Den Hautärzten sei es ins Gebetbuch geschrieben. Immer muss man alles selbst herausfinden … 🙁 Auf – eigene oder fremde – Abbildungen verzichte ich bei diesem Thema. (Vorsicht, nicht beim Frühstück danach googeln!)
Zusammenfassung von vier Arbeiten zum Thema, von alt nach neu; noch nicht allgemein verständlich aufbereitet:
Hyun-Jeong Lee et al.: Two cases of Morphea Associated with Hashimoto’s Thyroiditis. Acta Derm Venerol 2002 82, 2002, 58-59, doi:10.1080/000155502753600920
Bericht über zwei Fälle: (1) 27-j. Frau, hat seit 5 Jahren Morphea-Plaque an einem Unterarm; TSH erhöht, Anti-Tgo-Antikörpertiter erhöht, (2) 42-j. Frau, seit 3 Monaten sklerotische Plaque an einem Unterarm, vor 8 Jahren Diagnose Hashimoto-Thyreoiditis erhalten. In beide Biopsien zeigten sich unregelmäßig angeordnete, verdickte und hyaline Kollagenbündel in der Netzschicht (Stratum reticulare) der Lederhaut (Dermis) und ein fleckiges Entzündungsinfiltrat, vor allem Lymphozyten, gemischt mit Plasmazellen, in der Dermis und der Unterhautfettschicht. Die Kollagenvermehrung und das Entzündungsinfiltrat verdicken die Scheidewände oder Septen in der Unterhaut und verschieben die ekkrinen Schweißdrüsen in die mittlere Dermis.
Mögliche Zusammenhänge Hashimoto/Sklerodermie: Schilddrüsenhormone wirken auf die Kernrezeptoren menschlicher Fibroblasten (Bindegewebszellen) ein und sind an der Regulierung der Synthse und des Abbaus von Kollagen beteiligt. Es könnte sein, dass das Immunsystem bei beiden Autoimunerkrankungen z. T. auf dieselben Autoantigene reagiert, aber die Verbindung zwischen den Erkrankungen – sofern vorhanden – liegt noch im Dunkeln. Bei den beiden Patientinnen hing der Verlauf der Morphea nicht mit dem Grad der Schilddrüsenfehlfunktion zusammen.
K. Takehara, S. Sato: Localized scleroderma is an autoimmune disorder. Rheumatology 44, 2005, 274-279, doi:10.1093/rheumatology/keh487
Übersichtsartikel zur Autoimmunität von lokalisierter Sklerodermie, v. a. Daten aus den letzten beiden Jahrzehnten. (Die Autoren haben 1983 erste Hinweise darauf veröffentlicht, dass die lokalisierte Sklerodermie eine organspezifische Autoimmunerkrankung ist.) Hauptergebnisse: In Kulturen von Zellen aus den Patienten werden oft antinukleäre Antikörper nachgewiesen; die Hauptautoantigene sind Histone. Antikörper gegen das Enzym Topoisomerase II α sind hochspezifisch für lokalisierte Sklerodermie, während Antikörper gegen Topoisomerase I hochspezifisch für systemische Sklerodermie sind. Topoisomerasen sind allgegenwärtige Enzyme, die den topologischen Zustand von DNA verändern können, indem sie einen oder beide Stränge vorübergehend aufschneiden, was bei der DNA-Replikation und -Transkription nötig ist.
In den Seren der Patienten wurden auch erhöhte Konzentrationen proinflammatorischer (entzündungsfördernder) Zytokine (IL-2, IL-4, IL-6), lösliche Zytokinrezeptoren und Zelladhäsionsmoleküle nachgewiesen, was auf eine Immunaktivierung hinweist. Bei den einzelnen Formen der lokalisierten Sklerodermie – von leicht nach schwer: Morphea, lineare Sklerodermie, generalisierte Morphea – werden die verschiedenen Autoantikörper und Zytokine unterschiedlich häufig nachgewiesen; bei der generalisierten Morphea ist das Autoimmungeschehen am stärksten. Ob und wie die Autoantikörper ursächlich an den Hautläsionen beteiligt sind, ist noch unklar. Dass die lokalisierte Sklerodermie mit vielen Läsionen oft entlang der Blaschko-Linien (Ausbreitungswege von Zellen während der Embryogenese) verläuft, könnte bedeuten, dass mutierte Zellen, die auf eine einzelne mutierte Zelle zurückgehen und sich entlang der Blaschko-Linien ausbreiten, das Ziel der Immunreaktionen sind.
