Archiv für den Monat: Februar 2014

Zwei neue Arbeiten zur Hashimoto-Thyreoiditis

Noura Bougacha-Elleuch et al., A 20 year history of clinical and genetic study of thyroid autoimmunity in a Tunisian multigenerational family: Evidence for gene interaction. Meta Gene 2014 (Open Access): interessante Langzeitstudie an einer tunesischen Großfamilie, in der Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis und primär idiopathisches Myxödem (das oft mit Hypothyreose bzw. Hashimoto-Thyreoiditis einhergeht) gehäuft auftreten. Die bekannten Risikogenorte vermögen jeder für sich nur einen kleinen Teil dieser Häufung zu erklären. Offenbar spielen mehrere, zum Teil noch unbekannte genetische Risikofaktoren zusammen. Abb. 2: Stammbaum der Familie über acht Generationen – Wahnsinn!

Halil Hüseyin Biyikli et al., Assessing the Relationship between Serum Ghrelin Levels and Metabolic Parameters and Autoimmunity in Patients with Euthyroid Hashimoto’s Thyroiditis. Endocrine Practice 2013 (PDF): Hypothyreose geht bekanntlich oft mit starker Gewichtszunahme einher. Für euthyreote (d. h. hormonell gut eingestellte) HT-PatientInnen lagen bisher widersprüchliche Ergebnisse vor. – 48 euthyreote Hashimoto-PatientInnen wurden mit 41 Kontrollpersonen verglichen; Alter, Geschlecht und BMI gematcht. Insulin und HOMA-IR (Insulinresistenz) in beiden Gruppen gleich; mittlerer Taillenumfang, Nüchternglukose-, LDL-Cholesterin- und Triglycerid-Werte bei HT signifikant höher; Ghrelin bei HT signifikant niedriger als in Kontrollgruppe (416,9±224,4 ggü. 689,9±191,6 pg/ml; p<0.001).  Weiterlesen

Der kanonische NF-κB-Signalweg

So dröges Zeug muss halt auch mal sein: einer der wichtigsten entzündungsfördernden Signalwege in vielen Immunzellen; nähere Erläuterungen folgen im Buch.

P1170903_kanonischer_NF-kB-Weg_650

1  Ein TRAF (TNF-Rezeptor-assoziierter Faktor) wurde an der Innenseite eines Rezeptors in der Zellmembran aktiviert und löst den weiteren Signalweg aus.

2  Er ubiquitiniert IKKγ im IKK-Komplex, der daraufhin seine Gestalt ändert. (Bei der Ubiquitinierung wird einem Protein das Protein Ubiquitin angeheftet, wodurch es zum Abbau freigegeben wird.)

3  Die Kinase IKKβ löst sich von IKKα und IKKγ.

4  IKKβ kann nun durch eine andere Kinase phosphoryliert und damit aktiviert werden.

5  Der Transkriptionsfaktor NF-κB (ein Heterodimer) ist noch an den Inhibitor IκBα gebunden. Aber jetzt phosphoryliert die aktivierte Kinase IKKβ den Inhibitor doppelt, …

6  … woraufhin er auch noch ubiquitiniert und damit zum Abbau freigegeben wird.

7  Der Komplex zerfällt: Der Inhibitor wandert in ein Proteasom und wird zerlegt.

8  Der Transkriptionsfaktor NF-κB ist befreit und kann durch eine Kernpore in den Zellkern einwandern.

9  Im Zellkern lagern sich ein Koaktivator und das Enzym RNA-Polymerase mit dem Transkriptionsfaktor zusammen.

10  Der Komplex dockt am Promotor des abzulesenden Gens an und startet dessen Transkription, also die Erzeugung einer Messenger- oder mRNA, die die Informationen für die Synthese eines Proteins (z. B. eines entzündungsfördernden Zytokins) enthält.

Die mRNA wandert anschließend ins Zytoplasma, wo sie als Vorlage für die Proteinsynthese (Translation) dient.

Vorlagen: Wikipedia und Abbas, 7. Auflage, Abb. 7.26

Lymphozyten in Schilddrüsen von Hashimoto- und Basedow-Patienten

Zusammenfassung noch nicht allgemeinverständlich aufbereitet:

Bingbing Zha et al, Distribution of Lymphocyte Subpopulations in Thyroid Glands of Human Autoimmune Thyroid Disease, J. Clin. Lab. Anal. 00:1-6 (2014)

Das Aufkommen der verschiedenen Lymphozyten-Typen in der Schilddrüse von Menschen mit Schilddrüsen-Autoimmunerkrankungen ist bislang schlecht untersucht; meist werden nur Bluttests durchgeführt. Die Autoren haben Gewebe von 18 Morbus-Basedow- und 17 Hashimoto-Thyreoiditis-Patienten sowie 17 Patienten ohne diese beiden Erkankungen untersucht, das bei Schilddrüsen- bzw. Nebenschilddrüsenoperationen entnommen worden war.   Weiterlesen

Plasmazellen sind tumbe Immunglobulinfabriken

B-Zelle_Plasmazelle_Antennen_650Links eine B-Zelle in einem beliebigen Stadium zwischen Prä-B-Zelle im Knochenmark und Gedächtnis-B-Zelle in einer Überlebensnische, rechts eine Plasmazelle. Während eines Großteil ihres Lebens trägt eine B-Zelle zahlreiche Rezeptoren an ihrer Oberfläche, mit denen sie Antigene, Zytokine und alle möglichen anderen Signale wahrnimmt.

