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Jack/Du Pasquier: Evolutionary Concepts in Immunology, Teil 1

Etwa A5 großes Buch mit einer Festung auf dem Cover; gehalten von meiner linken Hand; im Hintergrund eine mit Plattencovern dekorierte Arbeitszimmer-WandKeine Besprechung des 2019 erschienenen, 145 Seiten schmalen, aber gehaltvollen und klugen Büchleins von Robert Jack und Louis Du Pasquier – sondern simple Notizen zu Stellen, die für Band 2 des Autoimmunbuchs relevant sind – hier erst mal bis Ende Kapitel 2; Fortsetzung folgt.

Und zugleich der Anfang einer Reihe von Blogartikeln ähnlicher Art, wie ich sie schon in den Jahren 2011ff. zuhauf verfasst habe: eilige, holperige Notizen zu neuer (oder neu entdeckter) immunologischer Fachliteratur, einfach um „Friendly Fire“ wiederzubeleben und nicht alles nur unsichtbar in Scrivener zu verarbeiten, dem Programm, in und mit dem ich meine Bücher schreibe.

Vorwort: Versuch zu zeigen, wie Kräfte der Evolution Immunsysteme im Laufe der Stammesentwicklung geformt haben. Dobzhansky-Zitat (natürlich!).

Kapitel 1: Wie arbeitet Evolution?

  • Ernst Mayrs Wie- und Warum-Fragen (s. auch Anfang Arvay oder Autoimmunbuch, Bd. 1, S.16: Tinbergens 4 Fragen). Warum -> Anpassungswert, Evolution von Abwehrsystemen.
  • „Lebende Fossilien“: Quastenflosser ähnelt 400 Mio. J. alten Fossilien, hat zwar die ganze Zeit Mutationen angesammelt, aber in den Tiefen des Meeres hat sich die Umwelt und damit der Selektionsdruck kaum gewandelt -> erst Selektion macht Mutationen evolutionär bedeutsam.
  • Varianten = Sequenzelemente, die in mindestens 1% einer Population vertreten sind; Mutanten = in weniger als 1%, entweder gerade erst entstanden und noch nicht positiv selektiert – oder schädlich, aber noch nicht komplett eliminiert.
  • Menschen: Problem -> Lösung; Evolution: potenzielle Lösungen (Mutationen in den Genomen einiger Individuen einer Population) warten auf das passende Problem. Wie Lymphozyten.
  • Eukaryoten können schwach nachteilige Mutationen bewahren, da sie diploid sind; daher größere Toleranz genetischer Drift als haploide Organismen. Ansammlung solcher Mutationen in Keimbahn bietet großes Lösungspotenzial.
  • Mikroorganismen nicht nur wg, kurzer Generationszeit, sondern auch wg. riesiger Populationen im Vorteil; Selektion effektiver.
  • In codierenden Regionen bei Menschen 1 Variante alle 8 Basenpaare. Jeder Mensch hat statistisch mindestens 85 Gene, bei denen 1 Kopie durch Mutation zerstört wurde, und 35, bei denen beide Kopien zerstört wurden.
  • Ansammlung leicht nachteiliger Mutationen = Muller-Ratsche. Meiotische Rekombination bei sexueller Fortpflanzung löst das Problem. R. kombiniert auch Allele intakter Gene neu -> einzigartige Individuen. F. Jacob: „To create is to recombine.“ Gilt auch für somatische Rekombination in Lymphozyten.
  • Generationslücke: Reproduktionszeit 20 Minuten – 20 Jahre = Faktor 525.000. Wie konnten wir überleben? 1. Diploidie, Mutationsvorrat, s. o. 2. adaptives IS, Selektion von Keimbahn in Soma verlagert. Nun keimbahn-codierte Abwehr zu unflexibel.
  • Evolution IS: Flache Küstengewässer energie- und nährstoffreich; bakterienfressende Amöben wohl 1. eukar. Organismen; von Viren, Transposons und Bakterien befallen. Alles, was bei Abwehr hilft, wird getan, auch wenn die Lösungen bizarr wirken.
  • „Amöben“ (lt. Literaturangabe: Nanoflagellat Cafeteria roenbergensis!) integrieren Mavirus in ihr Genom, um Mimivirus-Attacken abzuwehren: Mavirus wird bei Infektion aktiviert, Amöbe stirbt, aber da um 2-3 Größenordnungen mehr Ma- als Mimiviren produziert wurden, können neue Mimiviren wenig neue Amöben anstecken.
  • IS ist enorm verschwenderisch. Mensch: jeden Tag Milliarden Immunzellen wie Granulo- oder Lymphozyten produziert und fast alle direkt danach wieder ungenutzt zerstört. Trotzdem evolutionär stabile Strategie, da Vorteil schwerer wiegen.