Justin J. Leitenberger et al.: Distinct Autoimmune Syndromes in Morphea. A review of 245 adult and pediatric cases. Arch Dermatol. 145/5, 2009, 545-550, doi:10.1001/archdermatol.2009.79
Retrospektive Studie an 245 Morphea-Patienten. Zum Diagnosezeitpunkt waren etwa gleich viele Teilnehmer erwachsen (123) bzw. Kinder (122); Afroamerikaner waren deutlich seltener betroffen als statistisch zu erwarten, Frauen häufiger als Männer. Der Plaque-Subtyp der Morphea war am häufigsten vertreten (36%), gefolgt von der linearen (26%) und der generalisierten (15%) Morphea. Bei den Kindern stand allerdings die lineare Form an erster Stelle.
Weitere Autoimmunerkrankungen sind bei den Patienten und in ihren Familien mit 18% bzw. 16% etwa viermal häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt; der generalisierte Subtyp ist mit 46% bzw. 22% signifikant stärker betroffen als die anderen Subtypen. Kinder mit Morphea haben seltener weitere Autoimmunerkrankungen als Erwachsene, was an der oftmals späten Manifestation vieler Autoimmunerkrankungen liegen mag. Psoriasis trat bei den Patienten 1,5- bis 4,5-mal häufiger auf als erwartet, SLE 58-mal häufiger, MS 7- bis 8-mal und Vitiligo 3,5-mal häufiger als in der Allgemeinbevölkerung. In den Familien der Betroffenen war neben den genannten Autoimmunerkrankungen auch rheumatoide Arthritis recht häufigt vertreten. Die mutmaßliche gemeinsame Veranlagung vererbt sich nicht nach den Mendel’schen Regeln, ist also wohl polygenetisch.
Auch Symptome außerhalb der betroffenen Hautregionen, z. B. Atem- oder Schluckbeschwerden oder Durchblutungsstörungen wie das Raynaud-Syndrom, traten bei generalisierter Morphea besonders häufig auf. Beim gemischten Sybtyp überwogen Muskel- und Knochenprobleme, beim linearen Subtyp Störungen der Nerven und der Augen, jeweils in der Nähe der betroffenen Region des Gesichts oder der Kopfhaut. Auch die Antikörperprofile unterscheiden sich: Antinukleäre Antikörper werden insgesamt häufig (39%), besonders oft aber beim gemischten (54%) und generalisierten (58%) Morphea-Subtyp nachgewiesen.
Morphea oder zirkumskripte Sklerodermie gilt im Allgemeinen als organspezifische Autoimmunerkrankung, die fast ausschließlich die Haut betrifft und außer dem Aussehen der Läsionen wenig mit einer systemischen Sklerodermie und anderen systemischen Erkrankungen zu tun hat. Die Autoren schließen aber aus ihren Befunden, dass die Morphea vom generalisierten und evtl. auch vom gemischten Subtyp eher eine systemische Autoimmunerkrankungen ist. Sie empfehlen, betroffene Patienten gründlich auf entsprechende Autoantikörper (ANA usw.) zu testen, um hinzutretende systemische Erkrankungen wie Lupus usw. möglichst früh zu diagnostizieren und rechtzeitig mit einer Immunsuppression o. ä. beginnen zu können.
