Archiv für den Monat: Juli 2011

Risiko weiterer Autoimmunerkrankungen bei Autoimmun-Thyreoiditis

Schilddrüse (Gray's Anatomy, 1918)

Kristien Boelaert et al.: Prevalence and Relative Risk of Other Autoimmune Diseases in Subjects with Autoimmune Thyroid Disease. Am J Med, 123/2, 2010; 183.e1-183.e9, doi: 10.1016/j.amjmed.2009.06.030

Notizen noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Abstract

Querschnittstudie an 3286 weißen britischen Patienten (2791 mit Morbus Basedow und 495 mit Hashimoto-Thyreoiditis), Fragebogen zu eigenen und elterlichen Autoimmunerkrankungen und zu einer Hyper- oder Hypothyreose bei den Eltern   Weiterlesen

Geschlechtsunterschiede bei Autoimmunerkrankungen

Strukturformel von Testosteron

Rhonda Voskuhl: Sex differences in autoimmune diseases (Review). Biol Sex Differ. 2011; 2: 1, doi:  10.1186/2042-6410-2-1

Notizen, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Viele Autoimmunerkrankungen sind bei Frauen häufiger als bei Männern, darunter Systemischer Lupus erythematodes (SLE), Multiple Sklerose (MS), primär biliäre Zirrhose (PBC), rheumatoide Arthritis (RA) und Hashimoto-Thyreoiditis. Eine Frau zu sein ist ein stärkerer Risikofaktor für diese Erkrankungen als jede einzelne bislang bekannte genetische oder ökologische Einflussgröße.   Weiterlesen

Hustenblocker Dextromethorphan könnte Neurodegeneration bei Multipler Sklerose bremsen

Labormaus. Foto: Aaron Logan, cc-by, www.lightmatter.net/gallery/albums.php

Wie The Scientist berichtet, haben Forscher um den kalifornischen Zellbiologen Wenbin Deng herausgefunden, dass der verbreitete Hustensaftwirkstoff Dextromethorphan in MS-Tiermodellen (Mäusen mit Experimenteller autoimmuner Enzephalomyelitis, EAE) bei niedriger Dosierung die Demyelinisierung verlangsamen kann. Während es für die Frühphase von Multipler Sklerose bereits gute entzündungshemmende Wirkstoffe gibt, wird nach einer gezielt neuroprotektiven Therapie für die chronische Phase, in der antiinflammatorische Mittel allein kaum noch wirken, fieberhaft gesucht.

Die Studie ist in der Fachzeitschrift Neurobiology of Disease erschienen und nicht frei zugänglich. Dem Abstract zufolge inhibieren niedrige Dextromethorphan-Gaben zum einen die NOX2-abhängige Hyperoxidproduktion in aktivierten Mikrogliazellen, was die Entzündung hemmt. Zum anderen verringert die Behandlung bei schwächeren EAE-Fällen das Eindringen der Monozyten und Lymphozyten in das Rückenmark. Außerdem reduziert eine langfristige Verabreichung niedriger Dosen bei schwächeren EAE-Erkrankungen die Demyelinisierung und damit den Axonverlust im Lendenbereich des Rückenmarks. Inwieweit diese Ergebnisse auf MS beim Menschen übertragbar sind, bleibt abzuwarten.

Evolution des Immunsystems: Neunaugen-Thymus entdeckt

Flussneunauge

Zur adaptiven Immunabwehr der Neunaugen, mit der ich mich bereits in einer zweiteiligen Übersicht über die Evolution des Immunsystems beschäftigt habe, gibt es Neuigkeiten, wie The Scientist berichtet: Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und seine Kollegen haben offenbar den Thymus der Neunaugen entdeckt – jenes Organ, in dem die unseren T-Zellen ähnelnden Lymphozyten der Neunaugen heranreifen.

Zunächst entdeckten sie, dass im Kiemenkorb der Neunaugen ein Gen exprimiert wird, das unserem FOXN1 entspricht, einem Transkriptionsfaktor, der für die Entwicklung des Thymus nötig ist. Anschließend wiesen sie nach, dass an derselben Stelle auch die „T-Zellen“ dieser fischähnlichen kieferlosen Wirbeltiere Veränderungen durchlaufen. Als nächstes wollen sie MHC-Moleküle suchen, von denen man bislang dachte, sie kämen bei Neunaugen nicht vor.

