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Die Tücken der L-Thyroxin-Produktion

P1300108_L-Thyrox_100_abgelaufenIch habe gerade festgestellt, dass das lebenswichtige Medikament, das ich schlucke, abgelaufen ist. Noch nicht lange, und die Packung ist auch bald leer, aber zu denken gibt es mir doch. Dass ich überhaupt das Ablaufdatum überprüft habe, liegt an diesem Apotheke-adhoc-Artikel vom 4. August, den ich vorgestern zufällig entdeckt habe: Albtraum Levothyroxin.

Wenn man die implizite Lindopharm-Werbung ausblendet, liefert der Artikel interessante Hintergrundinformationen zu einem Phänomen, mit dem ich schon öfter konfrontiert wurde, wenn ich eine neue Packung L-Thyroxin brauchte: Bestimmte Konzentrationen waren in den Apotheken in meiner Umgebung nicht vorrätig und konnten zum Teil auch nicht kurzfristig beschafft werden. Außerdem waren die Apothekerinnen nicht gut auf den Hersteller zu sprechen, weil er in letzter Zeit oft Packungen geschickt hat, deren „Restlaufzeit“ so kurz war, dass sie praktisch unverkäuflich waren. Im Frühjahr hat Hexal die Lieferengpässe auch selbst eingeräumt und mit einer Erweiterung der Fertigungskapazitäten begründet, was mir damals nicht recht eingeleuchtet hat.

Im neuen Artikel wird das nun erklärt: „Das Molekül besteht als konjugiertes Tyrosin-Derivat aus einer tetrajodierten, phenolischen Grundstruktur. Das macht den Wirkstoff sauerstoff-, licht- und temperaturempfindlich. Er ist reaktiv und kann leicht radikalisieren. Durch Licht beispielsweise können relativ leicht Iod-Atome abgespalten werden. Die entstehenden Radikale können durch das aromatische System des Wirkstoffs stabilisiert werden, wodurch der Wirkstoff polymerisieren kann. Auch Phenole bilden unter entsprechenden Bedingungen leicht Radikale.“

Bei der Produktion müssen also Sauerstoff, Lichteinfall und Wärme ausgeschlossen werden. Auch darf die Oberflächenbeschichtung der Maschinen keine Schäden haben, weil sonst Kunststoffe oder Stahl mit dem Medikament wechselwirken können, und so weiter. Wird eine neue Produktionsanlage in Betrieb genommen, so muss man am Anfang mit viel Ausschuss rechnen.

Ich nehme derzeit im Drei-Tage-Takt zwei 115-µg-Tabletten und eine 100-µg-Tablette, da ich auf durchgängig 115 µg mit Hyperthyreose-Symptomen wie extremer Unruhe am Abend reagiert habe und auf durchgängig 100 µg mit Hypothyreose-Symptomen wie Antriebslosigkeit und depressiver Verstimmung. Das heißt aber, dass ich zehn Monate brauche, um eine 100-µg-Packung mit 100 Tabletten zu verbrauchen. Meine bereits gekaufte nächste Packung ist verwendbar bis April 2016: drei Monate zu kurz, um sie rechtzeitig zu verbrauchen. Da steht wohl ein Gespräch mit meiner Ärztin an. Vielleicht versuche ich es doch noch einmal mit durchgängig 115 µg.

An Vorratshaltung ist bei diesem Produkt jedenfalls nicht zu denken. Gerade in diesen Wochen wird einem ja oft bewusst, wie dünn der Lack unserer Zivilisation ist und wie außergewöhnlich lang die Phase der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stabilität, in der wir bisher gelebt haben, und wie anders es außerhalb dieser Demokratie- und Wohlstandsblase zugeht. Wenn man auf ein lebenserhaltendes Medikament angewiesen ist, das innerhalb kurzer Zeit nach seiner hoch komplizierten Herstellung verbraucht werden muss, bekommt dieser Gedanke noch einmal eine andere Intensität.

Low-Level-Lasertherapie bei Hashimoto-Thyreoiditis

Ich bin kein Fan der sogenannten Komplementär- oder Alternativmedizin, der die Low-Level-Lasertherapie (LLLT) bislang offenbar zugerechnet wird. Dennoch bespreche ich hier zwei Arbeiten, die aus der ersten klinischen Studie zur Behandlung von Hashimoto-Thyreoiditis mit LLLT hervorgegangen sind. Es bleibt abzuwarten, ob weitere klinische Studien anderer Forschergruppen – auch bei anderen Indikationen und mit längeren Nachbeobachtungszeiträumen – die Wirksamkeit bestätigen.