Sobald sie sich zur Plasmazelle weiterentwickelt, verliert sie die meisten dieser Rezeptoren. Sie wird gewissermaßen taub und blind für ihre Umgebung und konzentriert sich ganz auf die Produktion möglichst vieler Antikörper in ihrem voluminösen Plasma. Insofern nur gut, dass die meisten Plasmazellen eine kurze Restlebensdauer haben, denn sie reagieren nun auch auf viele Stopp-Signale nicht mehr richtig.

Verlierer im ewigen Wettlauf: Warum Siglecs verloren gehen

Neulich fragte ein Leser meiner alten Blogartikel zu den Sialinsäuren und Siglecs, warum der Mensch vor 2-3 Millionen Jahren das Primaten-Siglec verloren hat, das die Sialinsäure N-Glycolylneuraminsäure (Neu5Gc) erkennt. Auf der Basis eine neuen Artikels von Vered Padler-Karavani et al. (Rapid evolution of binding specificities and expression patterns of inhibitory CD33-related Siglecs in primates, The FASEB Journal, 05.12.2013) möchte ich das so erklären:

Die grundsätzliche Funktion von Siglecs, nämlich die Erkennung von säugetierzelltypischen Sialinsäuren zwecks Blockade überzogener Immunreaktionen, habe ich im vorigen Beitrag dargestellt. Damit diese Blockade gelingt, muss zum einen die körpereigene Zelle (hier eine Darmschleimhautzelle, links) ihre Sialinsäuren vorzeigen (Peace-Zeichen). Zum anderen muss die Immunzelle (rechts) diese Sialinsäuren erkennen und von anderen Sialinsäuren unterscheiden können, die zum Beispiel zu einem Pathogen gehören. Das Siglec ist also ein Rezeptor, der genau zum Signal passt:

Siglec-Evolution_01_Darmzelle_Immunzelle_650Jedes derartige Erkennungssystem ist von zwei Seiten angreifbar. Zum einen können Pathogene die Sialinsäuren der Körperzellen als Anker verwenden, um an die Zellen anzudocken und dann in sie einzudringen. Ein bekanntes Beispiel sind die Influenza-Viren, die mit den Hämagglutininen auf ihren Hüllen an die Sialinsäure N-Acetylneuraminsäure (Neu5Ac) binden. Aber auch Bakterien können mit dem passenden Rezeptor an die Sialinsäuren von Schleimhautzellen o. ä. andocken:

Siglec-Evolution_02_Darmzelle_Pathogen_650Andere Pathogene bedecken sich mit Sialinsäuren, um an die Siglecs der Immunzellen zu binden, in diese einzudringen und sich in ihnen zu vermehren. Sie fälschen gewissermaßen die Peace-Zeichen, um sich als Säugetierzellen zu tarnen (molekulare Mimikry):

Siglec-Evolution_03_Pathogen_Immunzelle_650Die Pathogene und ihre Wirte können auf diese Weise in ein doppeltes evolutionäres Wettrüsten geraten:

Mit Sialinsäuren überzogene Krankheitserreger zwingen die Säugetier-Immunzellen, ihre Siglecs so zu modifizieren, dass sie nicht mehr auf die gefälschten Friedenszeichen hereinfallen. Die Veränderung der Siglecs zieht dann Modifikationen der molekularen Mimikry der Pathogene nach sich, und so weiter (oberer Teufelskreis im nächsten Bild).

Krankheitserreger mit Siglec-artigen Rezeptoren zwingen die Säugetierzellen dagegen, ihre Sialinsäure-Signatur zu verändern, um nicht mehr infiziert zu werden. Diese Signaturänderung wiederum zwingt die Pathogene, ihre Siglec-artigen Rezeptoren zu modifizieren, um weiter an ihre Wirte andocken zu können (unterer Teufelskreis).

Bei all diesen Änderungen darf aber die Passung zwischen der Säugetier-Sialinsäure und dem entsprechenden Immunzellen-Siglec nicht verloren gehen; auch hier üben beide Seiten aufeinander einen Selektionsdruck aus (mittlerer Teufelskreis).

