Schlagwort-Archive: Würmer

Abb. 217: Große Eindringlinge werden isoliert

Parasiten, die zu groß sind, um sie zu vernichten, werden in Bindegewebe eingekapselt, um ihre Ausbreitung zu verhindern. Das Immunsystem wird ihnen gegenüber tolerant gestimmt, damit es nicht zu einer chronischen Entzündung kommt.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Abb. 185: Desorientierte Würmer

Desorientiert: Becherzellen produzieren einen Wirkstoff, der das chemische Orientierungsvermögen von Würmern stört. So können sich die Parasiten schlechter in der Darmschleimhaut ansiedeln.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Abb. 173: Kabinett der Pathogene

1. Reihe: Bakterien sind vielgestaltig, aber ich stelle sie meist als Ovale auf Beinen dar.

2. Reihe: Dasselbe gilt für Viren, die ich fast immer als Sechsecke zeichne, weil ihre Proteinhüllen oft eine geometrische Form haben.

Darunter: Auch Pilze, Einzeller und Würmer können uns krankmachen. Sie gehören zu den Eukaryoten: Ihre Zellen haben einen Kern.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Abb. 141: Welche Antikörperklasse erkennt was?

Dimeres IgA (links) bindet vor allem an Bakterien, zellgebundenes monomeres IgE (Mitte) an Würmer und IgM als Pentamer (rechts) an Viren.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Das Immunsystem indigener Gruppen und das ethische Dilemma des Erstkontakts

Vor einem Jahr erschien eine Arbeit über das Mikrobiom unkontaktierter Yanomami, die ich damals nur kurz besprechen konnte. Jetzt habe ich sie noch einmal gelesen, obwohl sie immunologisch unergiebig ist: Die Entnahme von Blutproben, die Aufschluss über den Zustand des Immunsystems dieser Menschen hätte geben können, war bei einem Erstkontakt selbstverständlich unmöglich. Man muss schon froh sein, dass sie Abstriche aus ihrer Mundschleimhaut und das Einsammeln von Stuhlproben gestattet haben – vermutlich nicht, ohne sich über dieses merkwürdige Verhalten zu amüsieren.

Die Hauptergebnisse: Die Bakteriengemeinschaften auf der Haut und im Stuhl dieser mutmaßlich seit über 11.000 Jahren isolierten Menschen sind erheblich artenreicher als unsere – und auch als die Mikrobiome anderer naturnah lebender Völker. Die sogenannte Alpha-Diversität ihrer Mikrobiome ist also sehr hoch, vermutlich, weil sie nie mit antimikrobiellen Substanzen zu tun hatten und weil sie in ständigem Kontakt mit ihrer Umwelt leben. In ihrer Darm- und Hautflora leben zum Beispiel Bakterien, die man bislang für reine Bodenbakterien gehalten hat. Zugleich sind die Unterschiede in der Mikrobiom-Zusammensetzung zwischen den 34 Yanomami, von denen die Proben stammen, viel geringer als zwischen denen zweier Menschen aus einer Gruppe aus unserem Kulturkreis. Die sogenannte Beta-Diversität ist mithin sehr klein – wohl wegen des engen Zusammenlebens, der hygienischen Verhältnisse und der gleichartigen Lebensweise und Ernährung aller Gruppenmitglieder.

Unter den Genen dieser Bakterien, und zwar überweigend den Genen von zuvor unbekannten Stämmen des Darmbakteriums Escherichia coli, finden sich 28, die Antibiotika-Resistenzen vermitteln – sogar gegen einige neue, synthetische Antibiotika. Allerdings werden diese Gene in den Bakterien nicht abgelesen, sie sind „stummgeschaltet“ (silenced), sodass die Bakterien anfangs dennoch auf die Antibiotika ansprechen würden. Aber man muss damit rechnen, dass sie sehr bald wirklich Resistenzen entwickeln würden, und zwar gleich gegen mehrere Antibiotika. In Weltgegenden und Kulturen, in denen die sogenannte Therapietreue (die regelmäßige Einnahme des Medikaments über den kompletten notwendigen Zeitraum) vermutlich gering ist, geht das umso schneller.

