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Abb. 211: Der Energiehaushalt der Lymphozyten

Action oder Substanz? Eine Immunzelle kann Ressourcen wie Zucker entweder in eine Energiewährung wie ATP oder NADPH umsetzen, die Abwehrreaktionen ermöglicht, oder in Makromolekül-Bausteine wie Aminosäuren (AS), die bei Zellteilungen gebraucht werden.
Naive T-Zellen haben einen niedrigen Energieverbrauch. Nach ihrer Aktivierung (Blitz) müssen sie sich rasant vermehren, also Substanz aufbauen. Dabei überwiegt ein Stoffwechselweg namens aerobe Glykolyse, bei dem Glukose abgebaut wird. Während der Abwehrreaktion teilen sie sich nicht mehr, brauchen aber viel Energie für ihre Arbeit. Gedächtniszellen haben wieder einen geringeren Energieverbrauch und bevorzugen denselben gemächlich-effizienten Stoffwechselweg wie die naiven T-Zellen, die sogenannte oxidative Phosphorylierung.
In Zellkulturen werden Immunzellen meist so mit Nährstoffen verwöhnt, dass man sich fragen
muss, ob sie sich nicht völlig anders verhalten als im Körper. Eine Standard-Kulturlösung enthält 2- bis 4-mal so viel Sauerstoff wie unser Blut, 5-mal so viel Glukose und 8-mal so viel Glutamin. Und gerade in entzündetem Gewebe mangelt es an Sauerstoff und Nährstoffen.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Abb. 156: Das degenerierte T-Zell-Rezeptor-Repertoire

Die T-Zellen eines Menschen haben bei weitem nicht genug unterschiedliche T-Zell-Rezeptoren, um jedes präsentierte Antigen hochspezifisch zu binden. Stattdessen erkennt ein T-Zell-Rezeptor mehrere MHC-Peptid-Kombinationen; das Rezeptor-Repertoire ist also »degeneriert«.

Oben: Eine T-Zelle kann mit ihren Rezeptoren unterschiedliche Antigene (Pickelhauben) erkennen, aber auch Autoantigene, die in dasselbe Schema passen (Bauhelm).

Unten: Eine Bindung kommt zustande, wenn einige wenige Schlüsselpositionen im MHC-Molekül (unten) und im präsentierten Antigen-Peptid (Puzzleteile in der Mitte) die richtigen Aminosäuren enthalten. Die Aminosäuren an den übrigen Peptid-Positionen sind dem T-Zell-Rezeptor gleichgültig (Hohlräume).

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Abb. 155: Wie B- und T-Zellen Antigene erkennen

Ein Protein besteht aus aneinandergereihten Aminosäuren. Die Aminosäuresequenz legt die dreidimensionale Gestalt des Proteins fest. B-Zell-Rezeptoren erkennen – wie freie Antikörper – die räumliche Gestalt eines kleinen Teils eines solchen Antigens (links). T-Zell-Rezeptoren erkennen dagegen kurze Aminosäure-Sequenzen, die ihnen präsentiert werden (rechts).

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Abb. 70: Aminosäuren und Peptide

Links: Jede Aminosäure hat eine Amino- und eine Säuregruppe. Die 20 üblicherweise in Proteinen vorkommenden Aminosäuren unterscheiden sich im Rest (R). Rechts: Durch Verbindung der Säuregruppe einer Aminosäure mit der Aminogruppe der nächsten Aminosäure entstehen unter Wasserabscheidung Peptide wie dieses. Wie die Nukleinsäurestränge haben auch Peptide zwei unterschiedliche Enden: den N-Terminus,
der mit einem Stickstoffatom (N) endet, und den C-Terminus, an dem das Kohlenstoffatom der letzten Säuregruppe steht. Peptide winden sich zu dreidimensionalen Gebilden zusammen, deren Form durch die Abfolge der Aminosäuren festgelegt wird.

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T-Zell-Rezeptoren sind degeneriert

Manche Fachbegriffe fordern Missverständnisse geradezu heraus; „degeneriert“ gehört sicherlich dazu. Gemeint ist, dass das Repertoire der T-Zell-Rezeptoren in jedem einzelnen Menschen zwar groß ist (schätzungsweise 1-100 Millionen unterschiedliche Typen), aber längst nicht ausreicht für eine hochspezifische 1:1-Erkennung jeweils eines Antigen-Peptids durch einen Rezeptortyp. Die Zahl der Peptide, die die antigenpräsentierenden Zellen im Laufe unseres Lebens auf ihren MHC-Molekülen präsentieren können, ist einfach gigantisch. Daher muss ein T-Zell-Rezeptor auf zahlreiche verschiedene Peptid-MHC-Komplexe reagieren können. Und so geht’s:

P1240133_TCR-Degeneration_650

 

Unten das MHC-Molekül, das als Präsentierteller in der Membran einer antigenpräsentierenden Zelle (etwa einer dendritischen Zelle oder einer B-Zelle) verankert ist. In der Mitte das Peptid, also die Aminosäurenkette, die diese Zelle aus einem aufgenommenen Antigen gewonnen hat und nun vorführt. Und oben der T-Zell-Rezeptor, der in der Membran einer T-Zelle verankert ist. Dieser Rezeptor braucht nur an wenige Stellen – teils an der Oberfläche des MHC-Moleküls, teils an der ihm zugewandten Seite des Peptids – wirklich gut zu binden, um die T-Zelle zu aktivieren. Die Hohlräume zeigen: Welche Aminosäure-Seitenketten ihm an den anderen Stellen entgegengestreckt werden, ist dem Rezeptor egal.

