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Bell’s palsy: vermischte schnelle Notizen zur Literatur, Teil 2 (Saisonalität und Klima)

Campbell und Brundage (2002): Effects of Climate, Latitude, and Season on the Incidence of Bell’s Palsy in the US Armed Forces, October 1997 to September 1999
Die Autoren haben Daten über Gesundheitszustand und Demografie von US-Militärangehörigen aus zwei Jahren auf Korrelationen zwischen Lähmungsrisiko und Klima, Jahreszeit oder Breitengrad untersucht. 1997-1999 1181 Fälle von Bell’s palsy beim US-Militär, allgemeine Inzidenz 42,77 pro 100.000 Personen pro Jahr – höher bei Älteren, Frauen, Schwarzen, Latinos, Verheirateten und Soldaten (enlisted service members). Trockenes Klima erhöhte die Rate gegenüber feuchtem Klima um den Faktor 1,34; in den kalten Monaten des Jahres (Nov. bis März) lag das Risiko um den Faktor 1,31 über dem der warmen Jahreszeit (Mai bis Sept.). Der Breitengrad war kein signifikanter unabhängiger Prädiktor. Die Ergebnisse passen zur Hypothese einer viralen Beteiligung (z. B. Herpes-simplex-Reaktivierung) an Bell’s palsy. Niedrige Luftfeuchtigkeit (draußen), UV-Strahlung, Koinfektionen der oberen Atemwege und trockene Raumluft könnten Trigger sein.

Diego et al. (2002): Effect of atmospheric factors on the incidence of Bell’s palsy
Retrospektive Studie an 662 spanischen Patienten mit Bell’s palsy (1992-1996), bei der anhand der Daten des spanischen Wetteramts Temperatur, Luftdruck und Luftverschmutzung (SO2, CO, O3, NO2, NO, CH4 und gesamter organischer Kohlenstoff) an ihrem Wohnort ermittelt wurden. Einziger signifikanter Zusammenhang: Niedrigere Temperaturen gingen mit höherer Inzidenz einher.

Narcı et al. (2012): Seasonal Effects on Bell’s Palsy: Four-Year Study and Review of the Literature
Studie an 634 türkischen Patienten mit Fazialislähmung, von denen 533 (84%) Bell’s palsy hatten. Mittleres Alter 55 ± 24,7 Jahre, 51,4% Männer. Inzidenz (in dieser Studie 12,7, weltweiter Durchschnitt 40,2 pro 100.000 Personen pro Jahr) ist in Japan, Israel und Mexiko am größten und in Schweden am kleinsten. Monate mit den meisten Fällen: Mai (11,06%), März (10,13%), April (9,56%); Monate mit den wenigsten Fällen: Juli (6,38%), Dezember (6,38%) und Januar (6,56%); Unterschied signifikant. Nach Jahreszeiten: Winter (21,57%), Frühjahr (31,70%), Sommer (22,70%) und Herbst (24,95%); Unterschied Winter/Frühlahr signifikant. Im Frühjahr die meisten Infektionen der oberen Atemwege; evtl. HSV-1-Reaktivierungen als Auslöser. Andere Studien zum Thema: Park et al. (Land?), Adour et al. (Land?) und Peitersen (Dänemark) fanden keine signifikante Korrelation mit Jahreszeiten, Spengos et al. (Griechenland) fanden Peaks im Herbst und Winter und einen Rückgang im Sommer.

Veränderungen peripherer mononukleärer Blutzellen: Indizien für Autoimmunstörung bei idiopathischer peripherer Fazialislähmung

Stefan S. Kassner et al.: Changes in Peripheral Blood Mononuclear Cells – Novel Evidence for an Immunomodulatory Aspect in Bell’s Palsy? Journal of Neurology Research, Vol. 2, No. 3, Jun 2012; doi:10.4021/jnr108w

Abstract: Früheren Studien zufolge ist bei Patienten mit Bell’s palsy (BP) die Zahl der T- und B-Lymphozyten signifikant verringert. Als mögliche Ursachen der Erkrankung gelten Vireninfektionen und Autoimmunprozesse. In dieser Studie wurden die peripheren mononukleären Blutzellen (PBMCs) von 15 BP-Patienten anhand ihrer Oberflächenmarker (CD) genauer charakterisiert: Bei den Monozyten (= Makrophagenvorläuferzellen, CD14+), Makrophagen (CD68+), T-Lymphozyten (CD3+) und B-Lymphozyten (CD19+) wurde der Anteil der Zellen sowie die Expression entzündungsfördernder (CD40+, TNF-α und COX-2), apoptosefördernder (Caspase-3, PARP), adhäsionsfördernder (CD38+) und mit oxidativem Stress verbundener (MnSOD) Proteine gemessen. Die Ergebnisse deuten auf eine Beteiligung des Immunsystems an Bell’s palsy hin.