Erstkontakt: Es gibt keinen Weg zurück

Dem Forscherteam war bewusst, dass die Probensammlung beim Erstkontakt eine einmalige Gelegenheit ist, ein Mikrobiom-Archiv anzulegen, das vermutlich große strukturelle und funktionale Ähnlichkeiten mit dem Mikrobiom unserer altsteinzeitlichen Vorfahren hat – auch wenn sich die einzelnen Bakterien-Arten und -Stämme natürlich auf dem Weg ihrer Wirte nach und durch Südamerika weiterentwickelt haben. 11.000 Jahre entsprechen ungefähr 100 Millionen Bakteriengenerationen. Zugleich begann mit dieser Begegnung zwischen der bislang isolierten Dorfgemeinschaft und den Medizinern und Wissenschaftlern unwiderruflich der Niedergang dieser Diversität – spätestens mit der ersten Antibiotika-Gabe.

Die Autoren schreiben in ihrer Danksagung: „Wir sind auch den Leuten in dem neu kontaktierten Dorf dankbar für ihr Vertrauen und für unser gemeinsamen Wunsch, dass der unvermeidliche Kontakt mit unserer Kultur ihrem Volk gesundheitliche Vorteile und Schutz bringen möge.“ Ist das nicht ein arg frommer Wunsch angesichts der bisherigen Erfahrungen mit der gesundheitlichen und sozialen Entwicklung neu kontaktierter, kleiner indigener Gruppen?  Weiterlesen

„Deworm the World“: evidenzbasiert oder leichtsinnig?

Nach der im letzten Beitrag besprochenen Arbeit über fruchtbarkeitshemmende und -fördernde Darmparasiten habe ich zwei weitere Arbeiten desselben Forscherteams über Parasiten-Koinfektionen (Martin et al. 2013 PDF, Blackwell et al. 2013 sowie Begleittext) gelesen. Aus diesen geht hervor, dass ein Befall mit dem Wurm Ascaris lumbricoides oder anderen im Dünndarm ansässigen Würmern bei den bolivianischen Tsimane das Risiko eines Befalls mit dem ebenfalls im Dünndarm siedelnden Einzeller Giardia lamblia erheblich verringert und umgekehrt. Außerdem ging der Einsatz des Entwurmungsmittels Albendazol bei den Tsimane nicht nur mit keiner dauerhaften Reduktion, sondern sogar mit einer Zunahme der Infektionen mit dem Peitschenwurm Trichuris trichiura und dem Einzeller G. lamblia einher. Auch der Einsatz eines Anti-Protozoen-Mittels konnte die Giardien nur vorübergehend zurückdrängen.

The key finding in this study is that worms and giardia have antagonistic effects on one another, such that infection with one limits infection with the other. – Aaron Blackwell

Das heißt: Wer den bei leichtem Befall zumeist harmlosen Wurm A. lumbricoides medikamentös zu bekämpfen versucht, hat in einem Umfeld, in dem Reinfektionen recht wahrscheinlich sind, keinen Erfolg und schadet seinen Patienten unter Umständen sogar, weil sie sich stattdessen als Nächstes eine gefährlichere Infektion mit einem anderen Parasiten einhandeln können.

And if intestinal worms are protective against giardia, there’s a tradeoff, and then the question is, which of the two is worse? – Michael Gurven

Auch andere Parasiten wie der Malaria-Erreger Plasmodium oder der Pärchenegel Schistosoma können durch Wurminfektionen – je nach Wurmart positiv oder negativ – beeinflusst werden, wie andere Forscherteams herausgefunden haben. Ob die um eine ökologische Nische konkurrierenden Parasiten sich gegenseitig bekämpfen oder eine Immunreaktion, die gegen die bereits etablierte Infektion gerichtet ist, weitere Neuinfektionen verhindert, ist noch unklar.

Würmer scheinen zudem das Immunsystem so zu besänftigen oder zu polarisieren, dass Autoimmunerkrankungen – selbst bei einer entsprechenden genetischen Veranlagung – nur ganz selten zum Ausbruch kommen.

We see very minimal autoimmune disorder in the Tsimane. – Michael Gurven

Anschließend habe ich einen Artikel gelesen, in dem die Autoren der größten klinischen Studie der Welt (DEVTA) mit einigen Jahren Verspätung einräumen mussten, dass die jahrelange massenhafte Behandlung von über einer Million indischen Kindern im Vorschulalter mit achttausend Kilogramm (!) Albendazol weder die Kindersterblichkeit signifikant gesenkt noch das Körpergewicht nennenswert erhöht hat (Awasthi et al. 2013; dazu auch Garner et al. 2013).

