Gedächtniszellen konkurrieren miteinander um Überlebensnischen im Knochenmark und in der Milz.
Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de
Von oben nach unten:
Knochenmark als Kinderstube
Thymus als T-Zell-Schule
Wanderjahre in den Gefäßen
Speed-Dating in Lymphknoten
Arbeit im ganzen Körper
Tod in der Leber oder Milz
Überlebensnischen im Knochenmark oder der Milz
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Der Thymus (vor dem Herzen) und das rote Knochenmark (bei Erwachsenen in den Schulterblättern und Beckenknochen, bei Kindern auch in den Röhrenknochen) sind die primären Lymphorgane. Zu den sekundären Lymphorganen zählen die Lymphgefäße, die
Milz und die Lymphknoten, in denen den Immunzellen Antigene präsentiert werden. Besonders viele Lymphknoten finden sich an den Übergängen zum Rumpf, also in der Leistengegend, unter den Achseln und im Hals, und in der Darmschleimhaut (v. a. im Krummdarm
oder Ileum und im Wurmfortsatz oder Appendix).
So, wie sich ein Kontinent aus den Einzugsgebieten seiner Flüsse zusammensetzt, ist der Körper in Lymph-Einzugsgebiete untergliedert. In einem Lymphknoten landen also Antigene aus immer
demselben Körperteil, sodass die Immunzellen am richtigen Ort aktiviert werden.
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Der Thymus ist ein kleines Organ hinter dem Brustbein. Unreife T-Zell-Vorläufer wandern aus dem Knochenmark in ihn ein. Nach ihrer Reifung und Selektion wandern sie weiter ins
periphere Lymphsystem, etwa in den Verdauungstrakt, die Milz oder die Lymphknoten.
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Dass Muttermilch Antikörper enthält, die das Neugeborene in den ersten Monaten vor Infektionen schützen, ist schon länger bekannt. Aber Milch leistet noch mehr für das Immunsystem des Nachwuchses, wie zwei neuere Arbeiten zeigen:
M. K. Ghosh et al. (2016): Maternal Milk T Cells Drive Development of Transgenerational Th1 Immunity in Offspring Thymus (Open Access); dazu auch die Pressemitteilung der Universität: Vaccinating Babies Without Vaccinating Babies
In der Vorläuferstudie hatten die Forscher herausgefunden, dass Mäuse ihrem Nachwuchs beim Säugen nicht nur durch Antikörper, sondern auch durch Immunzellen eine Immunität gegen Pathogene vermitteln, mit denen ihr eigenes Immunsystem kürzlich konfrontiert wurde. Seltsamerweise ist diese Immunität noch beim erwachsenen Nachwuchs nachzuweisen, obwohl dieser keinerlei mütterliche Immunzellen mehr enthält. Die Natur und die Entstehung der Zellen, die diese Immunität vermitteln, sollte hier untersucht werden. Um eine Übertragung im Mutterleib auszuschließen, ließ man die gegen das Bakterium Mycobacterium tuberculosis oder gegen den Pilz Candida albicans immunisierten Mäuseweibchen fremden Nachwuchs aufziehen.
Die Immunität wird offenbar von Gedächtnis-T-Zellen übertragen, die über CD4+-Marker und MHC-Klasse-II-Komplexe verfügen – eine kuriose Kombination, denn normalerweise empfangen CD4+-T-Zellen Signale von antigenpräsentierenden Zellen wie etwa dendritischen Zellen, die Antigene auf MHC-Klasse-II-Komplexen präsentieren. Dendritische Zellen sind aber viel zu kurzlebig, um die hier beobachteten Effekte zu erklären; es waren eindeutig antigenpräsentierende CD4+-T-Zellen, die die Immunität übertrugen – vielleicht, weil nur T-Zellen gezielt in den Thymus wandern können. Wie diese Zellen an die MHC-Klasse-II-Komplexe gelangt sind, ist unklar. Die Autoren vermuten Trogozytose: die Übergabe von Membranflößen einschließlich MHC-Komplex und Kostimulatoren an einer immunologischen Synapse, also einer Bindungsstelle zwischen der (primären) antigenpräsentierenden Zelle und einer T-Zelle, deren T-Zell-Rezeptor spezifisch an den Komplex bindet. Diesen Mechanismus habe ich hier bereits vorgestellt.
Nach der Aufnahme über die Muttermilch wandern diese ungewöhnlichen mütterlichen Gedächtnis-T-Zellen gezielt in den Thymus und die Milz der Mäusebabies. Um an den Grenzen – also am Brustdrüsen-, Darm- und Thymusepithel – nicht von anderen Immunzellen aufgehalten zu werden, „verschlucken“ sie vermutlich ihre MHC-Klasse-II-Komplexe samt Antigenen in Vesikeln und befördern sie erst am Ziel wieder an die Zelloberfläche. Im Thymus werden die MHC-Klasse-II-Komplexe einschließlich der Antigene womöglich durch eine weitere Trogozytose an „ordentliche“ antigenpräsentierende Zellen übergeben, oder die CD4+-T-Zellen werfen die Antigene ab, und antigenpräsentierende Zellen nehmen sie auf.