Stephan Kobus: Klinische und serologische Charakteristika der zirkumskripten Sklerodermie in Abhängigkeit vom Subtyp. Inauguraldissertation (Dr. med.), Ruhr-Universität Bochum, 2009 (PDF)
Zunächst werden die verschiedenen Subtypen und die Histologie erläutert. Zur Pathoätiogenese schreibt Kobus auf S. 21, dass in Familien von Patienten mit zirkumskripter Sklerodermie Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis gehäuft auftreten und die Hautveränderung positiv mit weiteren Autoimmunerkrankungen assoziiert ist, nämlich Vitiligo, Hashimoto-Thyreoiditis, Typ-1-Diabetes und systemischem Lupus erythematodes (SLE). Außerdem treten bei den Patienten die HLA-Haplotypen HLA-A3B7 und -DR2 gehäuft auf, was auf eine genetische Prädisposition hindeutet. Bei einigen Patienten lässt sich zudem eine Infektion mit Borrelia burgdorferi nachweisen, dem Bakterium, das auch die durch Zeckenbisse übertragene Lyme-Borreliose hervorruft.
Die Haut wird offenbar vor allem durch die chronische Persistenz aktivierter B-Lymphozyten geschädigt. Sowohl die humorale als auch die zelluläre Immunantwort scheinen aus dem Lot zu geraten. In den aktiven Bereichen der Plaques kommt es zunächst zu einer verstärkten Angiogenese (Blutgefäßbildung); durch das defekte Endothel der Gefäße dringen entzündungsfördernde Zellen wie CD4+-Zellen, Monozyten und eosinophile Granulozyten in die Dermis (Lederhaut) ein. Dort ausgeschüttete Zytokine (IL-2, IL-4, IL-6, IL-8, IL-13) und Wachstumsfaktoren (TNF-α) führen zu einer Vermehrung der Fibroblasten und einer Zunahme der extrazellulären Matrix (Kollagen-Überproduktion). Auch bestimmte lösliche Zytokinrezeptoren und Adhäsionsmoleküle treten gehäuft auf. Die Immunantwort ist Th2-betont; B-Zellen werden von CD30+-T-Zellen zur Produktion von Autoantikörpern angehalten. Unter anderem wurden bei vielen Patienten antinukleäre Antikörper (ANA) nachgewiesen, z. B. solche, die gegen Histone gerichtet sind.
In seiner retrospektiven Analyse von 398 Fällen versucht Kobus die verschiedenen Verlaufsformen der zirkumskripten Sklerodermie anhand serologischer und klinischer Parameter zu charakterisieren. Die Hauptergebnisse (ab S. 33): 75 Prozent der Patienten waren weiblich. Der Plaque-Subtyp war am häufigsten (51%), gefolgt vom linearen Subtyp (18%), der generalisierten zirkumspripten Sklerodermie (15%), dem Subtyp „en coup de sabre“ (9%) usw.
Borrelia-Infektionen wurden mit zwei Methoden in 7% bzw. 8% der Stichprobe festgestellt. Antinukleäre Antikörper (ANA) wurden bei 22% der getesteten Plaque-Patienten, bei 53% der getesteten Patienten vom linearen Subtyp und bei 30% der gestesteten Patienten vom generalisierten Subtyp nachgewiesen. Antikörper gegen Bestandteile der glatten Muskulatur (ASMA) fanden sich in 35% (Plaque), 35% (linear) bzw. 64% (generalisiert) der Tests. Extrahierbare nukleäre Antikörper (ENA), insbesondere gegen Histone gerichtete Antikörper, sowie Antikörper gegen DNA konnten nur in relativ sehr wenigen Fällen nachgewiesen werden. Insgesamt weichen viele dieser Prozentsätze von den Werten in anderen Studien (z. B. Anti-Histon-Antikörper in bis zu 87% der untersuchten Fälle) nach unten ab. Beachtung verdient der hohe ASMA-Wert beim generalisierten Subtyp der zirkumskripten Sklerodermie: Je ausgedehnter die Läsionen, desto stärker scheint neben der Haut auch die glatte Muskulatur vom Autoimmungeschehen angegriffen zu werden.