Existing ICDS village staff can be organised to deliver simple pre-school interventions sustainably for many years at low cost, but regular deworming had little effect on mortality in this lightly infected pre-school population. – Awasthi et al. 2013

Belief disconfirmation bias is a recognised phenomenon … Undoubtedly, the fact that there was no apparent effect detected delayed publication. – Garner et al. 2013

Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit in der Cochrane Database of Systematic Reviews zum Einsatz von Entwurmungsmitteln gegen Würmer, die im Darm leben und sich über den Boden übertragen (Taylor-Robinson et al. 2015), kommt zu ähnlich ernüchternden Ergebnissen: Die pauschale Behandlung aller Kinder in einem Endemiegebiet erhöht weder deren Körpergewicht noch den Hämoglobingehalt ihres Blutes signifikant; ihre kognitiven Fähigkeiten und ihr schulischen Leistungen verbessern sich nicht merklich; ihre Sterblichkeit verringert sich nicht signifikant; lediglich die Häufigkeit der Schulbesuche scheint bei regelmäßiger Entwurmung geringfügig anzusteigen.

However, in mass treatment of all children in endemic areas, there is now substantial evidence that this does not improve average nutritional status, haemoglobin, cognition, school performance, or survival. – Cochrane Review, 2015

Haben diese Erkenntnisse über die Zweischneidigkeit der isolierten Bekämpfung eines Parasiten-Typs unter Ausblendung des restlichen Ökosystems und über die geringe Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von breit angelegten Entwurmungskampagnen bereits Niederschlag gefunden in den Policies all der Stiftungen und Organisationen, die sich zum Teil nicht weniger als die Entwurmung der gesamten Menschheit auf die Fahnen geschrieben haben?

Bei der Bill & Melinda Gates Foundation ist im April 2014 noch nichts davon zu bemerken. In einer Ankündigung einer neuen Kooperation zur Bekämpfung von über den Boden verbreiteten Würmern heißt es:

CIFF is now committing an additional US$50 million over the next five years to implement large-scale systematic approaches to deworming in a number of countries, with the hope that, ultimately, we can break the transmission of worms and achieve the vision of: every child, everywhere, free from worms forever. – Jamie Cooper-Hohn, Chair of CIFF

Erreichen will man das unter anderem, indem man die Entwurmungsmittel systematisch unter die Schulspeisen mischt. Wie bei anderen großen Programmen auch werden die Kinder nämlich nicht auf Wurmbefall untersucht, sondern der Wirkstoff wird einfach allen verabreicht – weil das billiger ist, wie es in den Berichten ganz offen heißt. Dabei hat zum Beispiel Albendazol eine Reihe von Nebenwirkungen. Schwere Nebenwirkungen sind selten, aber wenn Abermillionen Kinder, darunter Millionen ohne Würmer und weitere Millionen mit einem schwachen, asymptomatischen Befall, das Medikament zum Teil mehrmals jährlich nehmen, summieren sich die seltenen Fälle – und das bei gleichzeitig starken Zweifeln an der Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit der Maßnahme.

Wenn in Europa einfach mal prophylaktisch Antibiotika oder ähnliche Substanzen in Kindernahrung gemischt würden, wäre – zu Recht – der Teufel los. Denn dass es keine gute Idee ist, ohne Not das Mikrobiom junger Menschen zu destabilisieren, spricht sich allmählich herum.

Beim Giving What We Can Trust wird im Juli 2014 „The evidence for deworming“ zusammengefasst. Die aktuelle Studienlage wird als uneinheitlich bezeichnet. Eine Cochrane-Übersicht von 2012, die ähnlich ernüchternd ausgefallen war wie ihr aktueller Nachfolger (s. o.), wurde offenbar vor allem von Innovations for Poverty Action (IPA) wegen der Nichteinbeziehung einiger Studien mit positiven Ergebnissen scharf kritisiert. Auch die 2013 – acht Jahre nach ihrem Abschluss – endlich veröffentlichte DEVTA-Studie von Awasthi et al. (s. o.) musste viel Kritik einstecken, nicht nur wegen der langen Verzögerung. Ich habe allerdings den Eindruck, dass diese Kritik hier hervorgehoben wird, um ein Festhalten an der Unterstützung von Massenentwurmungskampagnen zu rechtfertigen. So heißt es dann auch:

To conclude, although some recent studies have shown no improvements to health and education after deworming, the data are not always reliable and the studies not always well-executed … Overall, it appears that there can be short-term and long-term health benefits to deworming … As a result, both GiveWell and Giving What We Can continue to recommend deworming and schistosomiasis treatment programs such as SCI and Deworm The World Initiative. – Olga Kuznetsova

