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Neutrophile legen Brotkrumenspuren für T-Zellen aus

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Schon lange ist bekannt, dass aktivierte Zellen des Immunsystems mithilfe von Lockstoffen an die Stelle gelotst werden, an der sie benötigt werden – etwa an den Ort einer Infektion, im Fall einer Influenza also zu den virenbefallenen Epithelzellen der Atemwege. Allerdings sind diese Stoffe, Chemokine genannt, löslich; sobald sie in die Gewebsflüssigkeit oder in die Blutbahn ausgeschüttet wurden, werden sie verdünnt oder fortgespült. Daher hat man sich lange gefragt, wie beispielsweise zytotoxische T-Zellen bei einer Grippe so schnell an genau die richtige Stelle gelangen.

Ein Forscherteam um Kihong Lim hat jetzt herausgefunden, dass die Neutrophilen – jene Zellen der angeborenen Anwehr, die als „erste Verteidigungslinie“ gegen eine Influenza besonders früh am Infektionsort eintreffen – bei ihrem geschäftigen Kommen und Gehen eine Art Membran-Schleppe ausbilden, von der sie ständig kleine Membransäckchen abschnüren, die mit dem Chemokin CXCL12 gefüllt sind. Sie legen gewissermaßen Brotkrumenspuren, die umso dichter sind, je näher der Infektionsort ist – einfach aufgrund der Zahl der dort verkehrenden Neutrophilen, ähnlich wie die Duftstraßen der Ameisen in der Nähe des Nests oder einer Nahrungsquelle.

Das Chemokin diffundiert dann langsam aus den Membrankügelchen heraus und steigt den sich nähernden T-Zellen gewissermaßen als Duft in die Nase: Es bindet an deren CXCL12-Rezeptor.

In Mäuse ohne Neutrophile werden die zytotoxischen T-Zellen bei einer Influenza-Infektion zwar aktiviert, aber sie finden die mit den Viren infizierten Zellen in der Luftröhre nur ganz schlecht und bekämpfen die Infektion daher sehr ineffizient.

Literatur: 

Kihong Lim et al.: Neutrophil trails guide influenza-specific CD8+ T cells in the airwaysScience, 4. September 2015, Vol. 349, no. 6252, DOI: 10.1126/science.aaa4352

 

Bell’s palsy: vermischte schnelle Notizen zur Literatur, Teil 2 (Saisonalität und Klima)

Campbell und Brundage (2002): Effects of Climate, Latitude, and Season on the Incidence of Bell’s Palsy in the US Armed Forces, October 1997 to September 1999
Die Autoren haben Daten über Gesundheitszustand und Demografie von US-Militärangehörigen aus zwei Jahren auf Korrelationen zwischen Lähmungsrisiko und Klima, Jahreszeit oder Breitengrad untersucht. 1997-1999 1181 Fälle von Bell’s palsy beim US-Militär, allgemeine Inzidenz 42,77 pro 100.000 Personen pro Jahr – höher bei Älteren, Frauen, Schwarzen, Latinos, Verheirateten und Soldaten (enlisted service members). Trockenes Klima erhöhte die Rate gegenüber feuchtem Klima um den Faktor 1,34; in den kalten Monaten des Jahres (Nov. bis März) lag das Risiko um den Faktor 1,31 über dem der warmen Jahreszeit (Mai bis Sept.). Der Breitengrad war kein signifikanter unabhängiger Prädiktor. Die Ergebnisse passen zur Hypothese einer viralen Beteiligung (z. B. Herpes-simplex-Reaktivierung) an Bell’s palsy. Niedrige Luftfeuchtigkeit (draußen), UV-Strahlung, Koinfektionen der oberen Atemwege und trockene Raumluft könnten Trigger sein.

Diego et al. (2002): Effect of atmospheric factors on the incidence of Bell’s palsy
Retrospektive Studie an 662 spanischen Patienten mit Bell’s palsy (1992-1996), bei der anhand der Daten des spanischen Wetteramts Temperatur, Luftdruck und Luftverschmutzung (SO2, CO, O3, NO2, NO, CH4 und gesamter organischer Kohlenstoff) an ihrem Wohnort ermittelt wurden. Einziger signifikanter Zusammenhang: Niedrigere Temperaturen gingen mit höherer Inzidenz einher.