Jedenfalls werden die Antigene aus den Pathogenen, mit denen die Mütter infiziert waren, nun den unreifen Mäusebaby-Thymozyten präsentiert, die daraufhin zu CD8+-T-Zellen mit einer Spezifität für diese Antigene heranreifen. Diese Immunitätsübertragung nennen die Autoren „maternal educational immunity“, um sie von der passiven Immunität zu unterscheiden, die vor allem durch mütterliche Antikörper in der Milch übertragen wird und sich rasch verliert, da diese Antikörper im Jungtier nicht nachproduziert werden können.
In der Pressemitteilung der Universität finden sich interessante Spekulationen über eine mögliche Nutzung dieses Mechanismus zur „indirekten Impfung“ von Säuglingen (nämlich durch Impfung der Mütter während der Schwangerschaft) und über die hohe historische Überlebensrate von Kleinkindern aus Adelsfamilien, die häufig von Ammen aus der Unterschicht gestillt wurden und so vielleicht eine besonders gute „Immunsystem-Erziehung“ genossen. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass die Reifung des Immunsystems bei jungen Mäusen anders verläuft als bei Menschenkindern.
M. A. Koch et al. (2016): Maternal IgG and IgA Antibodies Dampen Mucosal T Helper Cell Responses in Early Life (Bezahlschranke, nur Abstract und eine Abbildung); dazu auch Meldung „Breast Milk Primes Gut for Microbes“ in The Scientist
Mütterliche, über die Milch übertragene Antikörper der Typen IgG und IgA dienen vor allem dazu, Pathogene im Darm junger Mäuse zu bekämpfen, solange deren Immunsystem dazu noch nicht imstande ist – so glaubte man bisher. Jetzt zeigt sich, dass insbesondere IgG auch Immunreaktionen hemmt, und zwar solche gegen nützliche Bakterien, die nach der Geburt den Darm von Mäusebabies besiedeln. Fehlen die mütterlichen Antikörper, reagiert das Lymphgewebe am Darm heftig auf die neue Darmflora: Es entstehen viel mehr T-Helferzellen, die wiederum B-Zellen zur Produktion von Antikörpern gegen die gutartigen Darmbakterien anregen.
Allerdings scheinen die Mäuse, denen das mütterliche IgG vorenthalten wurde, keine langfristigen Gesundheitsschäden davonzutragen. Der Begleitartikel in The Scientist stellt dennoch Spekulationen über langfristige Folgen einer gestörten Mikrobiom-Entwicklung an, etwa Morbus Crohn und Colitis ulcerosa – nur um dann abzuwiegeln und auf die Unterschiede zwischen Mensch und Maus hinzuweisen. Zum Beispiel darauf, dass menschliche Muttermilch viel weniger IgG enthält als die von Mäusen. Es ist zum Mäusemelken.
Skizze fürs Buch: die Organe des Immunsystems. Die Lymphgefäße leiten den Lymphknoten Lymphe und damit Informationen über Infektionen in ihren jeweiligen Einzugsgebieten zu.
Die Tonsillen oder Mandeln bilden den lymphatischen Rachenring, in dem vor allem Infektionen der oberen Atemwege entdeckt werden. Die auf Infektionen des Verdauungstrakts spezialisierten Ansammlungen von Lymphknoten in der Darmschleimhaut, vor allem im Ileum oder Krummdarm und im Appendix oder Wurmfortsatz, werden als Peyer-Plaques bezeichnet. Weitere Lymphknoten-Ansammlungen finden sich in der Leistengegend und unter den Achseln, also dort, wo die Gliedmaßen in den Rumpf übergehen.
Skizze fürs Buch:
(1) Fast alle Immunzellen kommen im Knochenmark zur Welt.
(2) T-Zellen gehen im Thymus zur Schule.
(3) Sobald sie reif sind, wandern Immunzellen über die Blutbahn an ihren Einsatzort.
(4) Lymphknoten sind so etwas wie Speed-Dating-Lokale, in denen dendritische Zellen die gerade benötigten T- und B-Zellen finden.
(5) Im ganzen Körper verrichten Immunzellen ihre Arbeit – manche direkt nach der Entstehung im Knochenmark, andere nach ihrer Aktivierung in den Lymphknoten.
(6) In derMilz und zum Teil auch in der Leber werden alte Immunzellen abgebaut.
(7) Nur einige wenige Immunzellen – die Gedächtniszellen – verbringen ihren langen Lebensabend in Überlebensnischen, z. B. im Knochenmark.
Neue Skizzen fürs Buch:
Die Zahl der Nischen, in denen reife Plasmazellen (antikörperproduzierende B-Zellen) langfristig überleben können, ist im gesunden Körper begrenzt. Plasmazellen, die keine solche Nische im Knochenmark oder in der Milz ergattern können, sterben ab. So wird das Immunsystem nach einer Infektion wieder auf ein Normalmaß heruntergeregelt.
Bei einer Autoimmunattacke wird der Organismus von zahlreichen Plasmazellen überschwemmt, die autoreaktive Antikörper produzieren. Durch ihre schiere Überzahl können sie einer Hypothese zufolge alte Plasmazellen aus ihren Überlebensnischen verdrängen, so dem Zelltod entkommen und weiterhin Autoantikörper produzieren. Da sie sich in diesem Stadium nicht mehr vermehren, ist ihnen mit den üblichen Immunsuppressiva schwer beizukommen, denn diese Wirkstoffe setzen überwiegend an der Zellteilung an (Zytostastika).