Ein knappes Jahr später, im Mai 2015, veröffentlicht Giving What We Can ein ausführliches Update, das den allmählichen Einzug eines ökologischen und evolutionsbiologischen Denkens und zumindest leichte Kurskorrekturen erkennen lässt. So heißt es nun:

There are several reasons to believe that certain intensities of some STHs [soil-transmitted helminths, also über den Boden übertragene Würmer] actually protect people from malaria and thus there is a worry that deworming might make people more susceptible to malaria. … The default condition of the mammalian ancestral immune system was to be parasitized by gastrointestinal worms … Malaria is one the strongest known selective force on the human genome. Based on our knowledge about the human immune system, it is plausible to assume that malaria and helminths interact. – Hauke Hillebrandt

Dass die große DEVTA-Studie keine signifikanten Gesundheits- oder Bildungseffekte einer Massenentwurmung von Kindern ergab, könnte laut Hillebrandt an einer unzureichenden Teststärke der Studie liegen – was bei fünf Jahren Beobachtungszeit und über einer Million Kindern schon ein wenig seltsam klingt, selbst wenn die Daten der Studienteilnehmer zu größeren Blöcken zusammengefasst wurden, was die Power reduziert hat.

Zur Fortführung der Massenmedikation ohne vorheriges Screening heißt es:

Crucially, screening followed by treatment of those children testing positive for worms is far less practical and more costly than mass treatment of infected and uninfected children without diagnostic testing.

Immerhin will man sich künftig auf Regionen mit starkem Wurmbefall konzentrieren:

In the light of this cost-benefit analysis for screening versus mass treatment, the case for mass deworming is still strong, but one might suggest that it is better to focus more on more heavily infected populations and improve trials.

Die Kooperation mit der Deworm The World Initiative soll fortgesetzt werden. Deren Website macht allerdings nach wie vor einen leicht schönfärberischen, undifferenzierten Eindruck. So heißt es dort:

… the drugs are very safe and has no side effects for the uninfected …

Über mögliche negative Auswirkungen einer Entwurmung auf andere Infektionsraten verliert die Initiative kein Wort; vielmehr werden nur positive Interaktionen vermerkt, etwa zwischen Entwurmung und Malaria-Abwehr. Aus der großen DEVTA-Studie wird auch hier lediglich abgeleitet, dass man sich künftig vorrangig in Gegenden mit stärkerem Wurmbefall engagieren will. Für eine Initiative, die von einer Organisation namens Evidence Action getragen wird, ist das ein schwaches Bild.

Im August 2015 hat Innovations for Poverty Action (IPA) – die Initiative, die die 2012er Cochrane-Übersicht so scharf kritisiert hat – unter dem Titel „Deworming: An informed debate requires a careful look at the data“ die Notwendigkeit betont, eine sehr positiv ausgegangene Studie über Entwurmungen in kenianischen Grundschulen von 2004 unabhängig zu reproduzieren, um Zweifel an den damaligen Ergebnissen zu klären. Bis dahin will man aber mit den Schul-Entwurmungskampagnen fortfahren wie bisher. Und „bisher“ heißt: gut 95 Millionen entwurmte Kinder.

Da wünscht man sich schon eine etwas bessere Evidenzbasierung – und ernsthaftere Diskussionen über die potenziellen Nebenwirkungen dieser Eingriffe ins Immunsystem, seien es nun Autoimmunerkrankungen, Asthma und Allergien oder die Zunahme anderer gefährlicher Infektionen.

 

Wurmbefall bei den Tsimane: Alte Freunde sorgen für Kindersegen

Ein neuer Aspekt der Alte-Freunde-Hypothese, der zufolge bestimmte Würmer aufgrund ihrer langen Koevolution mit dem Menschen und der partiellen Übereinstimmung der Interessen von Wirt und Parasit unser Immunsystem zu unserem Vorteil regulieren können: Manche Würmer steigern offenbar die Fruchtbarkeit von Frauen – vermutlich durch Toleranzinduktion, also eine Besänftigung des Immunsystems, die die Einnistung befruchteter Eizellen fördert.

