Schlagwort-Archive: circadiane Rhythmik

Abb. 229: Nächtliche T-Helferzellen-Vermehrung

T-Helferzellen vermehren sich vor allem nachts, nachdem sie in den Lymphknoten von antigenpräsentierenden Zellen aktiviert wurden. Mit ihrer Zahl steigt auch die Konzentration
der von ihnen hergestellten Botenstoffe wie IL-2 und IFN-γ.

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Abb. 228: Reaktive Homöostase

Dringt tagsüber ein Antigen in den Körper ein, wird die Produktion des entzündungsfördernden TNF-α kurzfristig stark hochgefahren, um eine Ausbreitung der Gefahrenquelle zu verhindern. Kurz danach steigt auch die Konzentration des entzündungshemmenden Kortisols stark an, wodurch die TNF-α-Ausschüttung nach wenigen Stunden wieder auf ihr normales Tagesniveau absinkt. Diesen Regelungsvorgang nennt man reaktive Homöostase.

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Abb. 226: Nächtliche Produktion proinflammatorischer Botenstoffe

Durch den Tiefschlaf zu Beginn der Nacht ausgelöst und durch Hypophysen-Botenstoffe wie Somatropin und Prolaktin vermittelt, steigt nachts in den Zellen der angeborenen Immunabwehr die Produktion von Entzündungszytokinen wie IL-6, IL-12 und TNF-α.

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Abb. 225: Nächtliche Melatoninproduktion

Die Melatoninproduktion in der Zirbeldrüse erreicht mitten in der Nacht ihr Maximum und wird vor dem Erwachen stark heruntergefahren. Die senkrechten Linien markieren Beginn und Ende des Nachtschlafs.

(Diese und folgende Abbildungen: nach Lange und Born, 2011.)

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Abb. 223: Das Stundenbuch der natürlichen Killerzellen

Neben der zentralen biologischen Uhr im Hypothalamus schwingen auch im restlichen Körper viele Vorgänge im 24-Stunden-Takt. Dank dieser lokalen Uhren, die regelmäßig durch Impulse aus dem Hypothalamus synchronisiert werden, können sich Zellen und Organe auf regelmäßig wiederkehrende Situationen einstellen. Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) dienen z. B. der Bekämpfung von Pathogenen, die zumeist tagsüber während unserer aktiven Phase in den Körper eindringen.

In Abb. 223 zeigen die Halbkreise die Tageszeit an: morgens, mittags, abends, nachts. Die obere Hälfte der vier Rechtecke stellt jeweils den Zellkern dar, die untere Hälfte das Zytoplasma, also den Zellbereich außerhalb des Kerns. Die Darstellung ist extrem vereinfacht; tatsächlich gibt es z. B. noch mehr Uhrgene, die der Stabilisierung des Rhythmus dienen.

Morgens werden die Uhrgene per, cry und ror abgelesen: Das Protein BMAL/CLOCK (die Uhr) hat an sie angedockt und fördert ihre Transkription. Außerdem fördert es die Ablesung zahlreicher weiterer Gene, der sogenannten clock-controlled genes oder CCGs. In NK-Zellen sind das zum Beispiel Gene, deren Produkte für die Pathogenbekämpfung nötig sind. Die neuen mRNA-Stränge wandern aus dem Zellkern ins Zytoplasma und werden dort von Ribosomen in Empfang genommen. Diese Proteinfabriken setzen anhand der Bauanleitung in der mRNA Aminosäuren zu neuen Proteinen zusammen.

Mittags haben die NK-Zellen große Mengen der Proteine hergestellt. Einen Teil scheiden die Zellen aus, um Viren, Bakterien und Krebszellen auszuschalten – zum Beispiel Giftstoffe aus ihren Granula (den Membranbläschen) oder Botenstoffe. Die Proteine PER und CRY lagern sich dagegen zusammen, werden aktiviert und wandern – wie auch das Protein ROR – in den Zellkern ein. Diese Proteine sind Transkriptionsfaktoren; sie beeinflussen also die Ablesung von Genen, genau wie BMAL/CLOCK.

Abends werden die morgens fleißig transkribierten Gene nicht mehr abgelesen, da PER/CRY (Ampel) die Aktivierung durch BMAL/CLOCK (Uhr) unterbindet. Der Transkriptionsfaktor ROR hat dagegen an eine Sequenz vor dem Gen bmal gebunden und dessen Ablesung eingeschaltet. Er zieht gewissermaßen die Zelluhr auf (Schlüssel). Die bmal-mRNA wandert ins Zytoplasma zu den Ribosomen.