Der Bedarf an wirksamen ergänzenden Therapien neben der Gabe von L-Thyroxin und ggf. Selen ist bei Hashimoto-Thyreoiditis jedenfalls groß, denn vielen Patientinnen und Patienten geht es trotz sauber eingestellter Hormongaben nicht gut.

Beide Arbeiten stammen von einer Forschergruppe in São Paulo, Brasilien:

Danilo B. Höfling et al.: Clinical Study: Assessment of the Effects of Low-Level Laser Therapy on the Thyroid Vascularization of Patients with Autoimmune Hypothyroidism by Color Doppler Ultrasound. ISRN Endocrinology (2012), 9 Seiten (Open Access)

Danilo B. Höfling et al.: Low-level laser in the treatment of patients with hypothyroidism induced by chronic autoimmune thyroiditis: a randomized, placebo-controlled clinical trial. Lasers Med Sci (2013) 28:743-753 (Paywall)

Die Autoren nennen die Hashimoto-Thyreoiditis durchgängig „chronic autoimmune thyroiditis“ oder CAT. Gemeint ist, wie Definition und Diagnosekriterien zeigen, dasselbe.

Der mutmaßliche Wirkmechanismus hinter der LLLT: Das Laserlicht soll auf Photoakzeptoren in der Atmungskette der Zellen einwirken, wahrscheinlich auf die Cytochrom-c-Oxidase. Dadurch soll die Produktion von ATP, reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und Stickstoffmonoxid (NO) angeregt werden und der innerzelluläre Kalziumspiegel steigen. Daraufhin sollen die Zellen mehr Wachstumsfaktoren und Zytokine produzieren, die die Gewebsreparatur fördern. Rotlicht- oder Nahinfrarot-Laser scheinen in vitro die Serumkonzentration proinflammatorischer Zytokine zu senken, darunter TNF-α, IFN-γ, IL-1β, IL-2, Il-6 und IL-8. Zugleich steigern LLL offenbar die Produktion von entzündungshemmenden, regulatorischen Zytokinen.

In der klinischen Studie wurden 43 Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis, die hormonell gut eingestellt waren, randomisiert einer Laserbehandlungsgruppe (23 Personen) und einer Placebogruppe (20 Personen) zugeordnet. Unter den 43 Personen, die den Einschlusskriterien genügten (u. a. TSH, T3 und T4 im Normbereich, kein zusätzlicher M. Basedow, keine andere schwere Erkrankung) und an der Studie teilnehmen konnten, war nur ein Mann. Die Behandlung bestand aus 10 Bestrahlungssitzungen innerhalb von 5 Wochen.   Weiterlesen

Grapefruitsaft kann L-Thyroxin-Aufnahme leicht hemmen

Der Schwerpunkt meines Blogs liegt auf den biologischen Mechanismen im Immunsystem und nicht auf Empfehlungen – aber da ich heute darüber gestolpert bin, hier ein kurzer Hinweis für Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis und andere, die regelmäßig oral verabreichte Medikamente nehmen müssen:

Grapefruitsaft hemmt sowohl die Aufnahme einiger Medikamente in die Blutbahn als auch den enzymatischen Abbau anderer Medikamente. Im ersten Fall kann es zu Unterdosierung kommen, im zweiten zu – zum Teil gefährlichen – Überdosierungen. „Zum Glück“ fällt L-Thyroxin in die erste Kategorie, und der Effekt ist relativ schwach. Wer morgens regelmäßig ein Glas Grapefruitsaft trinkt, muss u. U. eine um etwa 10% höhere Thyroxin-Dosis zu sich nehmen, um gut eingestellt zu sein. Wer den Saft ab und zu weglässt, manchmal mehr davon trinkt oder plötzlich ganz damit aufhört, sollte bedenken, dass dies Schwankungen im Schilddrüsenhormonlevel zur Folge haben kann.