Geschlechtsunterschiede bei Autoimmunerkrankungen aus pathologischer Sicht

Hebel umlegen, um Entzündungen zu bremsen

DeLisa Fairweather, Sylvia Frisancho-Kiss and Noel R. Rose: Sex Differences in Autoimmune Disease from a Pathological Perspective. American Journal of Pathology, 2008;173:600-609, DOI: 10.2353/ajpath.2008.071008

Zusammenfassung/Notizen, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Etwa 8% der Bevölkerung haben Autoimmunerkrankungen, 78% davon sind Frauen. Die akute und die chronische Phase von Autoimmunerkrankungen verlaufen bei Männern und Frauen unterschiedlich. Frauen reagieren auf Infektionen, Impfungen und Verletzungen mit einer verstärkten Antikörperproduktion und einer Immunantwort, die von Th2-Zellen dominiert ist, während bei Männern die Entzündung und die Th1-Antwort im Vordergrund stehen.   Weiterlesen

Literaturanschaffung II

Kürzlich bestellt:

  • Volkhard Kaever, Michael U. Martin, Klaus Resch: Immunpharmakologie,  UTB, 2010
  • Michael P. Muehlenbein (Hg.): Human Evolutionary Biology,  Cambridge University Press, 2010

Das Buch von Kaever, Martin und Resch wurde gerade bei spektrumdirekt sehr positiv besprochen.

Muehlenbein ist Koautor einiger interessanter Fachartikel über die Auswirkungen von Sexualhormonen wie Testosteron auf die Immunabwehr, vor allem auf den Parasitenbefall von Primaten.

Fahrplan für die nächsten Wochen

Lieber Apfelschorle: Kraftstoff für die Lesereise

Nachdem es gesundheitlich bergauf zu gehen scheint, habe ich einen Recherche- und Schreib-Fahrplan für die nächsten Wochen zusammengestellt. Seit gestern widme ich mich dem umfangreichen Themenkomplex Immunsystem und Geschlechterunterschiede, mit dem allein man ein halbes Buch füllen kann:

  • Das X-Chromosom und Immunfunktionen
  • Estrogen, Testosteron und Immunfunktionen
  • Geschlechtsabhängige Unterschiede bei Autoimmunerkrankungen
  • Rolle von Testosteron im männlichen Lebensverlauf
  • Fortpflanzungsmaximierung und starke Immunabwehr als antagonistische Selektionskriterien
  • Estrogenrezeptoren als Transkriptionsfaktoren
  • Xenoestrogene als mögliche Ursache für die Zunahme von Autoimmunerkrankungen
  • Sekundäre Geschlechtsmerkmale als Anzeiger für gute Pathogenabwehr
  • MHC-Diversitäts-Optimierung bei der Partnerwahl – auch beim Menschen?
  • Veränderung der Partnerwahlkriterien je nach Pathogen-Belastung der Umwelt
  • Stress-linked immunocompetence handicap hypothesis (eine griffige deutsche Übersetzung muss ich mir noch einfallen lassen)

Als nächstes großes Thema habe ich die humanen endogenen Retroviren ins Auge gefasst – aber das dauert noch eine Weile.

Diabetes Typ 1: Im Frühstadium kann Abatacept die Funktion der Betazellen erhalten

Auf der deutschen Website von The Lancet wurde am 1. Juli über eine Studie von Jay S. Skyler vom Diabetes Research Institute der University of Miami Miller School of Medicine und Forschern der Type 1 Diabetes TrialNet Abatacept Study Group berichtet, der zufolge das humane Fusionsprotein CTLA4Ig (Abatacept) die Kostimulation jener T-Lymphozyten modulieren kann, die die insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse angreifen.

Bei Patienten mit frisch diagnostizierter Typ-1-Diabetes, deren T-Zellen anfangs noch in der Aktivierungsphase waren, führten Abatacept-Injektionen in den ersten sechs Monaten zu einer deutlichen Verbesserung des Funktionserhalts der Betazellen, gemessen anhand der C-Peptidwerte. Danach schritt der Verfall der Langerhans-Inseln bei den Probanden ebenso schnell fort wie in der Kontrollgruppe; der anfängliche Vorteil blieb aber erhalten. Keine Heilung also und auch kein dauerhafter Krankheitsstopp, aber ein Zeitgewinn: Abatacept ist ein interessanter Kandidat für eine Kombinationstherapie, die möglichst früh einsetzen sollte.

Einem weiteren Lancet-Bericht zufolge ergab eine andere Studie, dass der Impfstoff Glutamatdecarboxylase (GAD) Diabetes Typ 1 nicht verhindern kann.

Neuromyelitis optica: keine Form der MS, sondern eine eigene Autoimmunerkrankung

Bei spektrumdirekt hat Friedmann Paul, Oberarzt an der Klinik für Neurologie der Charité, am 1. Juli über die neuerdings als eigenständige Autoimmunstörung geltende Neuromyelitis optica informiert, die zur Erblindung oder, wenn sie das Rückenmark betrifft, schlimmstenfalls zu einer vollständigen Querschnittslähmung führen kann: „Angriff auf den Wasserkanal„.