Nachts haben die NK-Zellen so viel BMAL hergestellt, dass es sich mit seinem langlebigen Partner CLOCK zusammenlagern kann. Das Protein tritt in den Zellkern über und ersetzt dort alte, nicht mehr funktionstüchtige BMAL/CLOCK-Einheiten. PER/CRY hat ausgedient und wird von Enzymkomplexen, sogenannten Proteasomen, abgebaut (Hammer).

Damit schließt sich der Kreis. So werden gefährliche Wirkstoffe, deren Herstellung zudem viel Energie verbraucht, jeden Tag »just in time« produziert: dann, wenn Pathogene in unseren Körper eindringen.

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Abb. 221: Die innere Uhr und das Immunsystem

Unsere zentrale Uhr im suprachiasmatischen Nucleus oder SCN, einem Teil des Hypothalamus im Gehirn, schwingt mit einer Periode von ungefähr im 24 Stunden. Dieser circadiane Rhythmus wird regelmäßig durch das Tageslicht nachjustiert, damit die Uhr nicht vor- oder nachgeht. Der SCN beeinflusst das Immunsystem auf drei Wegen: über die Zirbeldrüse, die zu bestimmten Tageszeiten das Hormon Melatonin ausschüttet, über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, die zu einer im Tagesverlauf schwankenden Kortisolausschüttung führt, und über das autonome Nervensystem, das Signale an die Zirbeldrüse und die Nebennierenrinde, aber auch direkt an Lymphorgane wie Milz und Leber sendet. Das Immunsystem wiederum wirkt auf unsere Uhr und damit auf unser Schlafbedürfnis zurück: durch die Ausschüttung von Zytokinen, die im SCN die Ablesung der Uhr-Gene beeinflussen.

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Mikrobiom-News

Lynn_Margulis_650Bevor die Tab-Leiste des Browsers explodiert und meine Bookmarks wegen Nichtbeachtung Harakiri begehen, notiere ich hier in aller Eile ein paar Stichworte zu aktueller (na ja, fast aktueller) Mikrobiom-Literatur.

Und damit die Männerquote bei den Wissenschaftler-Porträts im Buch nicht weiter bei traurigen 100 Prozent liegt, habe ich Lynn Margulis in die Galerie aufgenommen – jene 2011 verstorbene US-amerikanische Biologin, die für symbiotische Organismen (also z. B. Mensch + Mikrobiom) den Begriff „Holobionten“ geprägt hat.

Ruth Williams (2014): Repurposed Retroviruses: Die T-Zell-unabhängige Aktivierung von B-Zellen durch Polysaccharid-Antigene geht bei Mäusen offenbar mit einer Transkription zahlreicher DNA-Sequenzen aus endogenen Retroviren (ERVs) einher, und die dabei entstehende RNA wird zum Teil vom Enzym Reverse Transkriptase in DNA-Stränge rückübersetzt. Das ist vermutlich keine funktionslose oder gar schädliche Nebenwirkung, sondern Teil des B-Zell-Aktivierungsmechanismus.

Kate Yandell (2015): Commensal Defense: Bacteroidetes in unserer Darmflora entgehen der Vernichtung durch antimikrobielle Peptide, mit denen unser Organismus Pathogene im Verdauungstrakt vernichtet, durch ein Enzym, das die Lipopolysaccharide (LPS) in ihrer Membran verändert. Diese im Resistenzgen IpxF codierte Phosphatase knipst negativ geladene Phosphatgruppen von den LPS ab, wodurch die positiv geladenen antimikrobiellen Peptide schlechter an unsere Symbionten binden als an die Pathogene.   Weiterlesen

Die NK-Zell-Uhr

Neben der zentralen biologischen Uhr im Hypothalamus (siehe voriger Beitrag) schwingen auch im restlichen Körper viele Vorgänge im 24-Stunden-Takt. Dank dieser lokalen Uhren, die regelmäßig durch Impulse aus dem SCN synchronisiert werden, können sich die Zellen auf regelmäßig wiederkehrende Situationen einstellen. Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) dienen z. B. der Bekämpfung von Pathogenen, die zumeist tagsüber während unserer aktiven Phase in den Körper eindringen.

