Allmählich hält die Ökosystemtheorie Einzug in die Immunologie. Immer mehr Forscher plädieren dafür, sich von der alten Kriegsmetaphorik zu verabschieden und die Wahrung der menschlichen Gesundheit eher wie die Pflege eines Naturschutzgebiets anzugehen: Bevor man Organismen bekämpft, sollte man wissen, welche Rollen sie im jeweiligen Ökosystem spielen. Sonst geht es uns mit unseren Symbionten und Kommensalen so wie mit der Vogelwelt auf so mancher Insel, auf der Katzen eingeführt wurden, um die Ratten in Schach zu halten. Womöglich ist genau das schon passiert, als wir in der ersten Welt bestimmte Würmer und Bakterien ausgerottet haben, die über Jahrhunderttausende auf und in uns lebten – mit der Folge, dass Autoimmunerkrankungen überhand nehmen.
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Schließen Autoimmunerkrankungen und Allergien einander aus? Teil 3
Nachdem die Autoren der beiden bereits vorgestellten Studien zu diesem Thema zu dem Schluss gelangten, dass zumindest einige Allergien einen gewissen Schutz vor Autoimmunerkrankungen darstellen, wird es Zeit für einen Dämpfer: Wie in beiden Studien erwähnt, fanden andere Forscher keine belastbaren negativen Korrelationen zwischen diesen beiden Erkrankungstypen. Im Jahr 2011 erschien ein Review-Artikel, in dem die Frage durch eine Metaanalyse (eine systematische Zusammenführung der Ergebnisse mehrerer Einzelstudien) beantwortet werden sollte. Hier die Zusammenfassung – wie immer: noch nicht allgemein verständlich aufbereitet. Dazu werde ich demnächst einen kleinen Zeichentrickfilm drehen.
L. Monteiro et al., Association between allergies and multiple sclerosis: a systematic review and meta-analysis. Acta Neurol Scand 2011, 123/1: 1–7. DOI: 10.1111/j.1600-0404.2010.01355.x
Abstract: Multiple Sklerose (MS) ist eine Th1-dominierte Autoimmunerkrankung des Zentralnervensystems. Die vorliegende systematische Übersicht und Metaanalyse soll die umstrittene Beziehung zwischen MS und Allergien klären. Alle entsprechenden klinischen und epidemiologischen Studien, die bis zum Juli 2009 veröffentlicht wurden, sollten auf ihre Tauglichkeit für eine Einbeziehung in die Metaanalyse untersucht werden. Von 1010 gefundenen Artikeln wurden schließlich 10 Studien in der Analyse zusammengefasst. Das Ergebnis: Es gibt keine signifikante Assoziation zwischen MS und Allergien (odds ratio: 0,91; Konfidenzintervall 95%: 0,98-1,23), Asthma (OR: 0,83, KI: 0,48-1,44), allergischer Rhinitis (Heuschnupfen, OR: 0,81, KI: 0,59-1,12) oder Ekzemen (OR: 0,93, KI: 0,71-1,23). Weiterlesen
Das Jahr der Rückkehr zum ökologischen Denken
Trotz ergiebiger Autoimmun-Fachlektüre in den letzten Wochen hat die Kraft zum Bloggen nicht gereicht. Kurz vor dem Jahreswechsel möchte ich wenigstens berichten, wie ich das Jahr 2011, mein Sabbatjahr, vorläufig beurteile.
Wie bereits im August in meiner Rezension des Buches „The Autoimmune Epidemic“ von Donna Nakazawa Jackson angedeutet, bin ich 2011 durch die Fachlektüre vor allem zum ökologischen Denken zurückgekehrt, das mich in den 1980ern stark geprägt hat. Die Artikel über Humane Endogene Retroviren (HERVs), das Human Metagenome Project, die Hologenom-Theorie, molekulare Mimikry, die Zusammenhänge zwischen Infektionen und Autoimmunerkrankungen, die Symbiosen von Pflanzen oder Tieren und Mikroorganismen, evolutionär konservierte mikrobielle Antigene usw., die ich in den letzten Wochen gelesen habe, haben mir erneut verdeutlicht, dass wir Entgleisungen der angeborenen und der erworbenen Immunabwehr nur richtig verstehen werden, wenn wir nicht mehr angestrengt auf das Humangenom starren, sondern akzeptieren, dass wir Gemeinschaftswesen sind: Ökosysteme, in denen zahlreiche virale Gene, mikrobielle Genome, Einzeller und auch größere Mitbewohner wie Würmer maßgebliche Rollen spielen (oder spielten). Weiterlesen
Winterschlaf? Writer’s Block? Eisenmangel!
Allmählich fügen sich die Puzzleteilchen ineinander. Was ich als depressive Verstimmung, komaartiges Winterschlafbedürfnis, Writer’s Block oder Disziplinlosigkeit wahrgenommen habe, ist womöglich schlicht ein krasser Eisenmangel, der wiederum die Folge der letzte Woche endlich entdeckten Myome sein dürfte.
