Schlagwort-Archive: zentrale Toleranz

Abb. 100: Zentrale Toleranz

Die doppelte Selektion im Thymus führt zur zentralen Toleranz. Bei der positiven Selektion in der Rinde (Sieb) sondern kortikale Epithelzellen T-Zellen aus, die keine MHC-Moleküle binden können. Bei der negativen Selektion im Mark (Magnet) ziehen medulläre Epithelzellen T-Zellen aus dem Verkehr, die stark auf Autoantigene ansprechen und daher Autoimmunreaktionen auslösen würden. Übrig bleiben nur solche T-Zellen, die an MHC-Moleküle mit fremden Antigenen binden.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Das vorgeburtliche Immunsystem: nicht unreif, sondern aktiv tolerant

In der Immunologie entwickeln sich die Techniken und mit ihnen im Idealfall auch die Einsichten so schnell, dass fünf oder gar zehn Jahre alte Arbeiten meist zum alten Eisen gehören. Aber es gibt Ausnahmen. Manches Konzept taucht irgendwann wieder aus der Versenkung auf, in der es verschwunden war, weil es zur Zeit seiner Entstehung nicht überprüft und weiterentwickelt werden konnte. Das gilt zum Beispiel für die Hypothese vom geschichteten oder gestaffelten Immunsystem, der layered immune system hypothesis, die 1989 von Leonore und Leonard Herzenberg aufgestellt wurde.

Die Schichten oder Phasen sind dabei ursprünglich sowohl stammes- als auch individualgeschichtlich zu verstehen. Auch wenn der Name Ernst Haeckel nirgends fällt, schwingt dessen biogenetisches Grundgesetz mit, also die Rekapitulationsregel: „Die Ontogenese rekapituliert die Phylogenese.“ In seiner dogmatischen Form war dieses „Gesetz“ nicht zu halten, und Haeckel hat der Sache mit seinen didaktisch geschönten grafischen Darstellungen keinen Gefallen getan.

Aber nach wie vor gilt: Je jünger ein Embryo, desto weniger spezifische Züge seiner Art trägt er, und desto mehr Züge hat er noch mit ähnlich frühen Entwicklungsstadien entfernt verwandter Arten gemeinsam – Züge, die evolutionär älter sind als die gattungs- und artspezifischen Ausdifferenzierungen der späteren Entwicklungsstadien. Auf das Immunsystem bezogen hieße das zum Beispiel: Die Elemente der evolutionär älteren angeborenen Abwehr bilden sich im werdenden Individuum früher heraus als die Bestandteile der evolutionär jüngeren erworbenen Abwehr.

Schon bei den Herzenbergs und erst recht in den neueren Arbeiten, die sich auf die Hypothese beziehen, steht aber die Ontogenese, die Embryonalentwicklung, im Vordergrund. Die Entwicklung des individuellen Immunsystems wird traditionell als Reifung verstanden: Vor der Geburt ist das System unreif – im Sinne von unterentwickelt oder nicht funktionstüchtig; nach der Geburt reift es durch den Kontakt mit Antigenen aus der Umwelt heran; im Alter erschöpft es sich.

In den letzten Jahren mehren sich aber die Anzeichen, dass das menschliche Immunsystem bereits weit vor der Geburt Funktionen erfüllt – nur eben andere als nach der Geburt. Die Geburt markiert also nicht den Beginn der Aktivität, sondern eine Änderung des Aufgabenprofils, die mit einer Änderung der zellulären Zusammensetzung und der „Gestimmtheit“ des Immunsystems einhergeht: mit dem Rückbau einer Ebene und dem Ausbau einer anderen.