Narcı et al. (2012): Seasonal Effects on Bell’s Palsy: Four-Year Study and Review of the Literature
Studie an 634 türkischen Patienten mit Fazialislähmung, von denen 533 (84%) Bell’s palsy hatten. Mittleres Alter 55 ± 24,7 Jahre, 51,4% Männer. Inzidenz (in dieser Studie 12,7, weltweiter Durchschnitt 40,2 pro 100.000 Personen pro Jahr) ist in Japan, Israel und Mexiko am größten und in Schweden am kleinsten. Monate mit den meisten Fällen: Mai (11,06%), März (10,13%), April (9,56%); Monate mit den wenigsten Fällen: Juli (6,38%), Dezember (6,38%) und Januar (6,56%); Unterschied signifikant. Nach Jahreszeiten: Winter (21,57%), Frühjahr (31,70%), Sommer (22,70%) und Herbst (24,95%); Unterschied Winter/Frühlahr signifikant. Im Frühjahr die meisten Infektionen der oberen Atemwege; evtl. HSV-1-Reaktivierungen als Auslöser. Andere Studien zum Thema: Park et al. (Land?), Adour et al. (Land?) und Peitersen (Dänemark) fanden keine signifikante Korrelation mit Jahreszeiten, Spengos et al. (Griechenland) fanden Peaks im Herbst und Winter und einen Rückgang im Sommer.

Hunde- und Katzenhaltung schützt Kleinkinder vor Atemwegserkrankungen

Kapverdisches Kind mit Hund, Fotograf: F. Mira, Quelle: http://www.flickr.com/photos/fhmira/3714025646/ (CC BY-SA-2.0)

Nur eine Kurzzusammenfassung, da der Artikel nichts über Autoimmunerkrankungen aussagt:

Eija Bergroth et al.: Respiratory Tract Illness During the First Year of Life: Effect of Dog and Cat Contacts. Pediatrics 2012;130;211, DOI:10.1542/peds.2011-2825 (Open Access)

Diese finnische Studie zeigt, dass Hundehaltung (und in etwas geringerem Ausmaß auch Katzenhaltung) in einem ländlichen Lebensraum für ein gesünderes erstes Lebensjahr von Kleinkindern sorgt: weniger Otitis (Ohrentzündungen) und Rhinitis („Schnupfen“ usw.), weniger Antibiotikabehandlungen nötig. Husten trat dagegen ungefähr gleich häufig auf wie in haustierfreien Haushalten.

Der günstige Effekt ist am stärksten, wenn das Tier viel Zeit draußen verbringt – vermutlich, weil es dann besonders viel „Dreck“ und damit eine größere Bakterienvielfalt ins Haus schleppt. Andere Studien haben die Haltung von Haustieren (mit Fell und Auslauf – Aquarienfische oder Schildkröten reichen nicht!) bereits mit einem geringeren Allergierisiko in Zusammenhang gebracht. Jetzt zeigt sich, dass das während des letzten Schwangerschaftsdrittels und nach der Geburt geprägte kindliche Immunsystem durch die Tiere nicht einfach gedämpft, sondern insgesamt besser geschult und eingeregelt wird.

Schließen Autoimmunerkrankungen und Allergien einander aus? Teil 2

Gestern habe ich von einer großen Studie aus dem Jahr 2006 berichtet, der zufolge Asthma bzw. die dahinter stehende Th2-Dominanz der Immunabwehr die Wahrscheinlichkeit des späteren Auftretens etlicher Autoimmunerkrankungen senkt. Einer ähnlichen Fragestellung gingen drei Jahre später italienische Forscher mit einer anderen Methodik nach:

Roberto Bergamaschi et al: Inverse relationship between multiple sclerosis and allergic respiratory diseases. Neurol Sci 2009, 30/2: 115-118, DOI: 10.1007/s10072-009-0036-8

Abstract: Die Entdeckung der Th17-Zellen, die sowohl Autoimmunerkrankungen als auch Allergien zu fördern scheinen, hat das alte Th1-/Th2-Paradigma in Frage gestellt. Die Autoren haben 200 Patienten mit der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) und eine gleichgroße Kontrollgruppe auf die Prävalenz allergischer Atemwegserkrankungen  untersucht. Die MS-Patienten litten erheblich seltener unter allergischen Atemwegserkrankungen (odds ratio 0,30) und unter allergischer Rhinitis (Heuschnupfen, odds ratio 0,25) als die Kontrollgruppe. Außerdem war die MS bei Patienten, die zusätzlich Allergien hatten, im Durchschnitt schwächer als bei den Patienten ohne Allergien.   Weiterlesen