Kapitel 2: Von Einzeller- und Vielzeller-IS

  • Übergang zu Mehrzellern wegen Arbeitsteilung zwischen Zelltypen vorteilhaft; einzelne Zelle muss weniger Kompromisse zwischen ihren u. U. widerstreitenden Funktionen eingehen. Preis dafür: Fitness einzelner Zellen = 0.
  • 4 Situationen, die Architektur der Abwehr in Metazoen beeinflussen; Übergang hat Änderungen erzwungen: 1. Trennung Keimbahn-Soma, 2. Beschränkung zellulärer Kompetenzen, 3. Aufweichung Grenze Selbst-Nichtselbst, 4. großes Tempo + Reichweite mobiler Immunzellen.
  • 1. Erst strikte Trennung Keimbahn-Soma macht proteinbasiertes, somatisch diverses IS möglich, weil die erforderlichen riskanten Rekombinations- und Mutations-Runden so die DNA in der Keimbahn nicht gefährden.
  • 2. Phagozytose: Nur noch bestimmte Zelltypen dürfen das. Phagozytose in jeder Phase, von der Suche bis zur Fusion Phagosom-Lysosom, vom Zytoskelett abhängig. Zellen dürfen ihre Nachbarn nicht auffressen. Dictyostelium discoideum: etwa 1% patrouillierende Wächterzellen, da Slug attraktive Quelle für Energie und Metaboliten ist. Phagozytose von Ernährungsweise zu Verteidigungsmethode diszipliniert.  Weiterer Vorteil: Pathogene können Phagozytose nicht mehr flächendeckend ausnutzen. Legionella pneumophila befällt Süßwasseramöben, verbirgt sich in Phagozytose-Vakuolen und injiziert mit dort aufgebauter Spritze etwa 300 bakterielle Mediatoren ins Zytosol -> Zytoskelett verändert -> Bakterien vermehren sich in Vakuolen. Legionärskrankheit ist „Unglück“, das erst durch Klimaanlagen mit großen Wassertanks passieren konnte, weil die Legionellen nun in Aerosolen in unsere Lungen gelangen können, wo sie via Phagozytose alveolare Makrophagen befallen. Zeigt, dass grundlegende Phagozytose-Mechanismen seit über 600 Mio. J. unverändert sind! Andere Pathogene wie Salmonellen, Shigella, Listerien, Chlamydien können auch andere Zelltypen zur Phagozytose bewegen, indem sie von außen durch ihre „Spritzen“ Mediatoren injizieren, die zu Membranausstülpung usw. führen. Die Bestandteile des Phagozytose-Apparats sind also in vielen Zelltypen noch komplett da. Autophagie = „interne Phagozytose“, Selbstabbau als „Vetter“ der Phagozytose: Proteasomen haben relativ kleine Einlassöffnungen, daher sammelt sich in langlebigen Zellen Müll an -> in Vakuolen gepackt, die mit Lysosomen fusionieren. Abbaumethode auch bei Nährstoffmangel und zur Vernichtung zytosolischer Pathogene eingesetzt. Problem der Selbst-Nichtselbst-Erkennung; auch Mitochondrien könnten wegen Bakterien-Herkunft vernichtet werden. Aber nur Pathogene, die aus Phagosom entswischen, tragen Glycane, mit denen Innenseite der Phagosom-Membran gespickt ist; zytosolische Galectine binden daran -> Glycan-Galectin-Komplexe als Friss-mich-Signale für Autophagie-Maschinerie.
  • 3. Selbst = Gesellschaft der Zellen in Metazoen. Zur Erkennung Vielzahl an Oberflächenmarkern und passenden Rezeptoren entwickelt, auch für lösliche Mediatoren wie Hormone oder Zytokine, die Infos aus weiter entfernten Körperteilen übermitteln. Mobile Abwehr aber nicht nur gegen Pathogene = Nichtselbst, sondern auch gegen verändertes Selbst wie Krebszellen, apoptotische und nekrotische  Zellen. – Apoptotische Zellen werden bei Nematoden, die kein echtes IS haben, von Nachbarzellen vertilgt, die dafür kurz ihr Phagozytose-Programm aktivieren, Bei Säugern können ggf. Epithel-, Endothelzellen und Fibroblasten als Amateur-Phagozyten dienen, aber das meiste erledigen Makrophagen. Sterbende Zellen senden Finde-mich-Signale, bei Kontakt Friss-mich-Signale aus. Koevolution des Apoptose- und des Fressprogramms bei den Partnern. So schnell, dass sogar in Knochenmark oder Thymus, wo sehr viele Zellen sterben, kaum tote Zellen sichtbar werden. – Nekrose: Zellmembran nicht mehr dicht; diverse Ursachen: zu viel Apoptose, steriles Trauma, Vireninfektion, … Phagozyten deuten ausgetretene Zytosolbestandteile als Gefahrensignal. Anders als bei Apoptose wird u. U. Entzündung -> Immunreaktion ausgelöst. – Krebs: Zellen fangen an zu mogeln, um sich rascher zu teilen – schon bei Algenmatten zu beobachten. Es braucht also neben altruistischer Kooperation auch altruistische Bestrafung der Betrüger -> IS. Krebszellen sind so was wie endogene Pathogene, halten sich nicht an Regeln, müssen um jeden Preis zerstört werden.
  • 4. Mobilität der Immunzellen: Bei einfachsten Vielzellern wie Schwämmen keine komplexen Organe. Nächste Stufe: Nesseltiere (Cnidaria) mit 2 Zellschichten, Ectoderm und Endoderm. Dann 3 Keimblätter, neu: Mesoderm. Bei Diploblasten wie Nesseltieren ist Epidermis für Abwehr zuständig, enthält Rezeptoren (strukturell ähnlich denen von Wirbeltieren wie TLR), produziert antimikrobielle Peptide, betreibt Phagozytose. Hydra enthält bakterielles Mikrobiom und symbiotische grüne Algen, die nicht bekämpft werden dürfen; „Selbst + Freunde“ vs. Feinde. Auch manche Triploblasen wie Nematode Caenorhabditis elegans haben nur epitheliale Abwehr. Komplexe Metazoen brauchen aber mobiles IS, da Apoptose, Nekrose, Tumorbildung und Infektionen überall im Körper stattfinden können. Siehe Buchcover: Verteidigung einer mittelalterlichen Stadt/Burg: Arbeitsteilung in Entdeckung und Hilferufen; zuständige Zellen müssen kommunizieren und sich gerichtet weit und schnell fortbewegen können; koordinierte Zytoskelett-Aktivität erforderlich. Dafür geänderte Konstruktion nötig: Bei Invertebraten bestehen Gefäße aus extrazellulärer Matrix, bei Vertebraten aus Endothelzellen; intelligente Oberflächen zur Rekrutierung von Immunzellen usw.