Die Entwicklungsphasen der tolerogenen Immunität durch fetale T-Zellen und der aggressiven Immunität durch adulte T-Zellen überlappen sich. Nach Burt 2013, Abb. 1

Die Entwicklungsphasen der tolerogenen Immunreaktionen durch fetale T-Zellen und der aggressiven Immunreaktionen durch adulte T-Zellen überlappen sich. Nach Burt 2013, Abb. 1

Die für eine Ebene oder Phase des Immunsystems typischen Lymphozyten besiedeln die Lymphorgane und die Peripherie nicht kontinuierlich, sondern in Wellen. Ein Beispiel sind die beiden B-Zell-Populationen, die bei Mäusen zu unterschiedlichen Zeiten auftauchen, von unterschiedlichen hämatopoetischen Stammzellen im Knochenmark abstammen und unterschiedliche Eigenschaften haben: In neugeborenen Mäusen dominieren die B-1-Zellen, die vor allem in der Bauchhöhle vorkommen; bei erwachsenen Mäusen herrschen B-2-Zellen vor, die schlagkräftigere Antikörper produzieren.

Auch das T-Zell-Repertoire entwickelt sich in Wellen. Wie bereits besprochen, entstehen beim Menschen während der 9. Schwangerschaftswoche zunächst γδ-T-Zellen, die bei Erwachsenen nur noch etwa fünf Prozent der T-Zellen ausmachen. Ab der 10. Woche werden αβ-T-Zellen produziert, und zwar sowohl zyto­to­xi­sche T-Zellen (CD8+) als auch CD4+-T-Zellen, die entweder zu Helferzellen oder zu regu­la­to­ri­schen T-Zellen (Tregs) werden. Die frühen CD4+-T-Zellen haben eine starke Neigung, sich – manchmal schon im Thymus, zu einem großen Teil aber erst in der Peripherie – zu Tregs zu entwickeln und fortan besänftigend auf das restliche Immunsystem einzuwirken.

Vor allem im zweiten Schwangerschaftsdrittel wimmelt es im Körper des werdenden Kindes von Tregs. In der 24. Schwangerschaftswoche machen sie 15 bis 20 Prozent aller CD4+-T-Zellen aus, während es bei der Geburt nur noch 5 bis 10 Prozent und bei Erwachsenen unter 5 Prozent sind. Fehlen sie, etwa aufgrund eines genetischen Defekts im Treg-typischen Gen FoxP3, so kommt es bereits kurz nach der Geburt zu einer massiven, viele Organe umfassenden Autoimmunreaktion (IPEX). Erst im dritten Trimester werden die tolerogenen fetalen T-Zellen allmählich von aggressiveren adulten T-Zellen abgelöst.

Das kam für viele Forscher überraschend, denn man hatte die Entwicklung der erworbenen Abwehr jahrzehntelang fast nur an Labormäusen erforscht, bei denen die T-Zell-Produktion knapp vor der Geburt anläuft und nicht bereits im ersten Trimester. Die ersten Tregs verlassen den Mäuse-Thymus sogar erst am dritten Tag nach der Geburt. Dieser grundlegende Unterschied zwischen Mensch und Maus ist – wie so vieles – mit der ebenso grundverschiedenen life history der beiden Arten zu erklären.

So, wie das mütterliche Immunsystem während der langen Schwangerschaft beim Menschen vor der Herausforderung steht, den (halb)fremden Fetus nicht abzustoßen, muss auch der Fetus mit (halb)fremden Eindringlingen zurechtkommen, nämlich mütterlichen Zellen und Antikörpern. Mikrochimärismus – der Einbau von Zellen aus der Mutter in den Organismus ihres Kindes ebenso wie der Einbau von Zellen des Kindes in den Organismus seiner Mutter – ist bei Menschen und anderen großen, langlebigen Säugetieren weit verbreitet und in den allermeisten Fällen völlig harmlos: Das Immunsystem lernt rechtzeitig, dass diese Zellen von nun an dazugehören, und die Einwanderer integrieren sich anstandslos. Zu ihnen zählen auch mütterliche Immunzellen aller Art, etwa Monozyten, natürliche Killerzellen, T- und B-Zellen. In den fetalen Lymphknoten präsentieren einige von ihnen den Immunzellen des Kindes mütterliche Antigene.

In der Mythologie ist die Chimäre ein Wesen, das vorne Löwe, in der Mitte Ziege und hinten Drachen ist. Wir alle sind Chimären: Unser Körper enthält Zellklone, die aus unseren Müttern stammen.