Heute habe ich mir endlich eine Kopie eines Arztbriefs aus dem Spätsommer aushändigen lassen. Und was sehe ich da? Mein Ferritinwert lag bei 6,6 – weit unterhalb des Normalbereichs. Die Symptome passen: Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, psychische Labilität (letzte Woche hätte ich am liebsten durchgeheult!), brüchige und rillige Nägel usw. Nicht, dass einer der involvierten Ärzte mir mal dringend zur Einnahme eines Eisenpräparats geraten hätte – gerade in Zusammenhang mit einer Hashimoto-Thyreoiditis …
Auch weitere Störungen des normalen Tagesablaufs, die mich dieses Jahr ziemlich aufgehalten haben, könnten durchaus auf die Myome zurückzuführen sein, die ich voraussichtlich im Februar loswerde. Im Moment überwiegt die Erleichterung, dass sich endlich mehrere Rätsel zu lösen scheinen. Die letzte schlaflose Nacht habe ich nicht mit schwarzen Gedanken verbracht, sondern lieber gute Ideen für die grafische und typografische Ausgestaltung des Autoimmunbuchs notiert. Und so verspreche ich mit neuem Optimismus, dass Befindlichkeitsblogposts hier die Ausnahme bleiben werden.
Ach ja: Ich war im Fernsehen.
Am Donnerstag in der ZDF-Sendung „Volle Kanne“ , mit genau einem Satz als sogenannte Crowdfunding-Expertin (ab Minute 2:00). Wilde Mimik!
Zwei-Klassen-Medizin
Zeit für einen rant (neudeutsch für Philippika).
Ich habe dieses Jahr vergleichweise viel Zeit bei Ärzten verbracht, und 2012 geht es so weiter: Im Januar stehen allein sechs Zahnarzttermine und eine Unterleibsoperation an.
Das kostet nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch etwas, das ich dank meines Sabbatjahres gerade nicht im Überfluss besitze: Geld. Ich rede nicht von 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal (die sich übrigens, wenn man auch zum Zahnarzt muss, auf 20 Euro verdoppeln). Sondern von dem, was man für Zusatzleistungen berappen soll, die einem selbst medizinisch sinnvoll, ja notwendig erscheinen, aber nicht von der Krankenkasse übernommen werden.
Dank intensiver Studien im Jahresverlauf meine ich allmählich eine gewisse Logik dahinter zu erkennen: Weiterlesen
Writer’s Block und anderer Kummer
Es geht kaum voran mit dem Autoimmunbuch. Reiner Zeitmangel ist es nicht, eher eine Kombination aus Schreibblockade, Winterdepression, Furcht vor drei bevorstehenden Übersetzungs- und Schreib-Deadlines und Verärgerung über dies und jenes: Politik, Gesundheit, Gesundheitspolitik.
Diese Verärgerung werde ich mir in den nächsten Tagen in einigen Blogbeiträgen von der Seele schreiben, die mit Autoimmunerkrankungen wenig bis nichts zu tun haben. Die Skizzenkladde und die Manuskriptdateien fürs Autoimmunbuch klappe ich, nachdem ich sie einige Tage angestarrt habe wie das Kaninchen die Schlange, wieder zu – und übersetze erst einmal weiter: Dabei lassen sich Fortschritte viel leichter quantifizieren; vielleicht baut mich das wieder auf.
Crowdfunding-Prämienversand hat begonnen
Liebe Unterstützer meiner Crowdfunding-Kampagne im Frühjahr,
endlich habe ich die Prämien für die „Assistenzärzte“ (Gedächtnistrainingsspiel Pattern Pairs) fertiggestellt und eingetütet. Leider fehlen mir noch die Postanschriften von fünf Untersützern. Bitte seht doch mal in euren E-Mail-Eingangsordner; ich habe den Betreffenden die Mail vom September, in der ich um die Adressen bat, vorhin erneut zugestellt.
Die T-Shirt-Prämien lassen leider noch ein wenig auf sich warten – meine Schuld. Ich habe in den letzten Wochen auf zu vielen Hochzeiten getanzt (und dabei kaum am Buch geschrieben – shame on me!) und den Druckauftrag noch nicht erteilt.
Viele Grüße und eine schöne Weihnachtszeit!
Interview: Crowdfunding – Finanzierungsmodell für journalistische Projekte?
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion zum Crowdfunding für freie Journalisten, die der Deutsche Fachjournalisten-Verband e. V. vergangene Woche in Berlin abgehalten hat, hat mich Joachim Fulda für den Fachjournalist-Podcast interviewt. Hier geht es zu dem knapp 9-minütigen Gespräch.
Crowds: keine anonymen Massen, sondern dynamisch strukturierte Netzwerke
Am Dienstag war ich in Berlin beim Deutschen Fachjournalisten-Verband zu Gast, der eine Diskussion zum Thema „Crowdfunding – Finanzierungsmodell für freie Journalisten und Fotografen(-netzwerke)?“ organisiert hatte. Die gelungene Veranstaltung wurde live gestreamt; inzwischen steht auch ein Videomitschnitt zur Verfügung.
Der Moderator Dr. Leonard Novy hat seine Sache m. E. sehr gut gemacht – dennoch bleibt bei mir, wie nach allen Podiumsdiskussionen, das Gefühl zurück, dass wesentliche Aspekte nur kurz gestreift wurden oder gänzlich unter den Tisch gefallen sind. Einer dieser Aspekte ist mir so wichtig, dass ich ihn hier nachtrage. Weiterlesen