Teil 2: angeborene Abwehr

Vom Immunsystem der Viren (doch, doch!) und Amöben (echt!)

Letzte Woche wurde ich auf einem Kongress, bei dem es um ganz andere Themen ging, von zwei Menschen auf dieses Blog, auf die offenbar ansprechenden Zeichnungen und auf das Werden bzw. Stagnieren des Autoimmunbuch angesprochen. Das hat mich gefreut und motiviert – und daraufhin bin ich erst mal wieder krank geworden. Auch wenn ich geistig heute zu nichts Großem imstande bin, will ich wenigstens drei Literaturfunde der letzten Woche notieren.

Kerry Grens: Giant Virus Has CRISPR-like Immune Defense (02.03.2016)

Die damals frisch entdeckte, inzwischen routinemäßig zur gezielten genetischen Veränderung von Organismen eingesetzte erworbene Immunabwehr der Bakterien, CRISPR/CAS, habe ich bereits im August 2012 skizziert. Wie sich jetzt zeigt, schützt sich ein Stamm des Riesenvirus namens Mimivirus mit einem ganz ähnlichen System vor Infektionen mit dem Virophagen (also dem Viren befallenden Virus) Zamilon: Der Stamm hat mehrere Wiederholungen eines 15 Basen langen Abschnitts aus dem Zamilon-Erbgut in sein eigenes Genom integriert, die ihn – im Unterschied zu den übrigen beiden Mimivirus-Stämmen – gegen einen Befall mit Zamilon immunisieren. Die Details des Mechanismus müssen noch aufgeklärt werden.