Die Chimäre der Mythologie ist vorne Löwe, in der Mitte Ziege und hinten Drache. Wir alle sind Chimären: Unsere Körper enthalten Zellklone, die aus unseren Müttern stammen.

Neben mütterlichen Zellen dringen auch mütterliche Antikörper in den Fetus ein, und zwar massenhaft: Gegen Ende der Schwangerschaft ist die Konzentration von mütterlichem Immunglobulin G (IgG) im Fetus höher als im mütterlichen Blut. Über die Muttermilch nimmt das Neugeborene weiter IgG auf. Diese Antikörper schützen das Kind in den ersten Lebensmonaten vor Infektionen. Antikörper sind bekanntlich Proteine und als solche nicht nur Waffen, sondern zugleich Ziele der Abwehr – sofern das Immunsystem nicht lernt, sie zu tolerieren.

Außer mütterlichen Antigenen tauchen währen der Entwicklung des Fetus auch immer wieder neue Gewebstypen und Organe auf und mit ihnen Autoantigene, auf die das Immunsystem nicht aggressiv reagieren darf. Und die bakterielle Flora, die unsere Haut und unsere Schleimhäute unmittelbar nach der Geburt besiedelt, muss zwar in ihre Grenzen verwiesen, aber ansonsten toleriert werden. Ähnliches gilt vermutlich für einige Pathogene, etwa Viren, die die Schutzwälle rings um den Fetus überwinden und ihn bereits vor der Geburt chronisch infizieren können: Auch sie müssen zwar eingedämmt, dürfen aber nicht aggressiv bekämpft werden, weil das für das werdende Kind das Ende bedeuten würde.

Die zentrale Toleranz durch die negative T-Zell-Selektion im Thymus reicht für diese Herunterregulierung der Abwehr offenbar nicht aus: Auch in der Peripherie muss Frieden gestiftet werden. Naive fetale CD4+--T-Zellen müssen sich bei Bedarf schnell zu antigenspezifischen Tregs weiterentwickeln können. Dazu brauchen sie Signale aus der TGF-β-Familie, die tatsächlich in fetalen Lymphknoten in viel höherer Konzentration vorliegen als in adulten Lymphknoten. Auch können sich fetale Tregs, wenn sie in den Lymphknoten mit Interleukin 2 angeregt werden, stark vermehren, selbst wenn ihre T-Zell-Rezeptoren gerade nicht durch das passende präsentierte Antigen stimuliert werden – was bei adulten Tregs eine strikte Voraussetzung für die Zellteilung ist.

Auch wenn sich fetale und adulte Tregs äußerlich zum Verwechseln ähneln: Sie stammen – wie Experimente an „humanisierten“ Mäusestämmen zeigen – von unterschiedlichen hämatopoetischen Stammzellen ab, haben unterschiedliche Genexpressionsprofile und Aktivierungsschwellen und gelangen in der Peripherie in unterschiedliche Signal-Landschaften, die ihr Verhalten und ihre weitere Entwicklung in entsprechende Bahnen lenken.

Einige Vertreter der Hypothese vom mehrschichtigen oder gestaffelten Immunsystem meinen, die individuell unterschiedliche Neigung zu Autoimmunerkrankungen, Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten könne mit dem Mischungsverhältnis zwischen fetalen und adulten T-Zell-Populationen zum Zeitpunkt der Geburt zusammenhängen: Neugeborene, die nur noch wenige fetale, tolerogene T-Zellen aufweisen und dafür bereits sehr viele aggressive T-Zellen vom adulten Typ, könnten im kritischen Zeitfenster nach der Geburt eine bleibende Neigung zu Überreaktionen auf Autoantigene und harmlose fremde Antigene ausbilden.

Die Hypothese vom layered immune system ist nach wie vor umstritten, wie die Diskussion zwischen Mold und Anderson (s. u.) zeigt. Aber sie passt zu den Arbeiten über die Hemmung des bereits voll einsatzfähigen neonatalen Immunsystems durch CD71+-Zellen (junge rote Blutkörperchen), die ich hier vor einigen Monaten in zwei Beiträgen besprochen habe: Offenbar kommen wir – zumindest immunologisch – keineswegs so unreif auf die Welt, wie man früher annahm. Wieder einmal zeigt sich, dass Menschen keine groß geratenen Mäuse sind.