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Die Halbkreise geben die Tageszeit (morgens, mittags, abends, nachts) an. Die obere Hälfte der vier Rechtecke stellt jeweils den Zellkern dar, die untere Hälfte das Zytoplasma, also den Zellbereich außerhalb des Kerns. Die Vorgänge sind extrem vereinfacht dargestellt; tatsächlich gibt es z. B. noch mehr Uhrgene, die der Stabilisierung des Rhythmus dienen.

Morgens werden die Uhrgene per, cry und ror abgelesen: Das Protein BMAL/CLOCK (die Uhr) hat an Sequenzen in deren Promotorbereichen angedockt und fördert so ihre Transkription. Außerdem fördert es die Ablesung zahlreicher anderer Gene, der sogenannten clock-controlled genes oder CCGs – in NK-Zellen zum Beispiel Gene, die für die Pathogenbekämpfung nötig sind. Die Transkriptionsprodukte (sogenannte Messenger-RNA oder mRNA) wandern aus dem Zellkern ins Zytoplasma und werden dort von den Ribosomen in Empfang genommen – den Proteinfabriken, die anhand der Bauanleitung in der mRNA Aminosäuren zu neuen Proteinen zusammensetzen.

Mittags haben die NK-Zellen große Mengen der Proteine hergestellt. Einen Teil davon scheiden die Zellen aus, um Viren, Bakterien und Krebszellen auszuschalten – zum Beispiel Giftstoffe aus ihren Granula (Membranbläschen) oder Botenstoffe wie den Tumornekrosefaktor (TNF). Die Proteine PER und CRY lagern sich dagegen zusammen, werden aktiviert und wandern – genau wie das Protein ROR – in den Zellkern ein. Diese Proteine sind Transkriptionsfaktoren; sie beeinflussen also die Ablesung von Genen – genau wie BMAL/CLOCK.

Abends werden die morgens fleißig transkribierten Gene nicht mehr abgelesen, da das Protein PER/CRY (Ampel) die Aktivierung durch BMAL/CLOCK (Uhr) unterbindet. Der Transkriptionsfaktor ROR hat dagegen an eine Sequenz im Promotor des Gens bmal gebunden und so dessen Ablesung eingeschaltet. Er zieht gewissermaßen die Zelluhr auf; daher der Schlüssel. Die bmal-mRNA wandert ins Zytoplasma und wird dort von Ribosomen in Empfang genommen.

Nachts haben die NK-Zellen so viel BMAL hergestellt, dass es sich mit seinem Gegenpart CLOCK zusammenlagern kann. Das Protein tritt in den Zellkern über und ersetzt dort alte, nicht mehr funktionstüchtige BMAL/CLOCK-Einheiten. PER/CRY hat ausgedient und wird von Enzymkomplexen, sogenannten Proteasomen, abgebaut (Hammer).

Damit schließt sich der Kreis. So werden die gefährlichen Wirkstoffe, deren Herstellung zudem viel Energie verbraucht, jeden Tag „just in time“ produziert: dann, wenn Pathogene in unseren Körper eindringen.

(Abbildung inspiriert durch Logan RW & Sarkar DK, „Circadian nature of immune function“, Molecular and Cellular Endocrinology 349 (2012) 82-90, und Gibbs JE & Ray DW, „The role of the corcadian clock in rheumatoid arthritis“, Arthritis Research & Therapy 2013, 15:205)

Wie erfährt Immunsystem, wie spät es ist?

Auf drei Wegen: über das Hormon Melatonin aus der Zirbeldrüse, über das Hormon Cortisol aus der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und über das autonome Nervensystem, das Signale an die endokrinen Drüsen und an Lymphorgane wie Milz und Leber übermittelt:

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Alle drei Instanzen beziehen die zentrale Uhrzeit vom suprachiasmatischen Nucleus (SCN), einem Teil des Hypothalamus. Der circadiane Rhythmus im SCN wird regelmäßig durch Tageslicht nachjustiert, damit die zentrale Uhr nicht vor- oder nachgeht.

Auch das Immunsystem kann die zentrale Uhr verstellen, zum Beispiel, wenn der Körper bei einer Infektion Ruhe braucht. Dann senden die Immunzellen Zytokine aus, Botenstoffe, die im SCN die Ablesung der Uhr-Gene beeinflussen.