Interessant fände ich auch, ob dieses als MIMIVIRE bezeichnete Abwehrsystem ebenso nach hinten losgehen, also zu Autoimmunreaktionen führen kann wie CRISPR/CAS bei den Bakterien. Evolutionsbiologisch und konzeptionell verschwimmt die einst scharfe Grenze zwischen den Viren und den übrigen Domänen des Lebens jedenfalls zusehends. Es steht zu vermuten, dass sich genetische Parasiten – und Abwehrmechanismen gegen solche Schwarzfahrer, also Proto-Immunsysteme – herausgebildet haben, sobald es selbstreplizierende Einheiten gab, mithin lange vor der Entstehung vollständiger Zellen.

Jef Akst: Amoebae Have Human-Like Immunity (02.03.2016)

Sogenannte soziale Amöben wie Dictyostelium discoideum – gelegentlich irreführend als Schleimpilze bezeichnet – leben meist als Einzeller. Werden die Ressourcen knapp, schließen sie sich zu Abertausenden zu einem nacktschneckenartigen, kriechenden Gebilde zusammen, das sich schließlich aufrichtet und Sporen bildet, die vom Wind davongetragen werden – an Orte, an denen es für die Zellen hoffentlich mehr zu fressen gibt. Etwa ein Prozent des Gebildes besteht aus Wächterzellen, die die Aufgabe haben, eindringende Bakterien auszuschalten, die das Überleben der Kolonie gefährden könnten.

Die Mittel, mit denen diese sentinel cells arbeiten, erinnern stark an die angeborene Abwehr des Menschen: Phagozytose, also das Vertilgen der Eindringlinge, und Netze aus der eigenen DNA, die ruckartig ausgeworfen werden und die Bakterien festkleben lassen – ähnlich den NETs unserer neutrophilen Granuzlozyten. Bisher hatte man geglaubt, solche Netze kämen nur im Immunsystem mehrzelliger Tieren vor. Offenbar ist auch diese Entwicklung erheblich älter als gedacht.

Jyoti Madhusoodanan: Viral Remnants Help Regulate Human Immunity (03.03.2016)

Dass humane endogene Retroviren oder HERVs zu wichtigen Neuerungen in der Evolution der Säugetiere geführt haben, etwa zur Ausbildung des Synzytiotrophoblasten in der Plazenta, ist schon länger bekannt. Überreste eines humanen endogenen Retrovirus, das vor etwa 45-60 Millionen Jahren in unser Genom integriert wurde, regulieren offenbar auch die Reaktion unserer angeborenen Abwehr auf eine Interferon-Ausschüttung. Rings um die Gene, deren Ablesung durch Interferon induziert wird, gibt es mindestens 27 sogenannte Transposons, die wahrscheinlich von den langen Wiederholungen oder LTRs an den Enden retroviraler Sequenzen stammen.

Eines dieser Elemente, MER41, enthält Interferon-induzierbare Bindungsstellen. Es findet sich unter anderem 220 Basenpaare oberhalb des Interferon-gesteuerten Gens AIM2, das in den Zellen eine Entzündungsreaktion in Gang setzt. Wird MER41 und damit die Induktion von AIM2 durch Interferon ausgeschaltet, sind die Zellen anfälliger für Viren-Infektionen. Ob dieser Steuerungsmechanismus ursprünglich den Retroviren dazu diente, die Immunreaktionen des Wirts zu manipulieren, oder unmittelbar nach der Integration der viralen Sequenzen vom Wirt für seine Zwecke requiriert wurde, lässt sich allerdings nicht sagen. Bei einigen Autoimmunerkrankungen und Krebserkrankungen können stillgelegte retrovirale Sequenzen noch heute reaktiviert werden. Aber ob dies die Erkrankungen verstärkt oder gar mit verursacht, ihrer Bekämpfung dient oder eine unbedeutende Nebenwirkung ist, bleibt nach wie vor offen.

Heilung bakterieller Hautinfektionen vermutlich von der Hautflora beeinflusst

Nicht nur im Darm, auch auf der Haut beeinflussen unsere bereits etablierten Mitbewohner, ob sich ein Neuankömmling – etwa ein Krankheitserreger – ansiedeln kann oder nicht. Die Zusammensetzung des Mikrobioms wiederum wird vom Wirt und seinem Immunsystem beeinflusst – und wirkt auf dieses Immunsystem zurück.

Anders als bei der Darmflora lassen sich im Bakterienartenmix auf trockener, gesunder Haut keine „Leuchtturm-Arten“ ausmachen, die die Gemeinschaft dominieren. Auf dem Oberarm leben stattdessen sehr viele Arten in relativ ausgeglichener Verteilung. Zugleich schwankt die Zusammensetzung mit der Zeit.