Folglich erkennt eine T-Zelle mit ihrem individuellen Rezeptortyp nicht nur ein Antigen, sondern etliche. Hier sind es zwei Pickelhauben (in meinen Cartoons die typische Kopfbedeckung pathogener Bakterien), aber leider auch ein harmloser Bauhelm – also ein Antigen, das vielleicht von einem Pflanzenpollenkorn, von einem gutartigen Bakterium aus unserem Mikrobiom oder von einer körpereigenen Zelle stammt:

P1240133_TCR-Degeneration_Helme_650

Und hier noch eine „realistischere“ oder zumindest weniger schematische Darstellung der Bindungsstelle eines MHC-Moleküls und des passenden T-Zell-Rezeptors:

MHC-Peptid-TCR-Bindung_650

Wir blicken aus der Perspektive der T-Zelle auf die Front eines MHC-Moleküls der antigenpräsentierenden Zelle. Die Kontur des darauf präsentierten Antigen-Peptids ist gepunktet. Die sechs „Würmer“ sind die entscheidenden Erkennungsschlaufen an der Front des ansonsten unsichtbaren T-Zell-Rezeptors. Normalerweise binden nur die mittleren zwei oder drei Schlaufen Aminosäuren des Antigen-Peptids, während die äußeren Schlaufen vor allem mit der Oberfläche des MHC-Moleküls Kontakt haben.

Da die mittleren Schlaufen nicht starr, sondern ein wenig verformbar sind, akzeptieren sie unterschiedliche Peptide als Bindungspartner. Ab und zu leider auch solche, die aus Autoantigenen stammen. Und wenn dann noch ein paar Kontrollmechanismen versagen, kommt eine Autoimmunreaktion in Gang.

Der Energiehaushalt der T-Zellen

Skizzen fürs Buch, angeregt durch Pearce E L et al. 2013, „Fueling immunity: insights into metabolism and lymphocyte function“:

P1180246_Stoffwechsel_T-Zellen_650Bei allem Nachdenken über Signalwege im Immunsystem sollte man nicht vergessen, dass Immunzellen auch einen Stoffwechsel haben: Gerade wenn sie sich stark teilen oder Infektionen bekämpfen sollen wie T-Zellen nach ihrer Aktivierung, benötigen sie enorm viel Energie – und zugleich müssen sie Nukleotide, Proteine und/oder Fette aufbauen.

Die Erläuterungen verschiebe ich größtenteils auf das Buch – hier nur etwas zur wohlgenährten T-Zelle in der Petrischale oben links: Die Ergebnisse von In-vitro-Versuchen mit T-Zellen sind unter anderem deshalb so schlecht auf die Verhältnisse im gesunden oder kranken Organismus zu übertragen, weil wir die kultivierten Zellen „verwöhnen“.

In unseren Lymphknoten und unserer Milz finden sie etwa 5-13% Sauerstoff, 5 mM Glukose, 0,5 mM Glutamin und ausreichend Nährstoffe vor; an ihrem Einsatzort im entzündeten oder infizierten Gewebe herrschen dagegen oft Sauerstoff- und Nährstoffmangel.

Eine Standard-Kulturlösung (Iscoves modifiziertes Dulbecco-Medium mit 10% Serum) enthält aber 20% Sauerstoff (2- bis 4-mal so viel wie in unserem Blut), 25 mM Glukose (5-mal so viel) und 4 mM Glutamin (8-mal so viel).

Ketten

Weitere Kettenmoleküle für den Einführungsteil des Buchs: Oben ein Lipopolysaccharid (LPS), in der Mitte ein Peptid, unten rechts eine Nukleinsäure.

P1170268_LPS_Aminosäure_Peptid_Nukleotid_Nukleinsäure_650Und unten links etwas, das sich bitte alle Sachbuchautoren hinter die Ohren schreiben möchten: Eine Nukleobase ist nicht dasselbe wie ein Nukleosid oder ein Nukleotid. Cytosin zum Beispiel ist eine Base und kein Nukleotid. Das kann doch nicht so schwer sein, Herrschaftszeiten!

Vergleich der Darmflora in Amazonien, Malawi und den USA

Eine hervorragende Ergänzung zu der Arbeit von De Filippo et al., die ich bereits für eine Buchskizze genutzt habe. Zusammenfassung, noch nicht allgemeinverständlich aufbereitet:

Tanya Yatsunenko et al.: Human gut microbiome viewed across age and geography. Nature 486, 222–227 (14.06.2012), doi:10.1038/nature11053; PDF

Abstract: Analyse des Mikrobioms aus Stuhlproben von 531 Personen und der Genaktivität im Stuhl von 110 dieser Personen. Gesunde Kinder und Erwachsene aus der Amazonasgegend in Venezuela, dem ländlichen Malawi und Metropolen in den USA. In den ersten drei Lebensjahren reift das Darm-Mikrobiom in allen drei Populationen auf ähnliche Weise; z. B. ändert sich die Genaktivität, die mit der Vitaminsynthese und dem Vitaminstoffwechsel zusammenhängt, mit dem Alter. Die Artenzusammensetzungen und die Repertoires der Genfunktion unterscheiden sich deutlich zwischen den USA und den beiden anderen Ländern.   Weiterlesen