(Abbildungsvorlage aus Mavroudis PD et al., Systems biology of circadian-immune interactions. J Innate Immun 2013; 5:153-162)

Immunologische Schlafforschung: Es ist zum Mäusemelken.

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Bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen, aber auch Krebs, Adipositas, Gefäßerkrankungen usw. rücken die circadiane Rhythmik und der Einfluss des Schlafs allmählich stärker in den Fokus. Um eine Behandlung wirksamer zu machen, Nebenwirkungen zu reduzieren oder die Selbstheilungskräfte des Organismus optimal zu nutzen, kommt es oft auf den Zeitpunkt der Verabreichung eines Wirkstoffs an und auf eine ausreichende Schlafdauer. In einem Versuch war beispielsweise ein Impfschutz noch nach einem Jahr signifikant stärker, wenn die Versuchspersonen in der ersten Nacht nach der Impfung ausreichend Schlaf bekommen hatten.

Die Erforschung der genauen Zusammenhänge zwischen innerer Uhr, Schlaf und Immunsystem wird durch die vielen Rückkopplungen und gegenseitigen Abhängigkeiten des Systems erschwert. So wird das Schlafzentrum, das viele Abläufe im Immunsystem regelt, seinerseits durch das Immunsystem beeinflusst. Das merkt man z. B. am erhöhten Schlafbedürfnis bei einer Infektionserkrankung oder auch an der ständigen Abgeschlagenheit (Fatigue) bei vielen Autoimmunerkrankungen.

Um die Rhythmen in der Vermehrung und Aktivierung der einzelnen Immunzelltypen und in der Produktion von Hormonen, Zytokinen und anderen Botenstoffen zu erforschen, zapft man Versuchspersonen über mindestens 24 Stunden hinweg regelmäßig etwas Blut ab, das dann analysiert wird. Dabei sollte der Schlaf der Personen nicht gestört werden, weshalb man einen Dauer- oder Verweilkatheter verwendet, der vom Nebenraum aus bedient werden kann. Aber ist die Konzentration eines Stoffes oder eines Zelltyps im Blut überhaupt repräsentativ für die Verhältnisse in dem Organ, das einen eigentlich interessiert?

Bei manchen Zelltypen definitiv nicht: Wenn man im Blut zu einem Zeitpunkt beispielsweise besonders wenige T-Helferzellen findet, heißt das nicht, dass sie plötzlich „ausgestorben“ sind: Sie sind u. U. nur ins Knochenmark gewandert. Antigenpräsentierende Zellen wie Makrophagen und dendritische Zellen halten sich fast rund um die Uhr im Gewebe auf, um Antigene aufzustöbern. Daher werden an ihrer Stelle ihre Vorläufer gezählt, zum Beispiel Monozyten anstelle von Makrophagen. Denn Monozyten müssen nach ihrer Entstehung im Knochenmark über die Blutbahn ins Gewebe wandern.

Um die Auswirkungen der circadianen Rhythmik und des Schlafs auseinanderzuhalten, muss man mit Schlafentzug arbeiten. An Menschen lässt sich das ethisch nur für eine Nacht vertreten, um Dauerschäden zu vermeiden. (Allerdings weiß man aus der Untersuchung von z. B. alkoholismus- oder depressionsbedingten Schlafstörungen, dass ein länger anhaltender Schlafmangel die Zytokinproduktion von einer Th1- zu einer Th2-Antwort verschiebt.)

Versuche an Mäusen und Ratten haben gezeigt, dass ein längerer Schlafentzug das Immunsystem schon bald so schwächt, dass der Organismus von Bakterien überrannt wird und das Tier an einer Sepsis stirbt. Die Ergebnisse solcher und ähnlicher Versuche hängen dabei vom verwendeten Versuchstierstamm ab, denn Schlafmuster haben eine starke erbliche Komponente. Das erschwert den Vergleich von Studien.

Noch schwieriger ist die Übertragung von Erkenntnissen, die an Mäusen oder Ratten gewonnen wurden, auf den Menschen. Abgesehen von vielen anderen Unterschieden sind Menschen tagaktiv und Nagetiere nachtaktiv (s. Abbildung). Bei ihnen laufen die Regelvorgänge, die ich im vorigen Artikel erläutert habe, daher ganz anders ab.