Literatur (chronologisch)

Herzenberg, L. A., & Herzenberg, L. A. (1989). Toward a Layered Immune System. Cell, 59, 953-954. (PDF)

Mold, J. E., & McCune, J. M. (2011). At the crossroads between tolerance and aggression: Revisiting the “layered immune system” hypothesis. Chimerism,2(2), 35–41. http://doi.org/10.4161/chim.2.2.16329

Mold, J. E., & Anderson, C. C. (2013). A discussion of immune tolerance and the layered immune system hypothesis. Chimerism, 4(3), 62–70. http://doi.org/10.4161/chim.24914

Burt, T. D. (2013). Fetal Regulatory T Cells and Peripheral Immune Tolerance in utero: Implications for Development and Disease. American Journal of Reproductive Immunology (New York, N.Y. : 1989), 69(4), 346–358. http://doi.org/10.1111/aji.12083

Loewendorf, A. I., Csete, M., & Flake, A. (2014). Immunological considerations in in utero hematopoetic stem cell transplantation (IUHCT). Frontiers in Pharmacology, 5, 282. http://doi.org/10.3389/fphar.2014.00282

Yang, S., Fujikado, N., Kolodin, D., Benoist, C., Mathis, D. (2015). Immune tolerance. Regulatory T cells generated early in life play a distinct role in maintaining self-tolerance. Science, 2015 May 1;348(6234):589-94. http://doi.org/10.1126/science.aaa7017

 

Polygenie der Autoimmunerkrankungen

Zwei neue Skizzen fürs Buch, inspiriert durch An Goris und Adrian Liston, „The immunogenetic architecture of autoimmune disease„, 2012 (Open Access):

P1180505_Genetik_AIE_Voodoopuppe_NOD-Maus_650

Nur wenige Autoimmunerkrankungen folgen einem einfachen Mendel’schen Erbgang. Meist sind zahlreiche Genvarianten beteiligt, die das Erkrankungsrisiko für sich genommen – wenn überhaupt – nur minimal steigern und erst gemeinsam zum Ausbruch führen. Dabei tragen einige Genvarianten zur allgemeinen Neigung des Immunsystems zu Überreaktionen bei (Voodoo-Nadeln), und andere legen fest, welches Organ betroffen sein wird (Zielscheiben).

NOD-Mäuse wurden als Typ-1-Diabetes-Modell gezüchtet; normalerweise wird ihre Bauchspeicheldrüse durch Autoimmunreaktionen zerstört (Zielscheibe auf dem Rumpf). Wenn man ihr Diabetes-Risikoallel H2g7, das zum HLA-Komplex gehört, durch die Genvariante H2h4 ersetzt, bleiben die Tiere nicht etwa gesund: Sie bekommen eine Schilddrüsen-Autoimmunerkrankung (Zielscheibe am Hals). Auch beim Menschen scheinen die meisten HLA- oder MHC-Klasse-II-Varianten auf dem 6. Chromosom festzulegen, welche Autoantigene und damit welche Organe angegriffen werden, während Risikogenorte an anderen Stellen im Genom darüber entscheiden, ob das Immunsystem überhaupt zu Autoimmunstörungen neigt.

P1180507_AIE_polygen_650

Die Genetik der Autoimmunerkrankungen ist ein etwas undankbares Forschungsfeld, auf dem man nicht hoffen darf, die eine Genvariante zu entdecken, die für einen Großteil der Erkrankungen verantwortlich ist, und daraus eine simple Therapie abzuleiten. Stattdessen kann es sein, dass jemand chronisch krank wird, weil