Dies hat ein Forscherteam um Aaron D. Blackwell bei den Tsimane in Bolivien entdeckt, einem Volk von Subsistenz-Ackerbauern und Fischern, in dem Empfängnisverhütung noch keine große Rolle spielt. Etwa 70 Prozent der Frauen haben Parasiten, vor allem Hakenwürmer und Spulwürmer. Frauen ohne solche Parasiten bekommen im Durchschnitt 10 Kinder, Frauen mit Hakenwurmbefall 7 und solche mit Spulwurmbefall 12. Frauen mit Spulwürmern sind bei der ersten Geburt jünger, und der Abstand zwischen ihren Schwangerschaften ist kleiner. Die schwangerschaftsfördernde Wirkung der Spulwürmer nimmt mit den Jahren ab. Bei älteren Frauen hemmen die Spulwürmer weitere Schwangerschaften sogar, aber der positive Effekt in jungen Jahren überwiegt. Hakenwürmer wirken dagegen über die Jahre hinweg konstant schwangerschaftshemmend, obwohl die Frauen nicht unterernährt sind und auch sonst nicht offensichtlich unter ihrem Wurmbefall leiden.

Die Studie (eigentlich hinter einer Paywall, aber über einen „privaten“ Link von der Homepage des Hauptautors netterweise im Volltext zugänglich) ist Teil einer Langzeitbeobachtung der Tsimane (Projektseite), die bereits viele interessante Erkenntnisse – etwa über Koinfektionen mit mehreren Parasiten oder über Zusammenhänge zwischen Parasitenbefall und Depressionen – zutage gefördert hat. Die Autoren bedanken sich am Ende ihrer Studie bei den Tsimane für ihre geduldige Mitwirkung am Projekt. Von dieser Wertschätzung könnten sich die Herren Doctores, die sich beispielsweise bei DocCheck zu der hohen Kinderzahl der Tsimane äußern und dabei einen eklatanten Mangel an Bildung, Benimm, Reflexionsvermögen und Empathie zu erkennen geben, ruhig eine Scheibe abschneiden.

Hier noch zwei Dokumentationen, die Einblicke in das Leben der Tsimane geben – beide mit spanischen Untertiteln, aber man bekommt auch ohne Spanischkenntnisse eine Menge mit:

Porträt einer noch recht ursprünglich lebenden Familie; das süße Tier ist übrigens ein Paka

Das Leben von Tsimane, die bereits mehr Kontakt zur Moderne haben

 

Allergien: Folge einer unterbeschäftigten Parasitenabwehr

N. Tyagi et al. (2015): Comparisons of Allergenic and Metazoan Parasite Proteins: Allergy the Price of Immunity. PLoS Comput Biol 11(10): e1004546. doi:10.1371/journal.pcbi.1004546 (Open Access)

Schon länger wird vermutet, dass die massive Ausschüttung von Antikörpern des Typs IgE, die Allergien auszeichnet, eine irrgegeleitete Abwehrreaktion darstellt, die sich eigentlich gegen Parasiten wie Gliederfüßer (etwa Milben) oder Würmer richten sollte. Die Autoren haben Datenbanken mit IgE-Antigenen und mit Parasitenproteinen auf Gemeinsamkeiten durchforstet. Sie fanden 2445 Parasitenproteine mit signifikanten Aminosäuresequenz- und Strukturähnlichkeiten zu allergenen Proteinen. Etwa die Hälfte der Parasitenproteine, die von 31 Parasitenarten stammen, gehören zu den zehn häufigsten allergenen Proteindomänenfamilien.

Die Tropomyosinfamilie enthält die meisten bekannten Allergene aus Würmern und Gliederfüßern. Zu der Proteinfamilie mit den zweitmeisten bekannten Allergenen, Bet v1, waren bisher keine analogen IgE-Zielstrukturen aus mehrzelligen Parasiten bekannt. Die Autoren haben jetzt jedoch ein solches Protein – SmBv1L- im Pärchenegel Schistosoma mansoni gefunden, einem in den Tropen und Subtropen häufen Parasiten.

Insgesamt fanden sie bei neun der zehn Proteindomänenfamilien mit den meisten bekannten Allergenen solche Entsprechungen, und sie haben Epitope identifiziert, an denen die Abwehr via IgE ansetzen könnte. Noch weiß man allerdings zu wenig über die molekularen Mechanismen, die an Parasitenabwehrreaktionen und an allergischen Reaktionen beteiligt sind, um zu verstehen, wie genau der „Mangel“ an mehrzelligen Parasiten in der modernen Welt zu allergischen Reaktionen als „Ersatzhandlungen“ des Immunsystems führt – und wie sich das verhindern ließe.