Einleitung: Der Mangel an antikörperproduzierenden CD19+-B-Zellen bei BP-Patienten wird in der Literatur als mögliche Unrsache für den Krankheitsausbruch oder -fortgang diskutiert, weil dadurch womöglich neurotrope Viren (ihre DNA und/oder ihre Hüllen) nicht mehr effizient aus den infizierten Nerven entfernt werden können. HSV-1-DNA (Herpes simplex) wurde in der Nervenflüssigkeit und im Speichel von BP-Patienten nachgewiesen. Im Tiermodell ließ sich BP durch HSV-1-Reaktivierung im Verbund mit Immunsuppression auslösen.   Weiterlesen

Idiopathische periphere Fazialislähmung und Autoimmunität

Dokumentation und zugleich Kommentar zur Lage: Versuch, beide Mundwinkel anzuheben (vulgo: zu lächeln)

A. Greco et al.: Bell’s palsy and autoimmunity. Autoimmunity Reviews (2012), article in press; doi:10.1016/j.autrev.2012.05.008

Abstract: 60-75% aller Fälle einseitiger Fazialislähmungen sind idiopathische periphere Fazialislähmungen = Bell’s palsy. Inzidenz: 15-30/100.000 Personen pro Jahr. Ätiologie unbekannt, mögliche Pathomechanismen: Vireninfektionen und/oder Autoimmunerkrankung. Evtl. durch Reaktivierung latenter Herpesvireninfektion (Herpes simplex, Herpes zoster) im Schädelnervenganglion ausgelöst und/oder durch zellulär vermittelte Autoimmunreaktion gegen das Myelin-Basische Protein (MBP) bedingt. Die Erkrankung kann als mononeuritische (d. h. nur einen Nervenstrang befallende) Variante des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) aufgefasst werden, einer neurologischen Störung, bei der sich die zellvermittelte Immunabwehr gegen Myelin-Autoantigene des peripheren Nervensystems richtet. Sowohl bei GBS als auch bei Bell’s palsy könnte eine Vorinfektion oder eine Reaktivierung eines latenten Virus die Autoimmunreaktion auslösen. Die Autoren empfehlen bei Patienten, die innerhalb der ersten drei Tage ihrer Lähmung Hilfe suchen, eine Kombination aus Corticosteroiden (zur Immunsuppression) und Acyclovir oder Valacyclovir (antivirale Therapie). [Letzteres ist durch die aktuellen evidenzbasierte Leitlinien und Metaanalysen nicht gedeckt – AK.]   Weiterlesen

Multiple Sklerose, Melanome und HERVs

Notizen zum Review-Artikel „Multiple Sclerosis: Are Protective Immune Mechanisms Compromised by a Complex Infectious Background?“ von Bernd Krone und John M. Grange (SAGE-Hindawi Access to Research, Autoimmune Diseases, Volume 2011, doi:10.4061/2011/708750) – noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Abstract

Bei MS reagiert der Körper anders auf Infektionen, vor allem auf das Epstein-Barr-Virus. Aber ist das ein Epiphänomen oder Ursache der MS? Womöglich führt die verbesserte Hygiene in der Moderne zu Regulationsstörungen im Imunsystem und damit zu einer abnormen Expression von HERV-Genen [HERV = humane endogene Retroviren, siehe Notizen zu Frank Ryan, „Virolution“, sowie mein Video]. Epidemiologische Beobachtungen lassen vermuten, dass ein Versagen der Expansion oder der Niedergang einer Subfraktion selbstantigenspezifischer CD8+-T-Zellen und zerstörerische HERV-Genprodukte zum Krankheitsbild von MS führen könnten.   Weiterlesen