1. Juli über die neuerdings als eigenständige Autoimmunstörung geltende Neuromyelitis optica informiert, die zur Erblindung oder, wenn sie das Rückenmark betrifft, schlimmstenfalls zu einer vollständigen Querschnittslähmung führen kann: „Angriff auf den Wasserkanal„.

Medizinisches Crowdsourcing

In Zusammenhang mit meiner Finanzierungskampagne und der Crowdconvention bin ich in den letzten Wochen auf einige ganz unterschiedliche Crowdsourcing-Projekte aus dem Medizin- und Gesundheitssektor bzw. den Biowissenschaften gestoßen.

Wird an der Wirklichkeit vorbei geplant, bahnt sich die Weisheit der vielen ihren Weg.

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Immunforscher Avrion Mitchison im Videointerview

Erst gestern habe ich dieses sehr ausführlich, gut gegliederte und hervorragend aufbereitete lange Interview mit dem Immunforscher Avrion Mitchison im Web of Stories entdeckt. Mitchison hat unter anderem an rheumatoider Arthritis geforscht, darunter auch einige Jahre in Deutschland. Er hat Wesentliches zur Aufklärung der Rolle von B- und T-Lymphozyten bei Autoimmunreaktionen und autoentzündlichen Erkrankungen beigetragen.

Darüber hinaus ist er ein Mensch mit einer hochspannenden Biografie und interessanten Ansichten zu forschungspolitischen Themen – Ansichten, die ich nicht immer teile, aber das wäre ja auch langweilig.

Die Nadel im Heuhaufen: Wie finde ich biomedizinische Fachliteratur?

Zhiyong Lu hat in Database – The Journal of Biological Databases and Curation eine ausführliche Besprechung von 28 Suchwerkzeugen für biomedizinische Fachliteratur veröffentlicht – sehr lobenswert und nützlich für alle Wissenschaftler und Publizisten, die bei ihren Literaturrecherchen vor den rasant wachsenden Aufsatzbergen zu kapitulieren drohen und Alternativen oder Ergänzungen zu PubMed suchen.

Löblich auch, dass der Artikel frei zugänglich ist und unter einer Creative-Commons-Lizenz steht: PubMed and beyond: a survey of web tools for searching biomedical literature (doi:10.1093/database/baq036).

Auf der Website des National Center for Biotechnology Information steht zudem eine aktualisierte Linkliste und Auwahlmaske zur Verfügung, mit der man unter all den Tools das für die jeweilige Suche passende herausfiltern kann.

Ist die Methylierung von Lysin 27 im Histon H3 wirklich ein epigenetischer Marker?

In einem kritischen Kommentar für The Scientist hinterfragt der Harvard-Genetiker Robert E. Kingston die weit verbreitete Überzeugung, dass die Methylierung der Aminosäure Lysin an Position 27 der Polypeptidkette des Histons H3 ein epigenetischer Marker sei, der das Ablesen eines Gens verhindert und bei der Replikation des DNA-Doppelstrangs stabil vererbt wird. Wie dieser Einbau von neuem, entsprechend methyliertem Histon an exakt der richtigen Stelle der neu synthetisierten DNA funktionieren soll, ist nämlich – anders als bei epigenetischen Modifikationen an spezifischen Sequenzen der DNA selbst – alles andere als klar.

Kingston zufolge wäre es sehr zu wünschen, dass diese Annahme bald durch Versuche überprüft wird, bei denen man das Lysin an Position 27 durch eine andere Aminosäure ersetzt. Leider gibt es sowohl im Drosophila- als auch im Mäuse-Genom jeweils über 20 H3-Gene, was solche Versuche massiv erschwert, denn man müsste entweder überall die richtige Punktmutation herbeiführen oder die nicht mutierten Gene stilllegen.

Ob sich jemand diese Mühe machen wird, solange die Mehrheit der Kollegen an dem „Glaubenssatz“ von den stabil vererbten epigenetischen H3-Markern festhält? Kingston mahnt: „Der Umstand, dass eine Hypothese einleuchtend klingt, enthebt uns nicht der Notwendigkeit, sie so streng wie möglich zu prüfen.“

Neuer Erklärungsansatz für Multiple Sklerose

Der Spiegel berichtet heute über einen Artikel von Ivana Nikić et al. in Nature Medicine, dem zufolge MS nicht primär (oder zumindest nicht immer) durch Zerstörung der Myelinscheiden um die Axone der Nervenzellen im Gehirn verursacht wird, sondern (auch) durch Sauerstoff- und Stickstoff-Radikale, die von Makrophagen produziert werden und die Mitochondrien der Nervenzellen schädigen. Diese Axon-Entzündungen sind zumindest in den ersten Phasen reversibel und damit potenzielle Ansatzpunkte für neue Therapien:

A reversible form of axon damage in experimental autoimmune encephalomyelitis and multiple sclerosis
Ivana Nikić, Doron Merkler, Catherine Sorbara, Mary Brinkoetter, Mario Kreutzfeldt, Florence M. Bareyre, Wolfgang Brück, Derron Bishop, Thomas Misgeld & Martin Kerschensteiner
Nature Medicine (2011), doi:10.1038/nm.2324

 

Epigenetik für Einsteiger

The Scientist hat kürzlich eine schöne Infografik veröffentlicht, in der die wichtigsten Grundlagen der Epigenetik erklärt werden: Epigenetics – A Primer.

Das Genetic Science Learning Center der Universität von Utah hat einen anschaulichen, knapp zwei Minuten kurzen Animationsfilm gedreht: The Epigenome at a Glance.

Großartig finde ich auch diesen knapp fünf Minuten langen Film aus demselben YouTube-Kanal, in dem mit einfachen, selbstgebastelten Modellen erläutert wird, warum eineiige Zwillinge einander im Lauf der Jahre immer weniger ähneln: The Epigenetics of Identical Twins.