In der hier vorgestellten Studie haben sich acht tapfere Freiwillige an mehreren Stellen an ihren Oberarmen mit dem Bakterium Haemophilus ducreyi haben infizieren lassen. H. ducreyi ist der Erreger der Geschlechtskrankheit Weicher Schanker (Ulcus molle), kann aber auch auf der normalen Haut zu Pusteln führen, die bei Kindern in Afrika oft zu chronischen Abszessen werden. Mit Antibiotika behandelt, heilen diese lokalen Infektionen vollständig ab, ohne die Gesundheit weiter zu beeinträchtigen.

Bei etwa 30 Prozent aller Betroffenen heilen die Hautinfektionen auch ohne Intervention ab. In der kleinen Studie verschwanden die Vorformen der Pusteln bei vier Teilnehmern, also der Hälfte, ohne Behandlung rasch wieder. Die Autoren haben untersucht, ob sich die Hautflora dieser Selbstheiler vom Mikrobiom der Teilnehmer unterscheidet, deren Immunsystem ohne Unterstützung nicht mit H. ducreyi fertig wird. Ihre aus der Ökologie abgeleitete Hypothese, dass die lokale Hautflora der Selbstheiler eine größere Vielfalt und damit eine höhere Resilienz aufweist, bestätigte sich nicht – was aber auch an der sehr kleinen Teilnehmerzahl liegen kann.

Dennoch gab es markante Unterschiede: Die Mikrobiome der vier Selbstheiler ähnelten sich zu Beginn des Versuchs untereinander viel stärker als den vier Mikrobiomen der Pustel-Entwickler, die auch untereinander recht verschieden waren. Auf der gesunden Oberarmhaut der künftigen Selbstheiler leben deutlich mehr Actinobacteria, Firmicutes und Bacteroidetes und dafür deutlich weniger Proteobacteria als in der Hautflora der künftigen Pustel-Entwickler. Entweder wirkt sich die Zusammensetzung des Selbstheiler-Mikrobioms günstig auf die Bekämpfung des Pathogens aus, oder Eigenschaften des Wirts – etwa das Aktivitätsniveau bestimmter Immunzellen – prägen sowohl das Mikrobiom als auch die Selbstheilungschancen.

Nach einigen Tagen hatte sich das Bild umgekehrt: Nun waren sich die Mikrobiome der Pustel-Entwickler ziemlich ähnlich. In den Pusteln hatten sich neben H. ducreyi auch Proteobacteria, Bacteroidetes, Micrococcus, Corynebacterium, Paracoccus und Staphylococcus vermehrt – vermutlich aufgrund der vergeblichen Versuche des Immunsystems, H. ducreyi zu bekämpfen (sog. Hyperinflammation). Bei dieser versagenden Abwehr gelingt es den Zellen des angeborenen Immunsystems nicht, die Pathogene rasch durch Verschlingen (Phagozytose) unschädlich zu machen. Entsprechend werden in den Pusteln über längere Zeit viele entzündungsfördernde Zytokine, Sauerstoff- und Stickstoff-Radikale, antimikrobielle Peptide usw. ausgeschüttet, und die Temperatur und die Feuchtigkeit steigen. Davon profitieren einige Bakterien, während andere in dieser veränderten Umwelt nicht mehr gedeihen.

Eine Abheilung von Pusteln ging dagegen mit einer Vermehrung von Actinobacteria und Propionibacterium einher. Vielleicht hindern diese Bakterien H. ducreyi aktiv an der Vermehrung, oder sie konkurrieren mit dem Pathogen erfolgreich um Ressourcen, oder sie versetzen das Immunsystem ihres Wirts in die Lage, die Keime zu bekämpfen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass ihre Präsenz einfach einen Zustand des angeborenen Immunsystems anzeigt, der für die Bekämpfung von H. ducreyi besonders geeignet ist.

Literatur:

J. J. van Rensburg et al. (2015): The Human Skin Microbiome Associates with the Outcome of and Is Influenced by Bacterial InfectionmBio vol. 6 no. 5 e01315-15, doi: 10.1128/mBio.01315-15 (Open Access)

Dazu auch A. Azvolinsky (2015): Skin Microbes Help Clear Infection

Linksammlung eines Tabmessies

Zum Teil schon seit über einem Monat sind in meinem Broswer alle möglichen Tabs zu Wissenschaftsnachrichten oder Abstracts offen, die ich „irgendwann“ abarbeiten wollte. Da ich das im Moment nicht schaffe, trage ich sie hier zusammen, um die Tabs schließen zu können.