Siglec-Evolution_04_gesamt_mit_Teufelskreisen_650Manchmal lassen sich all diese Selektionsbedingungen für das Säugetier nicht mehr gleichzeitig erfüllen. Das scheint bei unseren Vorfahren vor zwei bis drei Millionen Jahren mit dem Paar Neu5Gc und Siglec-12 geschehen zu sein: Durch wiederholte Angriffe von mehreren Seiten verloren die beiden Gene ihre Funktion. Menschliche Zellen stellen seither kein Neu5Gc her, bauen es aber in ihre Membranen ein, wenn wir es mit der Nahrung aufnehmen. Und unsere Immunzellen erkennen dieses Neu5GC nicht mehr als harmlos, sondern lösen u. U. Immunreaktionen dagegen aus.

Wie Sialinsäuren und Siglecs Frieden stiften

Siglec_ITAM_01_650

Die Zellen von Säugetieren wie dem Menschen sind mit charakteristischen Glykoproteinen und Glykolipiden überzogen, also Kettenmolekülen mit Zuckeranteil sowie Protein- bzw. Lipidanteil, an deren Enden häufig Sialinsäuren sitzen. Diese Derivate der Neuraminsäure dienen den Zellen als Zugehörigkeitsausweise, sogenannte SAMPs (self-associated molecular patterns).

Immunzellen, die ein Gefahrensignal wahrgenommen haben und daher – wie im vorigen Beitrag gezeigt – eine Immunreaktion in Gang setzen, stoppen diese Reaktion, wenn sie zusätzlich ein SAMP wahrnehmen, das ihnen zeigt, dass sie es mit einer körpereigenen Zelle zu tun haben und nicht mit einem Pathogen. Zur Wahrnehmung der Sialinsäuren dienen ihnen die Siglecs (Sialic acid-binding immunoglobulin-type lectins): Rezeptoren in der Zellmembran.

Ein wichtiger B-Zell-Siglec ist CD22 = Siglec-2. Auf Monozyten, die zur angeborenen Immunität gehören, finden wir dagegen CD33 = Siglec-3. Die meisten Siglecs funktionieren ähnlich: Sobald sie ein SAMP wahrnehmen (die Friedenstaube), rekrutieren und aktivieren sie eine Phosphatase (Enzymmännchen mit schwarzer Fackel), die anderen Signalmolekülen eine Phosphatgruppe abnehmen und sie dadurch inaktivieren können. So wird die Signalkette, die eine Abwehrreaktion der Immunzelle in Gang setzen sollte, rechtzeitig gestoppt (Verkehrspolizist, der den Zugang zum Chromosom blockiert).

Siglecs müssen imstande sein, beschwichtigende SAMPs wie körpereigene Sialinsäuren von Gefahrensignalen wie den Sialinsäuren bestimmter Bakterien zu unterscheiden. Geht das schief, bleiben entweder notwendige Abwehrreaktionen aus, oder es kommt zu einer Autoimmunreaktionen. Dazu später mehr.

Sotschi-Special: Signalketten

Extrazelluläre Signale wie Zytokine, die auf eine Infektion hinweisen, werden von Rezeptoren in den Membranen der Immunzellen wahrgenommen und in den Zellen zum Beispiel durch Enzymkaskaden weitergegeben:

P1170880_Signalkette_Kinasen_Phosphatase_01okmP1170880_Signalkette_Kinasen_Phosphatase_02okmEine Kinase wird durch Übernahme einer Phosphatgruppe (Flamme/Fackel) aktiviert, sie aktiviert ihrerseits die nächste Kinase usw. (Weitergabe der Fackel):

P1170880_Signalkette_Kinasen_Phosphatase_03okmP1170880_Signalkette_Kinasen_Phosphatase_04okmAuch Phosphatasen können sich an solchen Signalketten beteiligen, indem sie beispielsweise einem Inhibitor (Verkehrspolizist) eine Phosphatgruppe abnehmen und ihn dadurch ausschalten:

P1170880_Signalkette_Kinasen_Phosphatase_05okmAm Ende erreicht das Signal zum Beispiel ein Chromosom im Zellkern, woraufhin bestimmte Gene abgelesen werden, deren Produkte dann etwa an einer Abwehrreaktion beteiligt sind:

P1170880_Signalkette_Kinasen_Phosphatase_06okm_korr_650

Kurze Durchsage zu meinen Kommentarfreischaltungskriterien

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass ich nicht jeden Kommentar freischalte, der in diesem Blog eingeht.

Als Naturwissenschaftlerin und Anhängerin der evidenzbasierten Medizin verzichte ich insbesondere auf die Freischaltung von Beiträgen, die zu Webpräsenzen führen, auf denen nicht evidenzbasierte Produkte beworben oder extreme Außenseiter-Hypothesen vertreten werden.

Vielen Dank für Ihr Verständnis. Ach, eigentlich ist mir das Verständnis der Betroffenen egal.