Mit Calcium oder Eisen verträgt sich L-Thyroxin übrigens schlecht, weil sie die Aufnahme in die Blutbahn massiv beeinträchtigen – bitte möglichst nicht kombinieren oder, wenn die Einnahme wirklich nötig ist, mit dem Arzt oder der Ärztin besprechen und ggf. die L-Thyroxin-Dosis anpassen! Eine Calciumeinnahme senkt die L-Thyroxin-Aufnahme um bis zu 40% und kann folglich den TSH-Wert fast verdoppelt. Wer bei unveränderter L-Thyroxin-Dosis anfängt, Eisen- und/oder Calciumpräparate zu nehmen, kann in eine Hypothyreose rutschen. Das plötzliche Absetzen von Eisen oder Calcium bei unveränderter L-Thyroxin-Dosis kann umgekehrt eine Hyperthyreose hervorrufen.

Literaturhinweise

zu Grapefruit und verringerter Aufnahme in die Blutbahn:

Lilja et al.: Effects of grapefruit juice on the absorption of levothyroxine (2005)

D. G. Bailey: Fruit juice inhibition of uptake transport: a new type of food-drug interaction (2010)

zu Grapefruit und reduziertem Wirkstoffabbau -> Gefahr von Überdosierung:

aktueller Artikel in der Ärztezeitung
(Der darin verlinkte neue Artikel von Bailey ist leider nicht frei zugänglich; es gibt nicht einmal ein freies Abstract.)

Hormonwerte sind nicht alles: Hypothyreose-unabhängige Symptome bei Hashimoto-Thyreoiditis

In der Patientenszene häufen sich seit Jahrzehnten Berichte von Hashimoto-Patienten, denen es trotz Hormonwerten im Normalbereich schlecht geht. Viele kämpfen gegen die TSH-Wert-Fixierung ihrer Ärzte an, die so etwas gerne als „psychisches Problem“ abtun. Neuerdings zeichnet sich in der Fachwelt ein Umdenken ab: Mehrere Forschergruppen bestätigen die Existenz von ernsten Symptomen und krankhaften Gewebsveränderungen bei Hashimoto-Thyreoiditis, die nicht von der Schilddrüsenhormonversorgung abhängen, sondern vermutlich durch die Autoimmunreaktionen selbst bedingt sind. Hier fasse ich einige Arbeiten zusammen – wie immer noch nicht allgemein verständlich aufbereitet, gesundheitsbedingt ziemlich flüchtig und wahrscheinlich mit noch mehr Tippfehlern als sonst: Ich sehe momentan sehr schlecht, möchte aber meinen Rückstand aufholen.

Johannes Ott et al.: The incidence of lymphocytic thyroid infiltration and Hashimoto’s thyroiditis increased in patients operated for benign goiter over a 31-year period. Virchows Arch 2011, 459, 277-281, doi: 10.1007/s00428-011-1130-x

Die HT-Inzidenz scheint in den letzten Jahrzehnten gestiegen zu sein. Autoren haben Lymphpzyten-Infiltration der Schilddrüse (lymphocytic thyroid infiltration = LTI) in Gewebsproben von 1050 Patienten untersucht, die wegen eines gutartigen Kropfs an der Schilddrüse operiert worden waren. Ausmaß LTI (Grad 0-4) korreliert positiv mit HT. Vergleich der Jahre 1979-1989 und 1994-2009: Nach der Erhöhung der Salziodierung in Österreich höhere HT-Inzidenz als vorher – was natürlich kein Beleg für einen kausalen Zusammenhang ist. [Weiteres Problem: die winzige Zahl histologisch eindeutiger Hashimoto-Fälle – insgesamt 8 von 1050, also 0,8%!] In der Lit. genannte mögliche Ursachen für steigende Inzidenz: intauterine Erreger-Exposition (Enterovirus usw.), industrielle Endokrindisruptoren oder Schwermetalle, radioaktive Strahlung (Tschernobyl), Iodierung. Mögliche pathophysiologische Mechanismen: erhöhte Immugenität von stark iodiertem Thyreoglobulin, toxische Wirkung von Iod auf Schilddrüsenzellen oder direkte Stimulation der Immunzellen durch Iod. [Arbeit für meine Zwecke unergiebig.]

Johannes Ott et al.: Hashimoto’s Thyroiditis Affects Symptom Load and Quality of Life Unrelated to Hypothyroidism: A Prospective Case–Control Study in Women Undergoing Thyroidectomy for Benign Goiter. Thyroid 2011, 21(2), 161-167; doi: 10.1089/thy.2010.0191.