  • eine MHC-Klasse-II-Variante auf Chromosom 6 zu einer schlechten Präsentation eines Autoantigens im Thymus führt, sodass das Immunsystem diesem Autoantigen später nicht gänzlich tolerant gegenüberstehen wird (geknicktes Tablett),
  • ein anderes MHC-Klasse-II-Molekül, das auf demselben Chromosom codiert ist, ein Autoantigen besonders stabil bindet, sodass dieses Autoantigen den T-Zellen im Lymphgewebe besonders häufig und lange präsentiert wird, womit die Gefahr einer T-Zell-Aktivierung steigt (tiefes Tablett),
  • eine seiner Genvarianten zu besonders scharfsichtigen T-Zell-Rezeptoren führt, sodass die T-Zellen bei einer Präsentation des passenden Autoantigens besonders leicht aktiviert werden (Brille),
  • eine andere Genvariante die regulatorischen T-Zellen (Tregs), die überzogene Immunreaktionen normalerweise ausbremsen, träge oder blind macht (Schlafmaske),
  • ein weiteres Risikoallel in aktivierten Immunzellen zu einer ungewöhnlich starken Produktion entzündungsfördernder Zytokine führt, die dann immer weitere Immunzellen anlocken (Megafon),
  • wieder ein anderes Risikoallel die Expression bestimmter Autoantigene im Thymus schwächt, sodass das Immunsystem ihnen gegenüber nicht tolerant gestimmt wird (geschrumpftes AAG) und
  • eine Genvariante an noch einem anderen Genort die Wundheilung in einem Organ hemmt, das durch einen Autoimmunprozess beschädigt wurde (Pflaster).

Auch diese Darstellung der Polygenie der Autoimmunerkrankungen ist noch stark vereinfacht – von den Wechselwirkungen zwischen unseren Genprodukten und dem Mikrobiom, unserer Nahrung, Krankheitserregern und weiteren Umweltfaktoren einmal ganz abgesehen.

Wenn also der nächste Wunderheiler um die Ecke kommt, der behauptet, man müsse nur ein bestimmtes Vitamin weglassen oder ein Mineralpräparat zu sich nehmen, um von einer nahezu beliebigen Autoimmunerkrankung geheilt zu werden: bitte auslachen.

Hokuspokus im Thymus

Endlich eine neue Skizze fürs Buch: Medulläre Thymus-Epithelzellen (mTEC) exprimieren das Gen AIRE, das einen universellen Transkriptionsfaktor codiert. Dieser dockt an beliebige Gene in den Zellkernen an und sorgt für die ektopische (d. h. nicht am üblichen Ort erfolgende) Herstellung aller möglicher eigentlich gewebe- und organspezifischer Proteine im Thymus. Auf diese Weise präsentieren die Thymus-Epithelzellen (hier als Illusionskünstler dargestellt) den jungen T-Zellen nahezu alle körpereigenen Proteine.P1110584_Thymus_AIRE_zentrale_Toleranz_Zauberer_650

Immunzellen, die stark auf eines dieser Proteine ansprechen (Sprechblasen), würden später zu Autoimmunreaktionen neigen und müssen daher ausgeschaltet werden. Das Ergebnis dieses Selektionsvorgangs nennt man „zentrale Toleranz“, da fast nur solche Immunzellen übrig bleiben, die körpereigene Antigene in Ruhe lassen. Ergänzt wird er später im Körper durch weitere Selektions- und Umpolungsvorgänge, die peripheren Toleranzmechanismen. Mutationen im Gen AIRE oder andere Störungen der Selektion im Thymus führen bereits im Kindesalter zu schweren, oft gegen eine Vielzahl körpereigener Antigene gerichteten Autoimmunreaktionen.

Immunität, Schilddrüsenfunktion und Schwangerschaft: molekulare Mechanismen

Zusammenfassung eines Reviews, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet und z. T. nur stichwortartig – keine „schöne Prosa“ 🙂

Anthony P. Weetman: Immunity, thyroid function and pregnancy: molecular mechanisms. Nature Reviews Endocrinology 6, 2010, 311-318, doi: 10.1038/nrendo.2010.46

[Das Fazit vorab: eine sehr gute Übersicht über die Balance zwischen Th1- und Th2-Arm der erworbenen Immunabwehr, die Funktion von Tregs, die Anforderung einer Schwangerschaft an das Immunsystem (Embryo = Semi-Allograft darf nicht abgestoßen werden, zugleich darf die Abwehr wegen Infektionsgefahr in kritischen Entwicklungsphasen nicht unterdrückt werden). Tabellen und Grafiken erleichtern das Verständnis.]