„Überwinterung“ in Beringia: http://www.pasthorizonspr.com/index.php/archives/02/2014/beringia-standstill-hypothesis-gains-support – http://www.sciencedaily.com/releases/2014/02/140227141854.htm# – https://www.sciencemag.org/content/343/6174/979.figures-only

Viren in mittelalterlichem Stuhl: http://aem.asm.org/content/early/2014/02/05/AEM.03242-13.abstract – http://news.sciencemag.org/biology/2014/02/700-year-old-poop-tracks-history-human-gut-microbes

Geografische Variation der Zusammensetzung der Darmflora / des Mikrobioms: http://rsbl.royalsocietypublishing.org/content/10/2/20131037.abstract?cpetoc – http://newscenter.berkeley.edu/2014/02/14/geographic-variation-of-human-gut-microbes-tied-to-obesity/

Geschichte der Pandemien: http://contagions.wordpress.com/2010/12/31/pandemic-influenza-1510-2010/ – europepmc.org/abstract/MED/1724803 – http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/281/1780/20133159.abstract?etoc

Protein M: http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/bakterien-parasiten-protein-ueberlistet-immunsystem-a-952059.html – http://www.sciencemag.org/content/343/6171/656

FAQ Humanes Mikrobiom: http://blogs.plos.org/onscienceblogs/2014/01/17/human-microbiome-vitamin-e-alzheimers-tweets-1000-genome/

Histokompatibilitätslocus der Seescheide Botryllus schlosseri: http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0065980#pone-0065980-g004

Herkunft der V(D)J-Rekombinations-aktivierenden (RAG) Gene, Nesseltiere: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1044532309001195 – http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1471490607002062

Phagozytose bei Dictyostelium: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1550-7408.1996.tb02474.x/abstract

Vitamin-A-Mangel schützt gegen Würmer: http://www.the-scientist.com/?articles.view/articleNo/38977/title/Vitamin-Deficit-Can-Boost-Innate-Immunity/

Immunreaktion, die Salmonellen-Infektion fördert: http://www.the-scientist.com//?articles.view/articleNo/39096/title/Immune-Response-Promotes-Infection/

Komplementsystem und Opsonierung

Skizze fürs Buch – ein bisschen Splatter muss sein: Das Komplementsystem bohrt regelrechte Brunnenlöcher in Bakterien und bringt diese durch eindringendes Wasser zum Platzen.

Das Protein C1 bindet an Antikörper, die wiederum an Antigene auf den Pathogenen binden, und löst Reaktionskaskaden aus. In deren Verlauf werden nicht nur die „Brunnenlöcher“ (Membranangriffskomplexe aus C9) gebohrt, sondern auch die kleinen Arterien weitgestellt (schnellerer Transport von Immunzellen zum Ort der Infektion), Histamin aus Mastzellen ausgeschüttet (Botenstoff in der Entzündungsreaktion) sowie Phagozyten (Fresszellen) durch Chemotaxis angelockt und durch die Opsonierung der Pathogene zu deren Verzehr angeregt. Das Komplementsystem gehört zur angeborenen Immunabwehr und wird von vielen Bakterien und Viren durch molekulare Mimikry und Blockaden ausgehebelt.

Botenstoffe, Netzwerke und Regelsysteme

Für ein Buchkapitel, das Laien an die Grundlagen der Regulierungsnetzwerke in Lebewesen und insbesondere im Immunsystem heranführen soll, sind am Wochenende einige Skizzen entstanden.

Lebewesen sind selbstregulierende Systeme. Im einfachsten Fall geht es darum, dass eine Größe wie die Temperatur oder die Konzentration einer chemischen Substanz an einem bestimmten Ort innerhalb eines bestimmten Spektrums liegen soll. Ist der Wert zu niedrig, wird nach das System hochreguliert; ist er zu hoch, wird heruntergeregelt – wie beim Heizen ohne Thermostat:

Genau wie das Einstellen der Heizung in Rennerei ausarten kann, kommt es auch in biologischen Regelsystemen wegen Zeitverzögerungen leicht zum Überschießen, sodass ständig nachgeregelt werden muss. Außerdem beeinflussen oft mehrere veränderliche Parameter die jeweilige Größe – so, wie die Temperatur an einem Ort unter anderem von der Sonneneinstrahlung, der Wohnbebauung, Wind und Schneefall abhängt:  Weiterlesen