Prospektive Kohortenstudie an 426 euthyreoiden Frauen, die wegen gutartigen Kropfs operiert wurden. Gewebsuntersuchung: 28 der Frauen (6,6%) hatten HT. Aufteilung in zwei Gruppen: Anti-TPO-Antikörper-Werte > bzw. ≤ 121,0 iU/ml. In beiden Gruppen nahmen etwa 30% Schilddrüsenhormone. Mittlere Zahl der von den Patientinnen berichteten Symptome war in der Gruppe mit hohen Anti-TPO-Antikörper-Werten signifikant größer. TSH-Werte: kein signifikanter Unterschied (1,7 bzw. 1,4 µU/ml). Chronische Erschöpfung, trockenes Haar, chronische Reizbarkeit, chronische Nervosität, chronische Schwäche, Schlafstörungen, Vorgeschichte Brustkrebs und frühe Fehlgeburten sowie niedrigere Lebensqualität (allgemeiner Gesundheitszustand, Einschränkungen durch körperliche Beeinträchtigungen, Vitalität, Teilnahme am Sozialleben, geistige Gesundheit; ermittelt mit SF-36-Fragebogen): alle signifikant mit hohen Anti-TPO-Antikörper-Werten assoziiert. Schluss: Diese HT-typischen Symptome können auch auftreten, wenn keine Hypothyreose vorliegt.  Weiterlesen

L-Thyroxin hemmt die zerstörerische Entzündung der Schilddrüse bei Hashimoto-Thyreoiditis

Interleukin-2, Bändermodell

Eine bereits ältere und sicher nicht weltbewegende Studie, die dennoch eine Zusammenfassung verdient, weil sie zeigt, dass die Standardtherapie bei Hashimoto-Thyreoiditis (Gaben des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin) nicht nur die Symptome des Schilddrüsenhormonmangels bekämpft, sondern den Zerfall der Schilddrüse durch Angriffe von Immunzellen verlangsamt:

Feyzullah Guclu et al (2009): Down-regulation of the auto-aggressive processes in patients with hypothyroid Hashimoto’s thyroiditis following substitutive treatment with L-thyroxine. Eur. Cytokine Netw., Vol. 20 n° 1, March 2009, 27-32. doi: 10.1684/ecn.2009.0147

Abstract: Etwa zwei Prozent der Bevölkerung entwickeln eine Hashimoto-Thyreoiditis. Ziel der Studie: die Rolle von Zytokinen (Interleukine IL-2, IL-4, IL-12 und Interferon IFN-γ) in der Pathogenese und die Veränderung der Zytokinkonzentrationen durch die Behandlung mit L-Thyroxin ermitteln. Methode: Analyse des Blutes von 65 Frauen (18-73 Jahre alt), die mit Hashimoto-Thyreoiditis in eine Klinik eingewiesen wurden, vor Behandlungsbeginn sowie nach 10-12 Wochen L-Thyroxin-Gabe, nach der die Patientinnen wieder euthyroid waren (d. h. TSH zwischen 1 und 2 µIU/mL). [Das kommt mir sehr kurz vor; bei mir hat die Einstellung über ein Jahr gedauert. In einer Klinik kann man sicherlich etwas energischer vorgehen als bei einer Betreuung durch den Hausarzt/die Hausärztin, aber dass zwischen den beiden Blutanalysen maximal 12 Wochen lagen, könnte m. E. ein Grund für die Nichtsignifikanz einer Zytokinspiegeländerung sein; s. u.] Ergebnisse: Nach der Behandlung waren der TSH-Spiegel im Serum signifikant verringert und der FT4-Spiegel (freies Thyroxin) signifikant erhöht; die Konzentration der Anti-Tg- und der Anti-TPO-Antikörper sowie des Zytokins IL-12 waren signifikant gesunken. Die Verringerung des IFN-γ-Spiegels war dagegen nicht signifikant. Bei IL-2 und IL-4 wurden keine Veränderungen festgestellt. Schluss: Die Veränderungen könnten darauf hindeuten, dass die Behandlung mit L-Thyroxin einen von T-Helferzellen des Typs 1 (Th1) dominierten Entzündungsvorgang verlangsamt oder stoppt.   Weiterlesen