Abstract: Eine Schwangerschaft und die Zeit nach der Entbindung wirken sich stark auf Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse aus. Morbus Basedow: währenddessen Verbesserung, danach Verschlimmerung. Postpartum-Thyreoiditis: Zerstörung von Schilddrüsengewebe in den ertsen Monaten nach Entbindung. Mutter muss Toleranz gegenüber fetalem Semi-Allograft erhalten und zugleich sich und das Kind vor Infektionen schützen. Im Trophoblast Expression immunmodulatorischer Moleküle. Umschalten auf Th2-Zytokin-Muster. Tregs sammeln sich in der Gebärmutterschleimhaut, zirkulieren aber auch im mütterlichen Blutkreislauf und können so zufällig gleichzeitig auftretende Autoimmunreaktionen unterdrücken (linked suppression). Nach der Entbindung nimmt Zahl der Tregs rapide ab -> erneutes Ungleichgewicht -> Verschärfung einiger Autoimmunerkrankungen.   Weiterlesen

Die Grundlagen: Autoimmunität, Teil 2

Schutz vor falschen Verbindungen

Notizen zum 14. Kapitel des Lehrbuchs Janeway’s Immunobiology von Kenneth Murphy, Paul Travers und Mark Walport, 7. Auflage, Garland Science, 2008 – Teil 2: S. 602-605 (Teil 1: hier)

Die wichtigsten Mechanismen der peripheren Toleranz:

  • Anergie (Stilllegung; Zellen reagieren nicht mehr)
  • Apoptose (Zellen werden abgetötet)
  • Suppression durch regulatorische T-Zellen (Tregs)

An jedem der „Kontrollpunkte“ der zentralen und peripheren Toleranz muss ein Gleichgewicht gewahrt werden; Autoimmunität soll verhindert werden, ohne die Immunabwehr zu sehr zu schwächen. Die Abfolge der Kontrollpunkte sorgt für einen ganz guten Schutz, selbst wenn einzelne Punkte auch bei Gesunden immer wieder einmal versagen.  Weiterlesen

Die Grundlagen: Autoimmunität, Teil 1

Die Kommunikation muss stimmen.

Notizen zum 14. Kapitel des Lehrbuchs Janeway’s Immunobiology von Kenneth Murphy, Paul Travers und Mark Walport, 7. Auflage, Garland Science, 2008 – Teil 1: S. 599-601 (Teil 2: hier)

Autoimmunität = Reaktionen des Immunsystems auf körpereigene Zellen und Gewebe, kann zu Autoimunerkrankungen (Gewebezerstörung) führen.

Da die somatische Rekombination der Gene für die Antikörper und T-Zell-Rezeptoren während der Lymphozyten-Entwicklung zufällig abläuft, entstehen zwangsläufig auch Lymphozyten, die auf Selbst- oder Autoantigene ansprechen. Diese werden normalerweise an der Vermehrung gehindert oder vernichtet, wodurch Selbsttoleranz erreicht wird. Bei Autoimmunität versagt diese Selbsttoleranz.   Weiterlesen

The Epigenetics of Autoimmune Diseases, Kap. 1: Transkriptionsregulierung der T-Zell-Toleranz

Notizen zum 1. Kapitel des Buches von Moncef Zouali (Hg.), Autoren: Brian T. Abe et al.; noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Einführung

Im Körper entstehen gelegentlich Lymphozyten (T-Zellen, B-Zellen und natürliche Killerzellen; Untergruppe der Leukozyten), die auf körpereigenes Gewebe reagieren. Diese Selbstreaktivität kann zu Autoimmunkrankheiten führen. Ihre Eindämmung erfolgt auf zwei Ebenen: zentrale und periphere Toleranz. Sowohl selbstreaktive B-Zellen als auch selbstreaktive T-Zellen können eliminiert oder tolerant gemacht werden. Schwerpunkt dieses Kapitels sind die T-Zellen.   Weiterlesen